Am Sonntag hat die Oper "La Sonnambula" Premiere gefeiert und den Start von Jossi Wieler in Stuttgart markiert. Die Sopranistin Ana Durlovski verkörpert die Titelrolle.

Stuttgart - Der künftige Stuttgarter Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling (von der Spielzeit 2012/13 an) hatte sich ebenso wie viele Theater- und Opernprofis von außerhalb die Premiere von Vincenzo Bellinis Melodram „La Sonnambula“ nicht entgehen lassen wollen. Denn der Abend markierte den eigentlichen Start von Jossi Wieler, dem neuen Intendanten der Staatsoper Stuttgart. Mit dem bewährten Kollaborateur Sergio Morabito und der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock legte Wieler vor, welche Art und Klasse von zeitgemäßem Musiktheater hier in den kommenden mindestens fünf Jahren angestrebt wird.

 

Den designierten Musikchef wird der Abend mit der „Nachtwandlerin“ gefreut haben. Musik und Szene so eng verzahnt, verdichtet zu einer ereignishaften Aufführung – das könnte nun in Stuttgart wieder öfter möglich sein. Das ließ sich wahrlich sehen und hören: Bellinis nur auf den ersten Blick harmloses Hochzeitmärchen in den Schweizer Alpen mit lediglich einigen Missverständnissen zwischen dem Brautpaar, offenbarte sich in der Inszenierung von Wieler/Morabito als vielschichtige Seeleschau, als ein untergründig düsteres Stück von wahrer und verstörter Liebe – und von Selbstbetrug und Selbstvergessen. Die Waise Amina, die nachtwandelnde Hauptfigur, trägt hier an der Last ihre Vergangenheit, ihrer toten Mutter, die sie unehelich empfangen hat und womöglich von eigener Hand gestorben ist. Das überschattet Aminas geplante Hochzeit mit Elvino.

Ana Durlovski hat sich in die Herzen des Publikums gesungen

Die Sopranistin Ana Durlovski in der Titelrolle spielte diese Mädchenfigur als eine Heranwachsende ohne Selbstvertrauen, aber Selbstgefühl mit der Klarheit eines Alpenbächleins, das nach einem Gewitter auch mal aufrauscht. Denn das treibt Amina in den entäußerten Ausdruck und in Wahnmomente: ihr Schmerzempfinden für die Enge ihrer Mitmenschen. Mit hohem Sinn für Bellinis Fiorituren, seinen Schleifen und Verzierungen in den unendlichen Melodiebögen gewann Durlovski die Herzen des Publikums. Ein ausgewogenes Ensemble, im Einzelnen nicht immer ganz so versiert in der Belcantokunst, aber spielstark legte den Grund für den ausgiebig gefeierten Abend. Ohne den diesmal besonders feinfarbig singenden, darstellerisch bewährt fulminanten Staatsopernchor und ohne Gabriele Ferro am Dirigentenpult wäre das allerdings nur die halbe Miete gewesen. Und so fügte sich zum Ganzen, was nur selten sich rundet: Musiktheater als ein szenisch und musikalischer erfüllter Augenblick.