Der Stuttgarter Westen ist nicht nur der beliebteste Stadtbezirk in Stuttgart, sondern auch einer der am dichtesten besiedelten Wohnbezirke in Europa. Investoren wollen nun alte Gebäude in neuen Wohnraum verwandeln.

Stuttgart - Der Stuttgarter Westen ist ob seiner urbanen Strukturen nicht nur der beliebteste Stadtbezirk in Stuttgart, sondern auch einer der am dichtesten besiedelten Wohnbezirke in Europa. Und seine Beliebtheit lässt ihn seit Jahren immer noch dichter werden. Investoren stürzen sich geradezu auf alte Gebäude, um sie in neuen Wohnraum zu verwandeln oder neu zu bebauen – und den typischen Hinterhof am liebsten noch gleich mit dazu.

 

Ins ehemaligen Oberschulamt sollen 26 Loft-Wohnungen

Jüngstes Beispiel ist die Revitalisierung des alten Oberschulamtsgebäudes in der Breitscheidstraße 42. Seit dem Umzug der Behörde als Abteilung des Regierungspräsidiums nach Vaihingen steht das große Gebäude leer. Jetzt plant die Firma Bouwfonds den Umbau in 26 Loftwohnungen und den Neubau von 16 weiteren Wohnungen anstelle eines alten Anbaus im Hinterhof sowie eine Tiefgarage noch dazu. Nach langen und schwierigen Verhandlungen harrt der Investor der Baugenehmigung. „Wir würden gerne im Herbst mit dem Bau beginnen und dann bis Ende 2014 fertig sein“, sagt Rainer Beitlich von Bouwfonds.

Stadtplanungsamt sieht Potenzial für bis zu 1000 Wohnungen

Solche und andere Bauvorhaben wird es in nächster Zeit im Westen zuhauf geben. Das Stadtplanungsamt sieht ein Potenzial für bis zu 1000 Wohnungen, die allein nach geltendem Baurecht gebaut werden könnten. Die Stadt sieht sich dadurch in ihrer Politik der Nachverdichtung bestätigt, stößt aber in der planerischen Wirklichkeit zunehmend auf Proteste von Nachbarn. Sie sehen mit dem Bau von zusätzlichen Wohnungen auch Nachteile für ihr Wohnumfeld, sei es aus räumlichen oder stadtklimatischen Gründen. Streit belastet und verzögert immer öfters geplante Bauvorhaben. Über diese wird aufgrund der baurechtlichen Situation im Westen seitens der Ämter stets von Fall zu Fall und meist über Befreiungen entschieden, was Nachbarn mitunter nicht nachvollziehen können und Investoren verunsichert und oft auch verärgert.

Am Rahmenplan Talgrund Stuttgart-West wird gearbeitet

Künftig will die Stadt deshalb mit einem übergeordneten Rahmenplan die stadtplanerischen Ziele vorgeben, die bei Bauverfahren als Richtschnur gelten sollen. Analog des vor Jahren eingeführten Rahmenplans Halbhöhe arbeitet man im Stadtplanungsamt seit geraumer Zeit an einem Rahmenplan Talgrund Stuttgart-West. „Ziel ist es, durch diesen Rahmenplan das Vorgehen bei Bauanträgen zu systematisieren, um Konflikte zwischen Bauherren und Nachbarn entgegentreten zu können“, sagte Baubürgermeister Hahn bei einer Vorstellung erster Planideen im Gemeinderat im vergangenen Jahr.

Der Stadt geht es darum „qualifiziert nachzuverdichten“

Das ist freilich nur ein Aspekt. Es geht auch darum, die Stadtentwicklung nicht allein den Investoren zu überlassen, sondern „qualifiziert nachzuverdichten“, so der Leiter des Stadtplanungsamtes, Detlef Kron. Die Stadt wolle die Wohnqualität im Westen erhalten und verbessern. „Da schaut man dann bei Befreiungen genauer hin“, sagt die Leiterin des Baurechtsamtes, Kirsten Rickes. Für sie bedeutet der Rahmenplan letztlich politische Rückendeckung und Argumentationshilfe in Fällen, wo sie überzogene Bauwünsche ablehnen muss.

Der Rahmenplan soll als Richtschnur dienen

Der Rahmenplan selbst hat baurechtlich keine unmittelbare Wirkung. Er soll aber als Richtschnur vorgeben, wo der Westen grün bleiben oder grüner werden soll, wo über Befreiungen vom geltenden Baurecht höher oder dichter gebaut werden könnte und wo nicht, wo Stellplätze unter die Erde sollen und wo Frischluftschneisen frei gehalten werden müssen. „Dort, wo es verträglich ist, wollen wir eine urbane Dichte vertreten, aber dort, wo es nicht verträglich ist, da ist weniger mehr“, sagt der oberste Stadtplaner Kron.

Ein Investor im Quartier Feuersee hat das Nachsehen

Das dürfte den einen Investor freuen, den anderen verärgern. „Der Bestandsschutz bleibt immer bestehen“, betont Kron. Neue Bebauungspläne, die, wie im Zuge des Rahmenplans Halbhöhe mehrfach geschehen, Baumöglichkeiten einschränken oder das Bauen gar ganz verbieten, seien nicht das erklärte Ziel. Denkbar seien neue Bebauungspläne vielmehr auch dann, wenn wünschenswerte Vorhaben am geltenden Baurecht und nicht gewährten Befreiungen scheitern würden. „Der Rahmenplan kann sich auch positiv auswirken auf Investoren“, betont Kron. Er verweist auf die so ermöglichten großen Wohnungsbaustellen auf dem alten AOK-Areal an der Breitscheidstraße und neben der Rosenbergkirche. Ein Investor im Quartier am Feuersee dagegen hat das Nachsehen. Dort will die Stadt, anders als noch vor Jahren, den Innenhof nicht weiter zugebaut haben.

Die Stadt setzt auch auf Bürgerbeteiligung

Noch vor der Sommerpause soll der neue Rahmenplan im Bezirksbeirat und im Gemeinderat diskutiert werden – und auch von der Bürgerschaft. „Wir werden eine Bürgerbeteiligung im Rahmen einer Veranstaltung machen“, kündigt Kron an.