Die Wahl-Niederlage tut noch ganz schön weh: Der Vorstand der Stuttgarter CDU und die Gemeinderatsfraktion gehen am Samstag in Klausur. Es gilt, die Schlappe bei der OB-Wahl aufzuarbeiten.

Stuttgart - In einer gemeinsamen Klausurtagung von Kreisvorstand und Gemeinderatsfraktion in Ingelfingen im Hohenlohekreis will die Stuttgarter CDU an diesem Samstag das Debakel bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2012 final aufarbeiten. Es gilt außerdem, die schlechte Ausgangslage der Partei in den Großstädten zu analysieren, aber vor allem darüber zu sprechen, wie die Volkspartei künftig – am besten schon im Herbst im Bund und dann auch 2014 in der Kommune – wieder erfolgreich Wahlen bestreiten kann.

 

Rasche Ergebnisse erscheinen nötig. Dem Kreischef Stefan Kaufmann droht der Verlust seines Direktmandats, denn er tritt bei der Bundestagswahl gegen den Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir an, der sich – so befürchten Christdemokraten – mit Ute Vogt (SPD) auf eine gemeinsame rot-grüne Erst- und Zweitstimmenkampagne verständigen könnte. Die Grundlage der ersten gemeinsamen Klausur von Kreisvorstand und Fraktion wird das Protokoll einer „Funktionsträgerkonferenz“ vom vergangenen Samstag sein.

Rund 160 Mitglieder waren dort auf Antrag der Jungen Union zusammen gekommen, „um die Ergebnisse des OB-Wahlkampfes aufzuarbeiten“, wie es in einer Pressemitteilung des Kreisverbandes heißt. Dabei soll der Ex-Kandidat Sebastian Turner deutliche Zweifel an einen Wahlsieg Kaufmanns angemeldet haben. „Ich bin froh, dass es diese Veranstaltung gegeben hat“, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Benjamin Völkel, „ohne unseren Antrag wäre es nicht dazu gekommen.“ Es sei klar geworden, dass es der CDU im OB-Wahlkampf an „Profilierung und Polarisierung“ gemangelt habe. Sobald stärker akzentuiert wurde – vor der Neuwahl wurde Kuhn zum Feind des Automobilstandorts erklärt – habe sich in der eigenen Partei ein Mobilisierungseffekt eingestellt. Völkel zieht daraus die Konsequenz: „Jetzt ist es vorbei mit dem Kuschelkurs.“

JU-Chef fordert klares Bekenntnis zur CDU

Für ihn ist es aber auch vorbei mit der Nominierung parteiloser Kandidaten. Im Blick auf die Kommunalwahl 2014 hält es der JU-Chef zwar für möglich, Quereinsteiger ohne politische Erfahrung zu nominieren, aber nicht ohne Parteibuch. „Voraussetzung ist ein klares Bekenntnis zur CDU“, so Völkel.

Das muss als Seitenhieb auf die Verantwortlichen für das Debakel bei der OB-Wahl gesehen werden. Geradezu erleichtert zeigte sich Völkel deshalb, dass Kreischef Kaufmann Mumm gezeigt „und das Ergebnis als Niederlage“ bezeichnet habe. Vom parteilosen Kandidaten Sebastian Turner ist derlei Einsicht nicht zu erwarten: Zentraler Bestandteil der eigenen Analyse bleibt die These, er habe doch für die CDU „das beste Wahlergebnis und die höchste Mobilisierung eines bürgerlichen Kandidaten in den letzten Jahren in einer deutschen Großstadt“ erzielt. Die Bereitschaft, Turners zweiten Platz nach Stimmen (aber nur Rang drei bei den vom Statistischen Amt ermittelten Sympathiewerten hinter Fritz Kuhn und der SPD-Bewerberin Bettina Wilhelm) wie einen Sieg zu feiern, ist an der CDU-Basis nicht mehr vorhanden. Dafür hat auch die Analyse von Thomas Schwarz gesorgt. Der Wahlamtsleiter stellte fest, Turner sei zwar im ersten Wahlgang nur um 0,7 Prozentpunkte hinter dem Ergebnis von Alt-OB Wolfgang Schuster 1996 zurück geblieben; beziehe man aber das Resultat der FDP-Bewerberin Corinna Werwigk-Hertneck ein, habe der Abstand stattliche 5,9 Prozentpunkte betragen.

Kopfschütteln über Wahlanalyse des OB-Kandidaten Turner

CDU-Repräsentanten hätten sich verwundert die Augen gerieben, als sie neben Schwarz und dem Parteienforscher Oscar Gabriel Turner auf der Referentenliste entdeckten. Sie seien „schockiert“ gewesen, sagen sie hinter vorgehaltener Hand. In Anwesenheit des Kandidaten sei eine schonungslose Analyse nicht möglich gewesen, auch wenn kritische Fragen gestellt worden seien. Auch der JU-Chef Völkel sagte, er sei von Turners Anwesenheit überrascht gewesen, immerhin habe es sich um eine nur für Mitglieder offene Veranstaltung gehandelt. Mit Kopfschütteln ist deshalb bei den Kritikern die Pressenotiz der CDU registriert worden, Turner habe sich mit dem Wahlergebnis zufrieden gezeigt, da es „eine gewisse Neuausrichtung der CDU Stuttgart erkennen lasse“, und er wünsche sich, dass weitergearbeitet werde. Die Beteuerung, er wolle daran mitwirken, habe mancher Christdemokrat als Drohung empfunden: „Turner ist wie Kaugummi an der Schuhsohle – man wird ihn einfach nicht mehr los.“ Dieses Fazit war auch im Umfeld von Alt-OB-Schuster gezogen worden. Es heißt, Turners Anwesenheit bei dessen Verabschiedung sei zwar nicht erwünscht gewesen, der Unternehmer habe sich aber partout nicht ausladen lassen.

Kaufmann rechtfertigte Turners Einladung zur Funktionsträgerkonferenz wiederum damit, Parteimitglieder hätten das so gewünscht. „Wenn dies nun von wenigen moniert wird, dann müssen diese Personen noch lernen, Kritik im Vorfeld zu äußern. Dann hätte man von einer Einladung absehen können. Es erscheint auch komisch, wenn erwachsene Personen über andere nur dann Kritik üben können, wenn diese nicht anwesend sind.“

Diese Kritiker monieren, der Multimillionär solle endlich in die Partei eintreten und helfen, das Loch zu füllen, das der Wahlkampf in die CDU-Kasse gerissen habe. Bekanntlich hat der Vorstand beschlossen, ein Defizit des Turner-Wahlvereins bis zu 150 000 Euro zu tragen. Noch vor der Schlussabrechnung sind in der CDU Befürchtungen laut geworden, dieser Betrag müsse ausgeschöpft werden. Ein Beitrag Turners über die zugesagten 30 000 Euro hinaus wird aber nicht erwartet.