Seit jeher definiert sich der VfB Stuttgart über seine Nachwuchsarbeit, der mächtige FC Bayern eher über Top-Transfers. Doch damit ist jetzt Schluss.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Fachfrage zum Einstieg: Was haben Timo Baumgartl (22) und David Alaba (26) gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den zweiten Folgendes: Bei den beiden handelt es sich um die aktuell letzten Spieler, die beim VfB Stuttgart und beim FC Bayern München den Sprung vom Nachwuchs zur Stammkraft bei den Profis geschafft haben.

 

Ein Ruhmesblatt für die beiden Vereine ist das nicht, was nichts mit den Qualitäten von Baumgartl und Alaba zu tun hat. Vielmehr liegen die Bundesligisten damit unter ihren selbst gesteckten Zielen. Baumgartl und Alaba sind schließlich schon eine ganze Weile dabei. Seither gab es auf Stuttgarter Seite nur noch Berkay Özcan, dessen Entwicklung aber stagniert und der nun womöglich noch ausgeliehen wird. In München war seit Alaba noch weniger Jugend forsch.

Die bayrische Antwort auf den Transferwahnsinn

Dass es bei den Bundesligarivalen, die am Samstag (18.30 Uhr) aufeinandertreffen, mit der Nachwuchsförderung in den vergangenen Jahren eher mau aussah, hat unterschiedliche Gründe. Rückblickend sieht der Stuttgarter Nachwuchschef Thomas Hitzlsperger einen Hauptgrund für den Mangel an eigens ausgebildeten Talenten beim VfB in den vielen Personalwechseln. „Dadurch hat die Kontinuität gefehlt“, meint der langjährige Nationalspieler. Beim Branchenprimus von der Isar hingegen wurde der Nachwuchsarbeit aus dem Gefühl der eigenen Stärke heraus zuletzt nur wenig Beachtung geschenkt. Schließlich ist das Festgeldkonto seit jeher prall gefüllt. Da war es naheliegender, ausgereifte Topkräfte einzukaufen statt sie mühsam heranzuziehen. Der jährliche Hochleistungswettkampf mit Real Madrid und Konsorten duldet keinen langen Atem.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Der deutsche Rekordchampion hat ebenfalls die Jugendarbeit für sich entdeckt – und schlägt damit gewissermaßen den Stuttgarter Weg ein. Präsident Uli Hoeneß propagiert das im vergangenen Jahr mit allem Pipapo eingeweihte Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) als Münchner Antwort auf „den Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen“. Hoeneß hofft auf den Idealfall: Irgendwann sollen aus den Supertalenten ein neuer Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller entwachsen.

So ähnlich klingt das auch 200 Kilometer weiter westlich. Nur dass man hier bald auf einen neuen Khedira hofft. Der Weg dorthin ist steinig, schließlich schaffen von den knapp 200 Jugendspielern, die derzeit das Trikot mit dem Brustring tragen, am Ende nur einige wenige den Weg in den Profifußball. Und dass im FC Bayern neben all den anderen Talentschmieden im süddeutschen Raum ein weiterer, mächtiger Konkurrent erwächst, macht die Sache nicht einfacher. „Die Konkurrenzsituation ist eine ganze andere als früher“, sagt Hitzlsperger.

Beim VfB gilt: Fußball ist nicht alles

Jüngstes Beispiel: Die Verpflichtung des 17-jährigen Alphonso Davies. 10 Millionen Euro haben die Bayern für die derzeit heißeste Ware auf dem Markt der Nachwuchsfußballer hingeblättert. Auch der VfB war an dem kanadischen Supertalent dran, wurde auf der Zielgeraden aber von den Münchnern ausgestochen. „Die Konkurrenzsituation stellt uns vor neue Herausforderungen“, sucht der Stuttgarter Nachwuchschef deshalb nach neuen Wegen, um die Stars von morgen von einem Engagement auf dem Wasen zu überzeugen.

Ein wichtiger Aspekt lautet: Fußball ist nicht alles. Zwar steht auch beim VfB die Ausbildung zum Profi an erster Stelle. Mindestens genauso wichtig sei aber auch die schulische und persönliche Entwicklung, meint Hitzlsperger. Er sieht den Verein dabei in Verantwortung auch für diejenigen, für die sich der Traum vom Profifußball nicht erfüllt. Weshalb jüngst auch den beiden Regionalliga-Spielern Alexander Groiß und Nicolas Sessa keine Steine in den Weg gelegt wurden, als es diese in die dritte Liga zog.

Im Vergleich zu den Bayern hält der VfB einen weiteren Trumpf in den Händen. „Der Weg zu den Profis ist bei uns so schwer wie bei keinem anderen Bundesligaclub“, sagt der Leiter des Bayern-Campus, Jochen Sauer. An diesem Punkt wird die deutsche Nummer eins Opfer seiner eigenen Stärke.