Joan Weng weckt in ihren Büchern das Berlin der Goldenen Zwanziger mit seinem Glamour, aber auch seinen Niederungen zu neuem Leben.

Leinfelden-Echterdingen - Schon der Name klingt nach einem Roman: Joan Weng heißt die Autorin, die eben ihren zweiten Krimi veröffentlicht hat. Doch hinter dem Klingelschild in Oberaichen verbirgt sich weder ein Pseudonym noch die Erfindung eines PR-Agenten. „Ich bin in Ludwigsburg geboren und mit meinem Mann auf den Fildern gelandet“, stellt die junge Frau klar und erklärt augenzwinkernd: „Weit und breit keine asiatischen Wurzeln.“

 

Gleichwohl sorgt die spezielle „Weng-Mixtur“ für Erstaunen: Die 32-Jährige ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Doktorandin und nebenbei Leiterin eines Literaturblogs. Nicht zu vergessen der Sohn Karl, der mit seinen unternehmungslustigen eineinhalb Jahren die Mama auf Trab hält.

Joan Wengs neuestes Buch heißt „Noble Gesellschaft“

Joan Weng scheint das Pensum keine Probleme zu bereiten, obwohl sie schon hofft, nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium möglichst bald die Promotion abschließen zu können. Das Thema: Weibliche Schönheit in der Literatur der Weimarer Republik. Es ist also kein Wunder, dass in Wengs Kriminalgeschichten die Goldenen Zwanziger ebenso vorkommen wie ein attraktives Erscheinungsbild – wenn auch in der männlichen Variante.

Der blendend aussehende Carl von Bäumer ist Star-Schauspieler bei der Ufa, und ungeachtet des drohenden „Unzuchtparagraphen“ verbandelt mit dem sympathischen Paul Genzer, der als Kommissar schon von Berufs wegen mancher Ungereimtheit auf der Spur ist. Mit vereinten Kräften machen sich die beiden daran, die „Noble Gesellschaft“ des Buchtitels zu durchleuchten.

Auch in ihrem ersten Werk liefern das Duo und der Berliner Sommer des Jahres 1925 die Kulisse für einen Mord in bester Gesellschaft: „Feine Leute“ ist im vergangenen Frühjahr erschienen. Als dritten Titel kündigt der Aufbau-Verlag bereits für diesen Sommer „Café unter den Linden“ an. „Noch ist die Geschichte allerdings im Entstehen“, sagt die Autorin und deutet auf ihren Laptop.

Die Hauptfigur entstand im Rahmen einer Schreibwerkstatt

Geschrieben habe sie parallel zu Schule und Studium schon immer gern, sagt Weng. Zunächst entstand vor allem Kurzprosa, die bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, etwa mit dem Hattinger Literaturförderpreis, dem Wiener Werkstattpreis oder dem Goldstaubpreis der Internationalen Autorinnen-Vereinigung.

Einem Schreibwettbewerb verdankt auch Kommissar Genzer seine Rolle: Ein „charismatischer Ermittler“ sollte skizziert werden, was Weng und eine Handvoll Freunde zum Sinnieren brachte: Was macht einen guten Ermittler aus, und was seine persönliche Ausstrahlung? Nach und nach nahm Paul Genzer Kontur an.

Der zeitliche Rahmen stand schnell fest: Mit der Weimarer Republik kennt sich Frau Doktor in spe aus. Die 1920er-Jahre seien eine spannende Zeit gewesen – offen, modern, mit vielen künstlerischen Strömungen. Gleichzeitig stehe diese Phase mit Seidenstrümpfen, Perlenkette und Bubikopf erstmals für ein allgemein erschwingliches Schönheitsversprechen. Dabei habe der Glamour die weibliche Scheinselbständigkeit bestenfalls übertüncht: „Frauen blieben komplett abhängig. Ihr Weltbild bestimmten Ehemänner – oder ein Ideal im Kino.“

Eine Weiterführung der Reihe ist nicht ausgeschlossen

Ob der schönste Mann der Ufa auf weitere Auftritte hoffen darf, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall würden jene Leser enttäuscht, die auf Action hofften, erläutert Weng. Sie mag die fein gesponnenen Verflechtungen ihres Vorbildes Agatha Christie, auch wenn es auch Kritik an diesem Krimi-Stil gebe. So lange die Verkaufszahlen aber keine Änderung nahelegen, will sich Joan Weng nicht beirren lassen. Nach der Pflicht ihrer wissenschaftlichen Arbeit freut sie sich auf die Kür als freie Autorin vieler unterhaltsamer Bücher.