Der Chor Korntal will junge Sänger um die 30 Jahre gewinnen. Der geplante neue Chor soll moderne, englischsprachige Lieder singen. Das gemeinschaftliche Singen ist ein Hobby mit vielen Vorzügen.

Korntal-Münchingen - Singen oder Sport? Um neue Kontakte zu knüpfen, probierte Renate Gurka beides aus, als sie vor mehr als 30 Jahren von Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) in den Korntal-Münchinger Stadtteil Korntal zog. Schließlich machte sie bis dato Gymnastik. Außerdem kommt sie aus einer musikalischen Familie: „Bei unseren Treffen singen wir immer. Mein Großvater war im Chor, meine Mutter Erzieherin. Sie hat mit den Kindern viel und gern gesungen“, erzählt die 69-Jährige. Sie entschied sich dafür, dem Korntaler Chor beizutreten. Dort habe sie sich von Anfang an wohl gefühlt. So wohl, dass sie bis heute Mitglied ist – und mehr noch: Seit 2014 sitzt sie dem Chor vor. Und sie hat mit dem Dirigenten Christof Eßwein große Pläne: Die beiden wollen einen jungen und modernen Rock-, Pop- und Jazzchor gründen.

 

Das Liedgut der Älteren schreckt die Jüngeren ab

Die Korntaler kämpfen mit ähnlichen Problemen wie andere Vereine: Ihnen fehlt der Nachwuchs. Wer sich dem Chor anschließt, bleibt ihm zwar meist treu, bis es gesundheitlich nicht mehr geht. Doch Jüngere zu gewinnen, sei schwierig, sagt Gurka, da brauche es Ideen. Ihre Tochter sei mit 45 Jahren das jüngste Mitglied, der Großteil sei 75 bis 85. Vor 30 Jahren habe der Chor regelmäßig Konzertreisen gemacht und an Wettbewerben teilgenommen. Nun beschränkten sich die Auftritte auf die nähere Umgebung. Die Zahl der Sänger hat sich auf derzeit 43 Aktive halbiert.

Aus Sicht von Renate Gurka konkurriert etwa die Musikschule mit dem Chor. Aber auch das Liedgut der gestandenen Sänger schreckt Jüngere offenbar ab: traditionelle weltliche und kirchliche Musik, gesungen auf Deutsch. „Unser Repertoire ist auf Ältere zugeschnitten“, sagt der Dirigent Eßwein. Er berichtet von einem jüngeren Paar, das nur wegen der Lieder nicht mitmachen wolle. Mit dem jungen Chor will Eßwein deshalb aktuelle, moderne und englischsprachige Stücke einstudieren. Das reize ihn sehr. In die Auswahl wolle er die neuen Sänger einbeziehen.

Vorsingen? Allein singen? Fehlanzeige!

Was diese mitbringen müssen? „Lust und Laune“, sagt Eßwein. Noten lesen müssten sie nicht können, allein singen müssten sie auch nicht, weder bei der Aufnahme noch im Choralltag. Eßwein: „Beim Chorsingen geht es um die Gemeinschaft. Vor allem in Laienchören will keiner rausstechen.“ Renate Gurka bestätigt das. „Ich würde es mir trotz meiner Erfahrung auch gar nicht zutrauen, allein zu singen.“ Selbst als Teil des Ganzen sei sie vor Auftritten nervös. Für sie stand immer der Spaß am Singen im Vordergrund. „Singen befreit mich außerdem unglaublich“, sagt die 69-Jährige. Laut Christof Eßwein ist es für die Sänger ein „großes Erfolgserlebnis“, wenn sie Lieder zusammen erarbeitet und auf der Bühne präsentiert haben.

Mit seinen Plänen reagiert der Chor Korntal auf den Nachwuchsmangel so, wie es andere Chöre vor ihm schon taten. Der Liederkranz Münchingen mit dem Chor Classic gründete nach eigenen Angaben als einer der ersten Vereine bereits 1996 einen jungen Chor: den Modern Art Chor. Doch dieser sei inzwischen auch in die Jahre gekommen, sagt die Vorsitzende Birgit Heinrich. „Wir beobachten andere Chöre und müssen nachlegen.“ Daher solle es wieder einen jungen Chor geben. Der Blick in Nachbarkommunen wie Ditzingen zeige, dass jüngere Chöre funktionierten. Wenngleich vielleicht unter anderen Bedingungen: „Eventuell müssen wir uns umstellen: Weg von der klassischen Vereinsstruktur hin zu lockeren Angeboten wie Workshops oder freieres Singen“, meint Birgit Heinrich. Details würden in der nächsten Chorsitzung besprochen.

Singen liegt im Trend

Nicht nur im Strohgäu, bundesweit gibt es immer mehr Chöre: Laut Chorverband singen mehr als drei Millionen Menschen in mehr als 60 000 Chören. Die niedrigen Hürden und das Gemeinschaftsgefühl dürften nur zwei Gründe dafür sein, dass das gemeinsame Singen im Trend liegt. Wissenschaftlern zufolge ist Singen zudem gesund und macht glücklich: Es stärkt das Immunsystem und bringt das Herz und den Kreislauf in Schwung. Zugleich sorgt Singen dafür, dass das Gehirn mehr Hormone bildet, die die Stimmung verbessern.

Renate Gurka ist gespannt auf den 15. Januar. An dem Tag trifft sich der junge Chor erstmals. „Der Chor Korntal darf nicht sterben. Seine Geschichte muss weiterleben“, sagt sie. Zumal es eine Geschichte ist, die schon lange währt: Dieses Jahr wird der Männerchor 100, der Frauenchor wird ein Jahr darauf 60 Jahre alt. Seit 1960 ist der Chor ein gemischter.

Chorprobe Wer sich für den jungen Chor interessiert, der kommt am Dienstag, 15. Januar, in das Haus der Feuerwehr Korntal, Zuffenhauser Straße 13, Eingang Goerdelerstraße. Beginn ist um 20.15 Uhr. Der „alte“ Chor probt wieder am Dienstag, 8. Januar, von 19 bis 21 Uhr.