Die Polizei in baden-Württemberg bildet so viele Anwärter aus wie nie. Die SPD bemängelt, dass noch Plätze frei sind. Außerdem sind viele Bewerber schon vor Ausbildungsbeginn wieder abgesprungen.

Stuttgart - Neidvoll zeigt der CDU-Abgeordnete auf eine Grafikseite aus unserer Zeitung: Bei einem Leistungsvergleich zwischen Baden-Württemberg und Bayern schneidet der Südwesten in puncto Polizisten deutlich schlechter ab: Hierzulande kommen 225 Polizisten auf 100 000 Einwohner, in Bayern sind es 326.

 

Das soll sich ändern. Im Koalitionsvertrag haben Grüne und CDU 2016 vereinbart, bis 2021 bei der Polizei 1500 zusätzliche Stellen zu schaffen, um den zunehmenden Aufgaben und Gefahren – etwa durch Terrorismus und Cyberkriminalität – zu begegnen. Damit trotz der Pensionierungswelle auch Neustellen besetzt werden können, hat Grün-Schwarz die Zahl der Ausbildungsplätze im mittleren Dienst in diesem und im nächsten Jahr um 400 auf 1800 Stellen angehoben. In Herrenberg und Wertheim wurden weitere Polizeischulen eröffnet.

Doch gut einen Monat nach Ausbildungsbeginn gibt es noch freie Plätze. 68 Stellen wurden nicht besetzt, weil nicht genügend Bewerber die Voraussetzungen erfüllten. Schon vor Beginn der Ausbildung am 1. September seien 65 Männer und Frauen, die eine Zusage erhalten hatten, wieder abgesprungen, teilte das Innenministerium jetzt auf Anfrage der SPD-Landtagsfraktion mit. Einige hatten in der Zwischenzeit einen Studienplatz erhalten, andere wollten die Ausbildung verschieben oder den Aufnahmetest wiederholen, um eine Ausbildung im gehobenen statt im mittleren Dienst zu beginnen – dort gibt es derzeit 424 Stellen. Weitere fünf Anwärter haben kurz nach Ausbildungsbeginn diese abgebrochen. Statt der geplanten 27 Anfängerklassen an den fünf Polizeischulen wurden nur 25 Klassen für angehende Polizeimeister eingerichtet.

Teilweise haben Bewerber bei Tests nicht die erforderliche Punktezahl erreicht

Da sei noch „Sand im Getriebe“, kritisierte der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Sascha Binder. „Der Innenminister kann weder alle der neu geschaffenen Anwärterstellen besetzen noch gelingt es ihm, das dringend benötigte Lehrpersonal zu finden.“ Wenn Strobl es nicht schaffe, mehr Pensionäre für die Hochschulen zu gewinnen, müsse er Polizisten aus den Polizeipräsidien an die Schulen abordnen, so Binder. „Dies führt zu einer weiteren Schwächung der operativen Polizeiarbeit.“

Strobl hält die Kritik aus der Opposition für überzogen. Dass nicht alle Ausbildungsplätze besetzt sind, sei vor allem auf die höhere Zahl der Stellen zurückzuführen. Mit der Einstellungsoffensive und der Erweiterung auf 1800 Ausbildungsplätze sei man an die „Grenze des Machbaren gegangen, ohne jedoch Abstriche bei der Qualität zu machen“, sagte der Innenminister. So seien Bewerber beispielsweise abgelehnt worden, weil sie nicht rechtzeitig notwendige Unterlagen eingereicht oder bei den Tests nicht die erforderliche Punktezahl erreicht hätten. Auch dass es Abbrecher gebe, sei nicht ungewöhnlich. Von den 8578 Anwärtern, die seit 2011 eine Ausbildung für den mittleren Polizeidienst begonnen haben, haben 7998 diese beendet oder sind noch in Ausbildung. Mancher entdecke erst im Lauf der Zeit, dass der Beruf nicht seine Erwartungen erfülle, sagte Strobl.

Pensionäre sollen als Ausbilder weiter arbeiten

Bei den Ausbildern an den Polizeihochschulen sieht er ebenfalls keine Not. Die 20 Pensionäre, mit denen Verträge abgeschlossen wurden oder werden sollten, seien nur ein Teil des Kollegiums, weitere kämen aus den Präsidien. 2019 sollten wieder Beamte angesprochen werden, die kurz vor dem Ruhestand seien.

Für sie ist auch Geld im Nachtragshaushalt vorgesehen, der noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Das Innenministerium hat 2,8 Millionen Euro beantragt, um 30 Stellen für freiwillige Verlängerer sowie neun weitere Stellen für die Hochschule der Polizei zu finanzieren.

Entlastung für die Polizei sieht Strobl auch durch die geplante Aufhebung der Stellenbesetzungssperre für die tarifbeschäftigten Mitarbeiter in den Dienststellen – bisher war die Regelung nur bis Ende dieses Jahres ausgesetzt. Sie sah vor, dass freiwerdende Stellen von Arbeitern und Angestellten im Polizeidienst erst nach einem Jahr wiederbesetzt werden sollten. Dabei geht es um Mitarbeiter, die die Polizisten entlasten – vom Hausmeister über Schreibkräfte und Techniker bis hin zu Computerspezialisten. Im Nachtragshaushalt werden 6,1 Milliarden Euro für diesen Bereich bereitgestellt.