Ludwigsburg entwickelt sich für Ulms Basketballer zum Angstgegner. Nachdem die MHP Riesen vergangene Woche schon in der Liga gewonnen hatten, gab es zum Play-off-Auftakt den nächsten Coup – einen 96:93-Sieg nach Verlängerung.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ulm - Am Ende hätte Ludwigsburgs Trainer fast noch die Hilfe des Gegners in Anspruch nehmen müssen. „Das war ein gutes Spiel für die Zuschauer, aber nicht für mein Herz“, sagte John Patrick Doch bevor der Amerikaner sich von Ulms Hauptsponsor und Pharmakonzern Ratiopharm (Slogan: Gute Preise. Gute Besserung.) irgendwelche Betablocker geben ließ, hatte seine Mannschaft in diesem Herzschlagfinale ein Einsehen – und machte dank Rocky Trice 0,6 Sekunden vor Schluss den Siegwurf zum 96:93 nach Verlängerung. Der Vorrundenachte hatte beim Ersten gewonnen.

 

Eine Sensation könnte man sagen, wenn es keine Vorgeschichte gäbe. Drei von vier direkten Duellen in dieser Saison entschieden die MHP Riesen für sich – sie mutieren langsam, aber sicher zum Angstgegner der Ulmer, deren Trainer Thorsten Leibenath vorab noch überzeugt war: „Wir wissen, wie wir Ludwigsburg schlagen können.“

Doch manchmal sind es eben Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen, und nicht nur die Schiedsrichter, wie Leibenath etwas verklausuliert andeute. „Wir haben verstanden, was wir wollten – andere möglicheweise nicht.“

Die Dreierquote entscheidet

Doch selbst Leibenath musste zugeben: „Die Dreierquote hat heute den Unterschied ausgemacht.“ Das klingt irgendwie paradox, denn gerade diese Statistik zählte im bisherigen Verlauf der Saison zu den Schwächen bei den Riesen, aber 52 zu 36 Prozent sprechen eine deutliche Sprache. „Wir hatten einen Sahnetag von außen“, sagte John Patrick – und meinte damit vor allem Rocky Trice, der nach der Pause (39:38) zu großer Form auflief und dabei 22 seiner 25 Punkte (sieben von acht Dreiern) verbuchte. „Natürlich ist es immer etwas Besonderes, hier zu spielen“, sagte der sympathische US-Amerikaner, der von 2009 bis 2012 beim Gegner unter Vertrag stand und erst im Januar (aus Polen) zurück nach Ludwigsburg kam, wo er schon in der Vorsaison tätig war – und nun sein Meisterstück ablieferte.

Wobei auch diese Leistung eine Vorgeschichte hat. „Kompliment an unser Management“, sagte Patrick fast beiläufig. Warum das? Weil der Club zu dieser Saison die lange gewünschte Ballwurfmaschine angeschafft hat, eine Investition im unteren fünfstelligen Bereich, die sich auszuzahlen scheint. Trice war heiß, er absolvierte zusätzliche Einheiten. „Da kann man in 30 Minuten 800 Bälle werfen“, sagt Patrick. Macht alle zwei, drei Sekunden einen Wurf. Eine beachtliche Quote. Patrick: „Das war ein Vorteil, weil wir zuletzt wegen Verletzungen als Mannschaft nicht so viel trainieren konnten.“

Chad Toppert kehrt zurück

Ein gutes Stichwort. Am Samstag kehrte überraschend Chad Toppert ins Team zurück. Der hatte zwei Tage zuvor nach Rückenproblemen erstmals ein wenig mit der Mannschaft trainiert – und danach noch mit einem von Patricks Söhnen. Der übermittelte dem Vater die frohe Botschaft: „Er hat alle Bälle versenkt.“ Fast wie im Spiel. Da waren es dann zwar nur 50 Prozent seiner Dreier, was unter Wettkampfbedingungen aber immer noch ein Spitzenwert war – und ein Teil des Erfolgsgeheimnisses, wie auch Leibenath einräumte. Nicht nur das. „Knackpunkt war, dass wir im zweiten Viertel die 14-Punkte-Führung zu schnell hergegeben haben.“

Ludwigsburg zeigte vor den 6200 Zuschauern in der wie immer ausverkauften Arena, in der schon Boxkämpfe stattgefunden haben, jedenfalls erstaunliche Nehmerqualitäten. Selbst in der Verlängerung, als drei Spieler mit vier Fouls belastet waren. Warum der Gegner das nicht nutzen konnte, ist eben eines dieser Geheimnisse in den Play-offs, in denen die Heimmannschaft im ersten Spiel unter besonderem Druck steht, wie Patrick betonte.

Was nichts daran änderte, dass es auch bei den Riesen einen Schönheitsfehler gab. Als das Team in der Schlussphase der regulären Spielzeit mit drei Punkten führte, ließ es dem Ulmer Braydon Hobbs einen Dreier gewähren, statt vorher zu foulen. „Das darf uns nicht passieren“, so Patrick. Nicht nur deshalb warnt er vor zu großer Euphorie vor dem zweiten Spiel am Mittwoch (20.30 Uhr) in der MHP-Arena, die wohl ausverkauft sein wird. Ganz nebenbei hat der Verein ein zweites Heimspiel sicher – falls die Riesen die Serie nicht mit 3:0 für sich entscheiden. Allein schon der Gedanke dürfte Leibenath Kopfschmerzen bereiten. Vielleicht muss er sich ja beim Sponsor bedienen.