US-Präsident Donald Trump feiert einen Etappensieg bei der Reform des Freihandelsabkommens Nafta. Die Regierung des kanadischen Premiers Trudeau wurde von der bilateralen Verständigung überrascht.

Washington/Berlin - Der Auftakt verlief ein bisschen holprig. „Enrique?“, rief Donald Trump in das Telefon auf seinem Schreibtisch. Dutzende Kameras im Oval Office verfolgten das Geschehen. Doch die Leitung war tot. „Wie geht es Ihnen? Das ist eine große Sache“, schwärmte er und mahnte: „Viele Menschen hier warten.“ Doch man hörte keine Reaktion. „Hellooooo?“, fragte Trump noch mehrmals ungeduldig. Dann stand die Verbindung zwischen dem US-Präsidenten und seinem mexikanischen Amtskollegen Enrique Peña Nieto, und beide Politiker konnten eine „fantastische Neuigkeit“ verkünden: Nach monatelangen, spannungsgeladenen Verhandlungen und massiven Drohungen Washingtons habe man sich grundsätzlich auf eine Neufassung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta geeinigt.

 

Nun hat sich Trump zunächst nur mit Mexiko über eine Neufassung des Abkommens geeinigt. In kleineren Punkten konnte er Verbesserungen in seinem Sinne durchsetzen: So müssen künftig 75 Prozent (statt bislang 62,5 Prozent) des Wertes eines importierten Autos in den USA gefertigt werden, und 45 (statt 40) Prozent der Teile müssen von Arbeitern montiert werden, die mindestens 16 Dollar in der Stunde verdienen – eine Forderung der US-Gewerkschaften. Hingegen soll das Abkommen entgegen der amerikanischen Forderung nach einer fünfjährigen Befristung nun 16 Jahre gelten. Entscheidend ist, ob Kanada die Einigung mitträgt. „Wegen des gewaltigen Warenaustauschs zwischen den drei Ländern ist es unerlässlich, dass ein trilaterales Abkommen unterzeichnet wird“, sagte Jay Timmons, der Chef des US-Industrieverbandes. Namhafte Vertreter des US-Kongresses haben erklärt, dass sie nur einem trilateralen Vertrag zustimmen würden. Trump drohte, er werde auf jeden Fall einen Deal mit Kanada erreichen. Wenn das Land nicht unterschreibe, werde er eben Autozölle verhängen.

Schock für Kanada

Die unerwartet weitgehende Einigung zwischen den USA und Mexiko hat Kanada, das an den Gesprächen nicht beteiligt war, völlig überrascht. Außenministerin Chrystia Freeland brach eine Europareise ab und sollte noch am Dienstag in Washington eintreffen. Kanada muss nun sehen, wie es seine Interessen in dem Deal, den die beiden bisherigen Nafta-Partner aushandelten, verteidigen kann. Premierminister Justin Trudeau sprach bereits mit Trump über die neue Lage. Schockierend ist für Kanada, dass Mexiko eine weitreichende Vereinbarung mit den USA ohne Kanada aushandelte. Kanada hatte von Anfang an Wert darauf gelegt, Mexiko mit an Bord zu haben und nicht nur zweiseitig mit den USA zu verhandeln. Man wolle Mexiko „nicht unter den Bus werfen“, hieß es vor einigen Monaten zu Beginn der Nafta-Verhandlungen in Ottawa. Es habe eine informelle Verständigung zwischen Kanada und Mexiko gegeben, keine separaten Vereinbarungen mit den USA zu treffen, heißt es in kanadischen Medien. Nun aber sei eine Verständigung ohne Beteiligung Kanadas zustande gekommen, die weit über die bilateralen Streitthemen zwischen Mexiko und den USA hinausging.

Das neue Abkommen hat Mexiko nach 13 langen und aufreibenden Verhandlungsmonaten mit den USA erreicht. Der im Dezember aus dem Amt scheidende Präsident Nieto wollte seinem Nachfolger Andrés Manuel López Obrador auf keinen Fall den Triumph des Abschlusses eines neuen Vertrags überlassen. „Heute ist ein guter Tag“, frohlockte Mexikos Außenminister Luis Videgaray. „Es gibt keinen Zweifel mehr, dass wir ein Abkommen haben werden. Die Frage ist, ob es bi- oder trilateral sein wird.“

Schadenbegrenzung für Mexiko

Für Mexiko ging es in den Neuverhandlungen der Nafta um Schadenbegrenzung. Im vergangenen Vierteljahrhundert seit der Unterzeichnung hat das Land sich vollständig an dem Abkommen ausgerichtet. 85 Prozent seiner Exporte gehen in die Nafta-Staaten, vor allem in die USA. Laut Weltwirtschaftsforum liegt Mexiko mittlerweile auf dem zwölften Rang unter den größten Industrienationen, dank Nafta. Ohne den Freihandelsvertrag müsste Mexiko seine komplette Wirtschafts- und Exportstrategie neu denken. Ein Ende der Zusammenarbeit mit den USA sei daher keine Option gewesen, sagt Handelsexpertin Luz María de la Mora.

Die deutsche Wirtschaft warnt derweil vor einem Ende des nordamerikanischen Freihandelsabkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada. „Bricht der Dreierpakt auseinander, würde dies auch die deutschen Unternehmen in Nordamerika treffen. Denn diese haben dort in Milliardenhöhe investiert und über Jahre umfassende Lieferketten aufgebaut“, erklärte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Bis zum Inkrafttreten vergehen Monate

Zufrieden zeigten sich hingegen die deutschen Autohersteller. „Die Einigung zwischen den USA und Mexiko ist positiv. Barrierefreier Handel im bisherigen Nafta-Raum ist für deutsche Hersteller und Zulieferer entscheidend. Denn die Wertschöpfungsketten in den drei Ländern sind eng verflochten“, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Bernhard Mattes.

Bis zum Inkrafttreten des Abkommens werden wegen der Regierungsneubildung in Mexiko und der Zwischenwahlen zum US-Kongress noch Monate vergehen.

Bei dem Telefonat demonstrierte Trump innigste Freundschaft mit dem mexikanischen Amtskollegen Nieto. „Ich sende eine herzliche Umarmung“, hatte dieser gesagt. „Von dir umarmt zu werden wäre sehr schön“, flötete Trump in den Hörer.