Die IG-Metall-Führung versucht im Streit um die Tarifeinheit im Betrieb zu vermitteln. Sie wirbt im Gewerkschaftsbund für das Vorhaben von Arbeitsministerin Nahles – und droht ihr zugleich mit Protest.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Beschluss des Gesetzentwurfs zur Tarifeinheit, den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Ende Oktober präsentiert hatte, verzögert sich weiter. Nun ist die Behandlung im Bundeskabinett erst am 10. Dezember vorgesehen. Dies hat auch mit den Bedenken im Arbeitnehmerlager zu tun – und zwar nicht nur mit dem beharrlichen Widerstand der Spartengewerkschaften, sondern auch mit dem immer offener ausgetragenen Konflikt im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

 

Mit Tarifeinheit ist der alte Grundsatz „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft – ein Tarifvertrag“ gemeint, den Nahles auf Drängen der Wirtschaft und Teilen des DGB wiederherstellen will. Doch neben dem Lager der Berufsgewerkschaften, zu dem der Marburger Bund, die Lokführergewerkschaft GDL und der Beamtenbund zählen, machen nun etliche DGB-Organisationen Front gegen die Pläne der Ministerin. Insbesondere Verdi geht auf Abstand. Tarifeinheit sei prinzipiell erstrebenswert, so der Vorsitzende Frank Bsirske. Sie müsse aber mit gewerkschaftlichen Mitteln erreicht werden. Abgelehnt wird vor allem der Kern des Nahles-Plans, bei einer Kollision mehrerer Tarifverträge nur den Vertrag der Belegschaftsmehrheit gelten zu lassen. Dies sei „unzweifelhaft“ eine indirekte Einschränkung des Streikrechts. Die Eisenbahngewerkschaft EVG, die mit der GDL um die Lokführer rivalisiert, hat ihre Ablehnung jüngst in einer Resolution deutlich gemacht. Organisationsübergreifend wurde eine Unterschriftenaktion gestartet.

Mahnende Worte an die Kritiker im DGB

Um Vermittlung bemüht sind die Industriegewerkschaften IG Metall und IG Bergbau-Chemie-Energie mit ihrer differenzierten Haltung. Einerseits begrüßt IG-Metall-Chef Detlef Wetzel das Nahles-Vorhaben. In einem Onlinebeitrag ermahnt er daher die „Akteure einzelner DGB-Gewerkschaften, die sich gegen den Gesetzesentwurf stellen“, sie müssten sich über eines klar sein: „Mit der Ablehnung des Mehrheitsprinzips unterstützen sie neoliberale Wunschträume über eine Spaltung der Arbeitnehmerseite.“ Konkurrierende Gewerkschaften im Unterbietungswettbewerb seien ein alter Traum der Marktradikalen. Es sei kein Zufall, dass der Sachverständigenrat die beabsichtigte Regelung in seinem Herbstgutachten fast einhellig ablehne. Wer starke Arbeitnehmervertretungen wolle, sagt Wetzel, müsse sich hinter das Mehrheitsprinzip stellen.

Dennoch hat die IG Metall gegenüber dem Arbeitsministerium deutlichen Nachbesserungsbedarf angemeldet. So sei in dem Referentenentwurf geplant, die Ebene zur Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse auf mehrere Betriebe zu erweitern – auch nachträglich. Dies ermögliche Manipulationen zu Lasten einer Gewerkschaft, rügt die IG Metall. Es müsse verhindert werden, dass sich Arbeitgeber für sie günstige Mehrheitsverhältnisse zurechtschneiden können. Ein Missbrauch an dieser Stelle müsse ausgeschlossen werden.

Ein Scheitern wäre „fatal“

Zweiter Kritikpunkt ist das geplante „Nachzeichnungsrecht“ der Minderheitsgewerkschaft, die den inhaltlich gleichen Tarifvertrag verlangen kann, wenn ihr bestehender Vertrag verdrängt wird. Die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft dürften nicht uneingeschränkt von umfangreicheren Leistungen des Mehrheitstarifvertrages profitieren, moniert die IG Metall.

„Es wäre fatal, wenn das grundsätzlich richtige Gesetz an zwei Details scheitert“, sagte Wetzel in Richtung der Arbeitsministerin. In einer internen Mitteilung des Vorstands von voriger Woche gehen der Vorsitzende und sein Vize Jörg Hofmann noch weiter: „Die IG Metall beteiligt sich nicht an Unterschriftensammlungen“, heißt es dort. Sie werde aber „zu geeigneten Aktionen aufrufen, wenn unsere Kritik an dem Entwurf durch die Bundesregierung nicht berücksichtigt werden sollte“.