Israel hat die Luftangriffe auf den Gaza-Streifen fortgesetzt. Die Zahl der zivilen Opfer steigt. Bürgerrechtler sprechen in den Palästinensergebieten schon von Kriegsverbrechen.

Gaza - Die Hamas-Führung hat sich in unterirdische Bunker in Sicherheit gebracht. Aber anderthalb Millionen Palästinenser in Gaza haben keine Schutzräume, in die sie vor dem Bombardement fliehen können. Menschenrechtler in Gaza gehen von bislang 17 zivilen Opfern seit Beginn der israelischen Militäroperation „Brandungsfels“ aus. Sechs von ihnen kamen in den Trümmern ihres Hauses in Chan Junis ums Leben. Im Norden Gazas starben fünf Angehörige eines Dschihadkämpfers durch ein gezieltes Geschoss aus einer Drohne. Auch eine achtzigjährige Frau soll bei einem der Luftangriffe getötet worden sein, die nach Berichten von Palästinensern „quasi nonstop“ auch am Mittwoch erfolgten. „Je länger der Konflikt andauert, umso mehr unschuldige Opfer wird er kosten“, sagt Mahmud Aburahma von der Bürgerrechtsorganisation Al-Mezan (die Waage) in Gaza-Stadt.

 

Mit der modernen Technologie, die ihnen zur Verfügung stünde, müssten die Piloten der israelischen Luftwaffe doch erkennen, dass da Zivilisten nahe den Zielobjekten seien. Wenn darauf nicht geachtet werde, könne man das nur als „Kriegsverbrechen“ bezeichnen, so Aburahma. Ein hartes Wort. Israel hält dagegen, dass „Kollateralschäden“ bedauerlich, aber unvermeidlich seien, da palästinensische Militante ihre Raketenwerfer bewusst in dicht besiedelten Gebieten in Stellung brächten. „Die palästinensische Zivilbevölkerung hat leider ein Regime, dass keine Rücksicht auf sie nimmt“, sagt Jakov Amidror, ehemals nationaler Sicherheitsberater der Regierung Netanjahu. Die Armee tue ihr Möglichstes, um die Bewohner vorzuwarnen.

Israel beruft sich auf das Recht zur Selbstverteidigung

Aber Palästinenser in Gaza halten die Telefonanrufe wenige Minuten vor Angriffen eher für ein Alibi, um Vorwürfen zu entgehen. Jerusalem beruft sich bei der laufenden Militäroperation auf das Recht zur Selbstverteidigung gegen das Raketenfeuer aus Gaza, das drei Millionen Israelis in die Gefahrenzone gebracht hat. Doch in Gaza herrscht eine andere Lesart vor. „Man kann die jetzige Eskalation nicht ohne den Kontext verstehen“, meint Aburahma. Er verweist auf die Siedlerübergriffe und Armeerazzien im Westjordanland nach dem Kidnapping und der Ermordung dreier jüdischer Teenager und den brutalen Racheakt israelischer Rechtsextremisten an einem 16-jährigen Palästinenser aus Ostjerusalem. „Selbst jene, die nicht die Hamas unterstützen, sind über dieses Vorgehen empört.“ Israel, ist der Bürgerrechtler überzeugt, habe damit die Grundlage für einen Waffenstillstand zerstört.

Die meisten Palästinenser wollen keinen Krieg

„Die meisten Palästinenser wollen keinen Krieg“, betont ebenso Usama Antar, ein politisch unabhängiger Analyst aus Gaza-Stadt. „Auch die Hamas will eigentlich eine Rückkehr zur Waffenruhe“ – freilich zu ihren Bedingungen: Freilassung von fünfzig palästinensischen Gefangenen, die im Austausch gegen den entführten Soldaten Gilad Schalit amnestiert, aber während der Westbank-Razzien ohne konkreten Schuldvorwurf wieder inhaftiert worden waren. Noch wichtiger ist der Hamas eine Lösung ihrer Finanzkrise, die dazu geführt hat, dass 40 000 Angestellte in Krankenhäusern, Schulen und Polizei seit Monaten keine Gehälter beziehen. Verantwortlich machen die Islamisten dafür allerdings die Einheitsregierung in Ramallah, die sie unterstützen, aber in der sie nicht vertreten sind. Jedenfalls scheint nun allein ihr bewaffneter Flügel den Kurs zu bestimmen. Der glaubt, mittels seines Raketenarsenals und diverser Attentatspläne Israel das Fürchten lehren zu können.