Israel hat seine Bodentruppen aus weiten Teilen des Palästinensergebiets abgezogen. Nach der Zerstörung der Tunnel im Grenzgebiet neu positionieren, so der Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Israel hat seine Bodentruppen aus weiten Teilen des Palästinensergebiets abgezogen. Nach der Zerstörung der Tunnel im Grenzgebiet neu positionieren, so der Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

 

Gaza/Tel Aviv - Fast vier Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs zeichnet sich ein Ende der israelischen Landoffensive in dem Palästinensergebiet ab. Die meisten Bodentruppen seien aus dem Gazastreifen bereits abgezogen worden, berichteten israelische Medien am Sonntag.

Sie hätten Stellungen in grenznahen Aufmarschräumen in Israel bezogen. Einen im Gazastreifen zunächst als entführt gemeldeten Leutnant erklärte die Armee für tot.

Ungeachtet des beginnenden Abzugs der Bodentruppen setzte die Armee am Sonntag ihre Angriffe gegen Ziele im Gazastreifen fort. Beim Beschuss einer UN-Schule nahe Rafah seien mindestens zehn Menschen getötet worden, teilte Aschraf al-Kidra, Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums, mit. Eine israelische Armeesprecherin sagte, man prüfe den Vorfall.

Israelische Truppen waren nach Medienberichten am Sonntag noch im Einsatz, um Tunnel der radikal-islamischen Hamas zu zerstören, mit deren Hilfe israelische Ortschaften überfallen werden können. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte am Samstagabend an, dass seine Regierung die Lage nach Abschluss der Tunnel-Zerstörung "neu bewerten" werde. Weitere Schritte werde sie unter Wahrung der israelischen Sicherheitsinteressen festlegen.

Im bisher verlustreichsten und am längsten andauernden Gaza-Krieg wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 1766 Palästinenser getötet und mehr als 9500 verletzt, rund zwei Drittel davon Zivilisten. Auf israelischer Seite starben 64 Soldaten und drei Zivilisten. Militante Palästinenser feuerten mehr als 3000 Raketen auf Israel ab, davon 55 am Sonntag.

Die Vereinten Nationen (UN) warnen vor einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen. Die Zerstörung des einzigen E-Werks in der Küsten-Enklave und der Mangel an sauberem Wasser verschärfe die Flüchtlingssituation dramatisch. Mehr als 254.000 der 1,8 Millionen Palästinenser hätten Zuflucht in einer der 90 UN-Unterkünfte gesucht.

Israel nicht an Waffenstillstandsvereinbarung mit der Hamas interessiert

Wie der Krieg abgeschlossen werden soll, war am Sonntag unklar. Israelische Politiker gaben nach Medienberichten zu erkennen, dass sie an keiner formellen Waffenstillstandsvereinbarung mit der Hamas interessiert seien, die im Gazastreifen herrscht. Feindselige Akte der Militanten könnten auch künftig jederzeit mit Luftangriffen beantwortet werden, hieß es. Israel sah auch davon ab, eine Delegation zu Waffenruhe-Verhandlungen nach Kairo zu schicken.

In der ägyptischen Hauptstadt trafen am Wochenende Unterhändler der Palästinensischen Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas sowie der Hamas und ihrer Verbündeten ein. Die Hamas hat bislang ihre Zustimmung zu einer Waffenruhe davon abhängig gemacht, dass Ägypten seinen Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen wieder öffnet. 

Die Weigerung Israels, nach Kairo zu kommen, folgte auf den Zusammenbruch einer humanitären Waffenruhe kurz nach ihrem Beginn am Freitag. Hamas-Kämpfer hatten israelische Soldaten bei Zerstörungsarbeiten an einem Tunnel angegriffen. Bei der Aktion in der Nähe von Rafah waren zwei israelische Soldaten getötet worden.

Zur Frage, was mit dem 23-jährigen Leutnant Hadar Goldin bei diesem Zwischenfall passierte, gibt es unterschiedliche Darstellungen beider Seiten. So gibt es widersprüchliche Berichte, ob er bei diesem Einsatz starb oder entführt und danach getötet wurde - und wenn ja von wem.  

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, bestritt vehement, den Soldaten in seine Gewalt gebracht zu haben. "Wir haben den Kontakt zu den an dem Überfall beteiligten Kämpfern verloren, und wir vermuten, dass sie alle bei dem (nachfolgenden israelischen) Bombardement getötet wurden", hieß es in einer Mitteilung. Dabei sei wohl auch der Soldat ums Leben gekommen.

Umstritten war auch der Zeitpunkt des Angriffs auf die Einheit des Leutnants. Die Kassam-Brigaden behaupteten, sie habe am Freitag vor Beginn der Waffenruhe stattgefunden. Das israelische Militär erklärte, sie habe sich anderthalb Stunden nach deren Beginn ereignet.

Der Chef der Hamas-Exilorganisation, Chaled Maschaal, bestritt, dass die Hamas die von den UN und den USA vermittelte Waffenruhe gebrochen habe. Seine Organisation habe die israelische Bedingung, wonach das Militär auch während der Waffenruhe gegen die Tunnel vorgehen kann, nie akzeptiert. "Wenn israelische Truppen im Gazastreifen bleiben und Tunnel zerstören, dann ist das eine Aggression", sagte er am Samstag dem US-Nachrichtensender CNN.

EU: Verfeindete Lager sollen "Mut" und "Weisheit" zeigen

Die israelische Armee teilte in der Nacht zum Sonntag mit, eine Kommission unter Leitung des Chefrabbiners der Streitkräfte habe am späten Samstagabend festgestellt, dass der Leutnant tot sei. Der Familie wurde nach Angaben des israelischen Onlineportals "Ynet" erklärt, dass es am Ort des Geschehens genügend pathologische Erkenntnisse gab, um Hadar für tot zu erklären. Vor der am Sonntagnachmittag geplanten Beisetzung in Kfar Sava bei Tel Aviv bestätigte der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon, dass der Leutnant sein Großneffe war.

Nach dem Verschwinden des Soldaten hatte die israelische Armee im Raum Rafah eine mit massiver Feuerkraft unterstützte Suchaktion eingeleitet. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei mehr als 100 Palästinenser getötet und 500 weitere verletzt, zumeist Zivilisten.

Die Europäische Union rief Israel und die radikal-islamische Hamas auf, "Mut" und "Weisheit" zu zeigen und die Kämpfe umgehend zu beenden. "Das Blutvergießen muss aufhören", erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Sonntag in Brüssel. "Nur eine Verhandlungslösung, basierend auf zwei Staaten, wird einen dauerhaften Frieden bringen",