Die ganze Nacht über feuern militante Palästinenser Raketen auf Israel ab. Eine von ihnen trifft ein Wohnhaus in der Stadt Aschkelon. Israels Militär reagiert mit mehr als 100 Angriffen auf Ziele im Gazastreifen.

Gaza/Tel Aviv - Militante Palästinenser haben nach Angaben des israelischen Militärs bislang mehr als 200 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel liege bei über 90 Prozent, sagte ein Armeesprecher am Dienstagmorgen. Rund ein Drittel aller abgefeuerten Raketen sei noch im Gazastreifen niedergegangen. Dies sei außergewöhnlich viel und habe dort wohl auch Opfer zur Folge.

 

Das von Israel entwickelte mobile Abwehrsystem „Iron Dome“ (Eisenkuppel) soll das Land vor Kurzstreckenraketen schützen. Ein Radargerät erkennt anfliegende Geschosse und gibt die Information an einen Raketenwerfer weiter. Der startet eine Abfangrakete, um das feindliche Geschoss möglichst vor dem Einschlag noch in der Luft zu zerstören.

Warnsirenen ertönten in der Nacht vor allem in der Peripherie des Gazastreifens und in Aschkelon. Einem Fernsehbericht zufolge wurden zwei Wohngebäude in der Stadt getroffen. Rettungskräften zufolge wurden sechs Menschen verletzt. Die Al-Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, teilte mit, der Beschuss von Aschkelon sei die Reaktion darauf, dass das israelische Militär ein Wohnhaus im Westen des Gazastreifens angegriffen habe. Wenn die Armee damit fortfahre, werde Aschkelon in eine Hölle verwandelt. Auch in weiter entfernt gelegenen Städten wie Tel Aviv wurden öffentliche Schutzräume bereitgestellt.

Konflikt eskaliert gefährlich

Israels Armee reagierte auf den fortwährenden Raketenbeschuss mit Luftangriffen. Nach Angaben eines Sprechers flog das Militär mit Kampfflugzeugen und Drohnen bislang rund 130 Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. Beschossen worden seien Einrichtungen zur Produktion von Raketen, Lager- und Trainingseinrichtungen sowie militärische Stellungen. Zudem seien zwei Tunnel attackiert worden. Augenzeugen berichteten von lauten Explosionen.

Nach Angaben des Armeesprechers wurden nach derzeitigem Stand 15 Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihads getötet. Das Gesundheitsministerium in Gaza gab die Zahl der Toten mit mindestens 22 an. Nach früheren Angaben des Ministeriums waren unter den Toten auch neun Kinder. Der israelische Armeesprecher sagte, man kenne diesen Bericht. Er werde geprüft.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist in den vergangenen Tagen gefährlich eskaliert. Auf dem Tempelberg in Jerusalem gab es schwere Zusammenstöße. Palästinensische Rettungskräfte sprachen von Hunderten Verletzten. Nach Polizei-Angaben wurden fast zwei Dutzend Beamte verletzt.

Benjamin Netanjahu droht

Am frühen Montagabend begannen militante Palästinenser im Gazastreifen damit, Raketen auf Israel abzuschießen. Ein Hamas-Sprecher sagte, diese seien eine „Botschaft“ an den Feind Israel und eine „Reaktion auf seine Verbrechen und Aggression gegen die heilige Stadt“. Zu den Angriffen bekannte sich auch die Gruppe Islamischer Dschihad.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte mit einer harten Reaktion. „Die Terrororganisationen in Gaza haben am Abend des Jerusalem-Tags eine rote Linie überschritten und uns in den Vororten Jerusalems mit Raketen angegriffen“, sagte Netanjahu bei einer Ansprache in der Stadt. „Wir werden keine Angriffe auf unser Gebiet, unsere Hauptstadt, unsere Bürger und Soldaten dulden. Wer uns angreift, wird einen hohen Preis bezahlen.“ Er bereitete die israelischen Bürger auf einen längeren Konflikt vor.

Die EU und die USA verurteilten die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und forderten ein sofortiges Ende der Gewalt in dem abgeschotteten Küstengebiet und im von Israel besetzten Westjordanland. „Auch wenn alle Seiten Schritte zur Deeskalation unternehmen (müssen), hat Israel natürlich das Recht, sein Volk und Territorium vor diesen Angriffen zu schützen“, betonte US-Außenminister Antony Blinken.

Spannungen verschärfen sich

Der Tempelberg in Jerusalem mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

Die Spannungen im Westjordanland und im arabisch geprägten Osten Jerusalems hatten sich seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verschärft. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern. Zudem drohen einigen palästinensischen Familien im Stadtteil Scheich Dscharrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden. Seit Freitag gab es nachts in Jerusalem jeweils Auseinandersetzungen. In zahlreichen arabischen Ortschaften in Israel sowie in Teilen des Westjordanlands kam es ebenfalls zu Konfrontationen.

Seit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahre 2007 haben sich Israel und die radikale Palästinenserorganisation drei Kriege geliefert. Israel und Ägypten halten das Gebiet unter Blockade und begründen dies mit Sicherheitserwägungen. Rund zwei Millionen Menschen leben dort unter miserablen Bedingungen. Im August 2020 verkündete die Hamas nach Vermittlung Katars eine Waffenruhe mit Israel. Aber auch danach gab es immer wieder Verstöße. Die Hamas wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt.