Mit überschaubaren Mitteln hat Moskau in Syrien Erstaunliches erreicht. Baschar al-Assad sitzt wieder fest im Sattel. Nebenbei hat sich Russland als Vermittler für die gesamte Region etabliert. Bisher ist der neue Einfluss aber rein militärisch.

Moskau - Als Wladimir Putin vor zwei Jahren Truppen nach Syrien schickte, ging es vor allem um zwei Ziele: das verbündete Regime vor dem drohenden Sturz bewahren und die eigene Isolierung wegen der Krise in der Ukraine überwinden. Doch inzwischen ist weit mehr aus der Mission geworden. Der russische Präsident ist heute von wichtigen Gipfeltreffen im Nahen Osten kaum noch wegzudenken. Ob der Iran, Saudi-Arabien, Israel oder die Türkei - mit allen regionalen Mächten hat er bedeutende Vereinbarungen erzielt.

 

Aktuell spielt Moskau in der arabischen Welt fast schon eine wichtigere Rolle als zu Zeiten der Sowjetunion. Erstaunlich ist dabei, wie wenig Putin dafür aufbringen musste. Im Grunde waren es nur ein paar Dutzend Kampfjets, einige tausend Soldaten - und eine gehörige Portion Wagemut. Entgegen internationaler Proteste zog er den Militäreinsatz zugunsten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad durch.

Washington hält sich immer mehr heraus

Washington hielt sich derweil aus immer mehr Konflikten in der Region heraus. Schon Barack Obama lehnte ein militärisches Eingreifen in Syrien ab. Gleichzeitig provozierte er diplomatische Krisen mit wichtigen Partnern wie Israel und Saudi-Arabien. Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, scheint eine robuste Nahost-Strategie der USA in noch weitere Ferne gerückt zu sein.

Für Moskau hat sich dadurch eine unverhoffte Chance ergeben. „Wladimir Putin ist entschlossen, die gewichtige Rolle Russlands als eine globale Macht wiederherzustellen“, sagt William Courtney von dem auf militärische Fragen spezialisierten US-Institut Rand Corporation. „Und im Nahen Osten hat Russland in dieser Hinsicht das größte Potenzial - auch weil die Sowjetunion diese Rolle seinerzeit dort schon gespielt hat.“

Das neue Selbstbewusstsein Putins war am Montag gut zu beobachten. Eine Woche nach der Bekanntgabe seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur bei der Wahl im März 2018 jettete er über Syrien und Ägypten in die Türkei. Bei seinem ersten Zwischenstopp erklärte er auf dem Asphalt eines syrischen Luftwaffen-Stützpunkts vor russischen Soldaten den Sieg über die Terrormiliz IS. Kurz darauf unterzeichnete er in Ägypten einen Vertrag zum dortigen Bau eines Atomkraftwerks. Im Nato-Land Türkei inszenierte er sich als enger Partner des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Scharfe Kritik aus dem Westen

Gerade vom Westen wird Putin wegen seiner bisweilen zynisch anmutenden Machtpolitik scharf kritisiert. Doch zumindest militärisch war er damit in Syrien erfolgreich. Vor Beginn der russischen Luftangriffe auf die Rebellen im September 2015 stand das Regime in Damaskus kurz vor dem Kollaps. Viele Experten sahen das russische Abenteuer damals skeptisch. Sie mutmaßten, dass sich das wirtschaftlich angeschlagene Land übernehme - und am Ende sogar ein Fiasko drohe, wie in den 80er Jahren für die Sowjetunion in Afghanistan.

Auf dem Schlachtfeld hatten es Assads Truppen und Verbündete keineswegs mit einem klar definierbaren Feind zu tun. Sie standen nicht nur den IS-Terroristen gegenüber, sondern auch einer Vielzahl von Rebellengruppen, die jeweils von verschiedensten Ländern militärisch und finanziell unterstützt wurden. Außerdem hatten die russischen Streitkräfte nicht gerade den besten Ruf. Bei zurückliegenden Einsätzen - vor allem bei den Kriegen in Tschetschenien - waren Probleme wie veraltete Ausrüstung, mangelnde Koordination und schlechte Disziplin offensichtlich.

Doch in Syrien zeigten sich die russischen Soldaten von einer ganz anderen Seite - ordentlich, stolz, gut ausgebildet und mit modernen Präzisionswaffen. „Putin hat es geschafft, der russischen Bevölkerung zu vermitteln, warum Syrien wichtig ist“, sagt Dmitri Trenin, Leiter der Moskauer Niederlassung des amerikanischen Carnegie-Zentrums. „Darüber hinaus hat er gezeigt, dass Syrien nicht wie Afghanistan werden wird.“

Türkische-russische Zusammenarbeit

Mehrere neue Waffensystem kamen bei den Kämpfen zum ersten Mal zum Einsatz, darunter Marschflugkörper mit großer Reichweite, die sowohl von Kriegsschiffen und U-Booten als auch von Flugzeugen aus abgeschossen wurden. Damit konnte Russland auch gegenüber dem Westen zeigen, dass es sich nicht mehr ausschließlich auf sein Atomarsenal verlässt, sondern auch in anderen Bereichen über militärische Fähigkeiten verfügt, die bisher nur die USA hatten.

In der Anfangsphase des Einsatzes sah es kurz so aus, als könnte Moskau mit Ankara in Konflikt geraten. Doch schon wenige Monate nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets an der syrisch-türkischen Grenze waren die Wogen geglättet - erst recht, als Putin dem türkischen Staatschef nach dem gescheiterten Putsch umfassende Unterstützung zusicherte.

Später setzten sich die beiden Länder in Syrien gemeinsam für sogenannte Deeskalationszonen ein. Es folgten Abmachungen Russlands sowohl mit dem Iran, der ebenfalls fest an der Seite Assads steht, als auch mit Saudi-Arabien und Katar, die lange als Schutzmächte der Opposition galten. Mit Israel standen die russischen Streitkräfte stets in engem Kontakt, um die freundschaftlichen Beziehungen nicht durch unbedachte Manöver versehentlich zu gefährden.

Gestaltungsraum bleibt begrenzt

Wie wichtig Russland für die Region geworden ist, zeigte sich eindrücklich im Oktober, als König Salman als erster saudischer Monarch überhaupt dem Land einen Besuch abstattete. In Syrien will Putin eine Versorgungseinrichtung der Marine zu einem vollwertigen Flottenstützpunkt ausbauen. Mit Ägypten, das in den vergangenen drei Jahren Milliarden für russische Waffen ausgegeben hat, wurde eine Nutzung dortiger Militärflughäfen vereinbart.

Courtney vom Institut Rand Corporation betont allerdings, dass die Gestaltungsmacht Russlands trotz der jüngsten Erfolge bisher eingeschränkt sei. Wenn es um Wiederaufbau oder Hilfe beim Aufbau staatlicher Strukturen gehe, habe das Land weder die Mittel noch die Fähigkeiten des Westens. „Putins Herausforderung ist nun, militärische Stärke und Waffenlieferungen im Nahen Osten in etwas mit langfristigem Nutzen zu verwandeln“, sagt der Experte. „Bisher ist nicht zu erkennen, wie Russland das gelingen könnte.“