Stärkt die Einnahme von Vitamin C die Abwehrkräfte? Und beugt Vitamin A Demenz vor? Wem Vitaminpillen und Mineralstoff-Pulver wirklich nützen und warum sie auch schaden können.

Stuttgart - Die kleine Tablette leistet viel: Bei eisigem Wind schützt sie wie ein Wärmeschild vor Erkältungen. Anzeichen für einen grippalen Infekt wie Halsschmerzen oder Frösteln werden einfach runtergeschluckt. Das komprimierte Zink macht’s möglich. So verspricht es zumindest die Werbung. Und die Bundesbürger glauben es nur allzu gern: Etwa jeder dritte Deutsche nutzt Nahrungsergänzungsmittel, die ihn mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgen sollen – als Stärkung ihrer Abwehrkräfte oder, um frühzeitig Alterserkrankungen wie Arthrose, Vergesslichkeit oder Schlimmeres wie Herzinfarkt oder gar Krebs abzuwehren.

 

Fragt man Experten, ist vieles davon allerdings Unsinn. Aktuelle Studien zeigen, das Folsäure weder vor Herzinfarkten, noch B-Vitamine vor Demenz schützen. Und auch die erhoffte Wirkung des Vitamin C gegen Erkältungsviren ist nicht wissenschaftlich erwiesen. Lediglich Zink kann die Dauer eines Infekts etwas verkürzen. Das zumindest ergab eine Untersuchung der Cochrane-Collaboration – eines internationalen Netzwerks von Ärzten und Wissenschaftlern, das Übersichtsarbeiten zur Bewertung von Therapien erstellt. Aber dann muss das Zink innerhalb der ersten 24 Stunden nach Auftreten der ersten Erkältungssymptome eingenommenwerden.

Schwangere benötigen oft zusätzlich Jod oder Folsäure

Letztlich, so sagt es die Ernährungsexpertin Christiane Manthey, sei auch das unnötig. Zum einen sind Nahrungsergänzungsmittel keine Arzneimittel, sondern gehören zu der Gruppe der Lebensmittel. Und: „Der überwiegende Teil der gesunden Bevölkerung ist ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt“, sagt Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Grundsätzlich seien Nahrungsergänzungsmittel für Menschen gedacht, die aufgrund von Schwangerschaft, Krankheiten oder einer bestimmten Lebensweise einen besonderen Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen haben und ihn auch mit Hilfe einer ausgewogenen Ernährung nicht decken können. Schwangere benötigen oft zusätzlich Jod oder Folsäure, ältere Menschen und Veganer hätten in vielen Fällen einen Mangel an Vitamin B12. Zudem weist das Bundesinstitut für Risikobewertung darauf hin, dass in Deutschland ein relevanter Mangel an Vitamin D festzustellen sei. Aber auch dann, so sagt es Manthey, sollte das Nahrungsergänzungsmittel der Wahl vorher mit dem Hausarzt abgesprochen werden.

Das ist schon allein deswegen sinnvoll, weil die Mittelchen unter Umständen mehr schaden als nützen können. Beispielsweise sollten Raucher nicht noch zusätzlich Beta-Carotin einnehmen – eine Vorstufe von Vitamin A. Studien haben gezeigt, dass sich sonst das Risiko von Lungenkrebs erhöht. Und bei einer zusätzlichen Einnahme von Vitamin E steigt das Erkrankungsrisiko von Prostatakrebs.

Viele Präparate enthalten zu viel Wirkstoff

Auch die Verbraucherschützerin Christiane Manthey warnt: „Viel hilft nicht viel, denn die Stoffe können sich gegenseitig in der Aufnahme hemmen, wenn man sie über den Bedarf hinaus einnimmt.“ Was übrigens schnell passieren kann: Nach Angaben der Verbraucherzentralen ist in 27 von 42 Magnesiumpräparaten die Höchstdosis um ein Vielfaches übertroffen. Gesundheitsschäden wie Magen-Darm-Probleme sind daher nicht ausgeschlossen.

Besser ist deshalb meist, mit natürlichen Lebensmitteln die Stoffe aufzunehmen, die der Körper benötigt, sagen Ernährungsexperten. Das Angebot von Obst und Gemüse, die Nähr- und Vitalstoffe enthalten sei heute ohnehin so hoch wie nie, sagt Christiane Manthey: „Wir haben ein weitaus größeres Angebot als noch vor 20 Jahren. Darüber hinaus ist die Nährstoffdichte nicht geringer geworden.“ Im Zweifel ist also der Griff zur Orange sinnvoller als zum Vitamin-C-Präparat, denn der tägliche Bedarf ist bereits mit einer Frucht gedeckt. In unserer Bildergalerie erfahren Sie, in welchen Lebensmitteln welche Vitamine und Mineralstoffe stecken.