Der Handel mit nicht zulassungspflichtigen Mitteln ist ein Riesengeschäft. Doch sie können gefährlich werden.

Stuttgart - Burkhard Göke nimmt kein Blatt vor den Mund: "Nahrungsergänzungsmittel sind unnötig, und in einigen Fällen können sie sogar gefährlich werden", sagte der Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität auf der "Viszeralmedizin 2010". Bei diesem Kongress, der momentan in der Stuttgarter Messe stattfindet, treffen sich die Eingeweideexperten Deutschlands: die Gastroenterologen und die Viszeralchirurgen.

Deutliche Worte findet der Münchner Mediziner auch zum Nutzen dieser Präparate: "Zumindest in Deutschland ist es nahezu ausgeschlossen, in eine ernährungsbedingte Mangelsituation zu geraten. Ein gesunder Mensch braucht diese Nahrungsergänzungsmittel nicht." Gleichwohl werden sie in der Werbung oft in den höchsten Tönen gepriesenen: Vitamine, Mineralstoffe, Mittel zur allgemeinen Leistungssteigerung, ja sogar Mittel zum Schutz der Leber, um nur einige Beispiele zu nennen. Verwunderlich ist das nicht, schließlich werden damit auch in Deutschland Milliardenumsätze gemacht. Wobei erschwerend hinzukommt, dass über das Internet Produkte erhältlich sind, die hierzulande nicht zugelassen, also illegal sind. "Dabei kann die Qualität dieser Mittel äußerst schlecht sein", warnt Göke. So könnten zum Beispiel mit denselben Maschinen zunächst Arzneimittel und anschließend Nahrungsergänzungsmittel hergestellt werden - mit dem Risiko gefährlicher Verunreinigungen. Außerdem lehre die Erfahrung, dass Präparate oft andere Substanzen enthielten als vom Hersteller angegeben.

Nahrungsergänzungsmittel sind frei verfügbar


Warum insbesondere die Leber von solchen Mitteln geschädigt werden kann, liegt an ihrer Funktion: Bei der Entsorgung von Stoffwechselabfällen - dazu gehören auch Alkohol, Medikamente, Giftstoffe und deren Abbauprodukte - spielt sie eine entscheidende Rolle. "Sie gleicht einem Hochleistungslabor", formuliert es Burkhard Göke anschaulich. Doch bei ihrer Entgiftungsarbeit kann sie auch erheblich gestört werden. "Medikamentös-toxische Leberstörungen verursachen 50 Prozent aller fulminanten Leberversagen", berichtet der Arzt. Auch 20 bis 40 Prozent aller Krankenhausfälle mit Leberentzündung bei Patienten über 50 Jahre gingen auf das Konto von Arzneimitteln. "Insgesamt können mehr als 1.000 Medikamente Schäden an der Leber auslösen", sagt Göke und nennt Paracetamol als bekanntes Beispiel.

Doch während bei Arzneimitteln diese Risiken bekannt sind und in der Regel vom Arzt überwacht werden, sieht es bei den Nahrungsergänzungsmitteln ganz anders aus. Sie sind frei verfügbar - und niemand kontrolliert, ob sie eventuell Schaden anrichten. Von einer ganzen Reihe dieser Produkte ist aber inzwischen bekannt, dass sie massive Leberstörungen auslösen können.

Lebensgefährliche Schäden an der Leber


Besonders aufs Korn nimmt Göke das Unternehmen Herbalife, das auch in Deutschland seine "Vitaminpillen, Mineraltabletten und Kräuterrezepturen" verkaufe - "bei einem jährlichen Umsatz von rund 1,9 Milliarden Dollar". Auch Nahrungsergänzungsmittel dieses Konzerns stünden im Verdacht, Leberschäden zu verursachen. So berichtet Göke über eine Studie, wonach es in den Jahren 1998 bis 2004 zu mindestens 22 Vorfällen mit erheblichen Folgen - teilweise lebensgefährlichen Leberschäden - gekommen sei. In fünf Fällen hätte sich die Leber von Betroffenen erholt, nachdem diese auf Anraten von Ärzten die Mittel abgesetzt hätten. Daraufhin nahmen sie die Produkte allerdings wieder ein. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Leberwerte verschlechterten sich erneut. Die genaue Ursache der Schäden ließ sich nicht rekonstruieren, da die Patienten häufig verschiedene Herbalife-Produkte konsumiert hatten. Das Unternehmen selbst bestritt die leberschädigende Wirkung, weigerte sich aber auf Anfrage, die genaue Zusammensetzung seiner Präparate anzugeben.

Hart ins Gericht geht Göke auch mit bestimmten Kurkuminextrakten, die laut Werbung Schmerzlinderung ohne die Nebenwirkungen der verschreibungspflichtigen Schmerzmittel versprechen. Manche dieser Präparate enthielten Nimesulide - einen Stoff, der in Europa nicht zugelassen sei und der schwere Leberschäden hervorrufen könne. Das treffe auch auf das Nahrungsergänzungsmittel Hydroxycut zu. Es solle die Fettverbrennung steigern und werde unter dem Namen Lovate und Muscle Tech in Online-Shops angeboten.

Als Fazit mahnt Göke, dass bei neu auftretenden Symptomen einer Lebererkrankung immer auch an die Möglichkeit gedacht werden müsse, dass Nahrungsergänzungsmittel die Ursache sein könnten. Auf alle Fälle müsse dann die Einnahme solcher Präparate sofort gestoppt werden.