Nahverkehr Bahn baut Ticketautomaten ab
Jedes sechste Gerät hat der DB-Konzern seit 2018 bereits eingespart. Für den Fernverkehr sind an den Maschinen nur noch die teuersten Tickets buchbar – was Kunden verärgert.
Jedes sechste Gerät hat der DB-Konzern seit 2018 bereits eingespart. Für den Fernverkehr sind an den Maschinen nur noch die teuersten Tickets buchbar – was Kunden verärgert.
Martin Schiefelbusch hat die Ticketautomaten der Deutschen Bahn oft und gerne benutzt. „Wer das Prinzip verstanden hat, kommt gut damit zurecht“, sagt der Stuttgarter, der beruflich und privat häufig mit dem Zug fährt. Die Fahrscheine für längere Fahrten allerdings kauft Schiefelbusch nicht mehr oft am Automaten, seit der bundeseigene DB-Konzern dort nur noch die teuersten Tickets für den Fernverkehr anbietet.
Ende 2023 stellte die verlustreiche und hoch verschuldete DB den Vertrieb der gefragten Spartickets an Automaten ein. Ein radikaler Schnitt, denn rund 80 Prozent der Fahrkarten für die ICE-Flotte werden mit Rabatt verkauft. Es habe keine Nachfrage mehr gegeben, zuletzt seien nur noch zwei Prozent aller Spar-Tickets am Automaten gekauft worden, so der Transportriese. Wer im Fernverkehr möglichst günstig reisen will, findet seither an den Geräten kein passendes Angebot mehr.
Das ärgert Schiefelbusch und andere Bahnkunden: „Nach dem Abbau bei Reisezentren und Agenturen waren die Automaten der DB außerhalb des Internets der einzig verbliebene Weg, um deutschlandweit an günstige Fahrkarten auch für längere Strecken zu gelangen. Das ist leider vorbei, und damit wird der Schienenverkehr gewiss nicht attraktiver.“
Die Kürzungen treffen besonders ländliche Gebiete, wo viele Stationen ohnehin bereits verwaist und die Schalter längst geschlossen sind. Seit der Bahnreform hat der Staatskonzern bereits mehr als 600 von ehemals 1000 Reisezentren an Bahnhöfen geschlossen. Zudem gaben Tausende Reisebüros den oft beratungsintensiven Ticketverkauf auf, weil der Staatskonzern die Umsatzvergütungen kappte.
Für Insider kommt die fortgesetzte Ausdünnung des stationären Vertriebs nicht überraschend. Schon 2018 hieß es in internen DB-Vorstandspapieren, die unserer Redaktion vorliegen, dass bis 2023 der Verkauf von Fahrkarten für den Fernverkehr an eigenen Automaten sogar komplett aufgeben werden soll, um Kosten zu sparen. Stattdessen werde der digitale Ticketvertrieb weiter massiv ausgebaut, proklamierte damals Konzernchef Richard Lutz in seiner 200-seitigen „Agenda für eine bessere Bahn“.
Inzwischen werden im Fernverkehr 90 Prozent aller Tickets digital über bahn.de oder die App DB Navigator gekauft, so eine Sprecherin. Vor zehn Jahren waren es noch 51 Prozent. Der Vertrieb der virtuellen Fahrkarten ist für den Staatskonzern günstiger als der Verkauf an Automaten, deren Betrieb immer unwirtschaftlicher wird, wenn immer weniger Umsatz damit erzielt wird. „Die Anzahl der Automaten ist seit 2018 um rund 16 Prozent zurückgegangen“, sagt eine Sprecherin. Bundesweit stehen demnach von der DB Vertrieb GmbH noch rund 5000 stationäre Ticketautomaten an rund 3000 Standorten für Fahrplanauskünfte und Fahrkartenverkäufe zur Verfügung. Zu Spitzenzeiten waren es mehr als 8000 Geräte.
Für Christian Böttger ist die Ausdünnung nachvollziehbar. „Automaten kosten Geld, auch wegen der Schäden durch Raub und Vandalismus“, sagt der Berliner Wirtschaftsprofessor. Die allermeisten Kunden buchten inzwischen online: „Wer Spartickets kauft, plant Tage oder Wochen voraus, dafür geht man nicht extra zum Automaten.“ Die Frage sei letztlich, „wieviel Geld die Bahn und die Aufgabenträger ausgeben wollen, um für ein paar wenige Nischenkunden so ein Angebot vorzuhalten“.
Dirk Flege sieht das etwas anders: „Wo es keine Reisezentren mit persönlicher Beratung gibt, vor allem also im Regionalverkehr, wird es auch weiterhin Automaten brauchen“, sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. So wichtig Digitalisierung auch sei, mittelfristig müsse Menschen, die ihr Ticket nicht über das Smartphone buchen können oder wollen, eine Alternative angeboten werden. Genau so sehen das auch Verbraucherschützer und Fahrgastvertreter.
Aufgabenträger entscheiden im Regionalverkehr / Die Zukunft der Automaten ist vorrangig eine politische Entscheidung. Nur im Fernverkehr kann der DB-Konzern bestimmen, ob und wo stationäre Geräte aufgestellt werden. Im hoch subventionierten Regionalverkehr können die Aufgabenträger der Bundesländer in den Verkehrsverträgen festlegen, in welchem Umfang die Bahn- und Busunternehmen Schalter und Automaten vorhalten müssen. Teils wurde der Vertrieb auch schon getrennt ausgeschrieben und vergeben.
Die DB Vertrieb GmbH erfülle „die verkehrs- und vertriebsvertraglichen Anforderungen der Aufgabenträger“, betont daher der Konzern. Die Anzahl der Fahrausweisautomaten hänge von den Vorgaben und den gewonnenen Ausschreibungen ab. Die Entscheidung über die geforderte Automatenanzahl obliege dem jeweiligen Aufgabenträger.
Auch im Nahverkehr werden mittlerweile 78 Prozent der Tickets digital gebucht, heißt es beim Konzern. Vor zehn Jahren waren es erst zehn Prozent. Besonders das digitale Deutschland-Ticket brachte einen Schub, seit Einführung hat sich der Anteil der Onlinetickets im Nahverkehr mehr als verdoppelt. Mit den sinkenden Umsätzen an Automaten wächst auch im Regionalverkehr der Kostendruck – und die Debatten vor Ort verschärfen sich, ob und wo noch Automaten aufgestellt werden.
Das sei „ein echtes Politikum“, berichtet Matthias Stoffregen, Geschäftsführer beim Verband Mofair der DB-Konkurrenten. Kein Bürgermeister oder Landrat verzichte einfach auf personenbedienten Verkauf oder Automaten am Bahnhof, denn dann ist der Protest von Fahrgast- und Seniorenverbände programmiert. Dennoch gebe es in Ländern wie Brandenburg bereits an mehr als 60 Prozent der Halte keinen Automaten mehr. Tickets würden stattdessen an Geräten oder von Zugbegleitern an Bord verkauft – „mit all den Konsequenzen, die das für die Einnahmensicherung haben kann“.
In der Branche bestehe Einigkeit, dass der Vertrieb weiter digitalisiert werden muss, betont auch Stoffregen. Wettbewerber im Fernverkehr wie Flixtrain und RDC verkauften ihre Tickets ohnehin fast nur online. Der Automatenvertrieb insgesamt habe in den vergangenen Jahren eher stagniert, sei nicht mehr, aber auch kaum weniger geworden. Wenn DB-Konkurrenten im Regionalverkehr neue Geräte aufstellen müssen, weil der Aufgabenträger es so wolle, laufe das nicht immer reibungslos. Über die Regeln der DB-Infrastruktur für den Zugang werde aktuell in einem Verfahren bei der Bundesnetzagentur gestritten.
Martin Schiefelbusch überzeugen die Argumente gegen Automaten nicht: „Mit der Ausdünnung dieser stationären Angebote verschenkt der DB-Konzern viel Potenzial und macht es seinen Kunden schwerer als nötig.“ So sehen das auch die Verbraucherzentralen. Deren Bundesverband Vzbv fordert von der DB und dem Bund als Eigentümer, dass der Kauf von Sparpreis-Tickets an Automaten wieder möglich sein muss.