Die Politik verweist mit Blick auf drohende Fahrverbote in Stuttgart gerne auf den Öffentlichen Nahverkehr. Doch der ist heute schon vielfach an der Kapazitätsgrenze angekommen. Neben baureifen neuen Projekte fehlt dem ÖPNV auch eine gesicherte Finanzierung.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Der Flughafen Stuttgart liegt in Sichtweite des Gewerbegebiets Fasanenhof-Ost, wo heute die Stadtbahnline 6 der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) endet. Wenn es gut läuft, könnte diese Lücke bis Ende 2020, womöglich aber auch erst Mitte 2021 geschlossen sein. Dann werden Entscheidungsträger aus Rathaus und Landtag zur Eröffnung schreiten. Und sie täten gut daran, jenen Termin zu genießen – es könnte der letzte dieser Art auf absehbare Zeit sein.

 

Das Stuttgarter Stadtbahnnetz, wegen seiner Zuverlässigkeit beim fahrenden Publikum beliebt, ist in den vergangenen gut 30 Jahren kontinuierlich gewachsen und trägt die Hauptlast des innerstädtischen Nahverkehrs. Im Jahr 2015 nutzten 177 Millionen Fahrgäste die gelben Busse und Bahnen. Die Zeiten des Ausbaus enden aber wohl mit dem Erreichen des Manfred-Rommel-Airports auf den Fildern. Vorbei ist die Phase, in der sich an eine Streckeneröffnung zumeist die Präsentation weiterer Baupläne anschloss. Gebaut wurde im Stadtbahnnetz eigentlich immer irgendwo. Derweil will OB Fritz Kuhn (Grüne), kraft Amtes auch SSB-Aufsichtsratchef, jedes fünfte Auto von Stuttgarts Straßen verbannen. Die grün-schwarze Landesregierung hat temporärer Fahrverbote auf einem bis dato nicht konkret beschriebenen Teil des Stuttgarter Straßennetzes beschlossen.

Neue Linien auf bestehenden Gleisen geplant

Wenn die bisherigen Autofahrer nicht das Rad oder den Fußmarsch für sich entdecken, wird der Fahrgastansturm auf die gelben SSB-Züge also zunehmen. Und just in dieser Situation mangelt es an konkreten und vor allem in absehbarer Zeit umsetzbaren Ausbauplänen. Die städtische Nahverkehrstochter versucht das abzufedern, indem sie das Angebot auf der vorhandenen Infrastruktur weiter verdichtet. Die testweise eingerichtete Übereck-Verbindung U 19 von Neugereut an den Neckarpark soll nach einer sommerlichen Pause von Oktober an zur Dauereinrichtung werden und so den Druck von der Linie U 2 nehmen.

Eine weitere Verbindung, die Randbereiche der Stadt verbindet, bereiten die SSB zwischen Fellbach (Rems-Murr-Kreis) und Giebel im Nordwesten vor. Das soll die Stadtbahnlinie U 13 entlasten, die vor allem zwischen Bad Cannstatt und dem Pragsattel an der Kapazitätsgrenze fährt. Oder wie es SSB-Vorstandssprecher Wolfgang Arnold sagt: „Da fallen Sie im Wagen nicht um“. Und auf lange Sicht sollen auf der U 1 80 Meter lange Züge fahren und damit doppelt soviel Platzangebot herrschen wie bisher. Dazu müssen aber Haltestellen ausgebaut werden. Das passiert nicht von heute auf morgen. Deswegen untersuchen die SSB eine Schnellbuslinie zwischen Bad Cannstatt und der Innenstadt. Dieses zusätzliche Angebot, ursprünglich als „Feinstaubalarmlinie“ entstanden, könnte Entlastung bringen auf einer Route, die mit drei S- und zwei Stadtbahnlinien heute schon nicht schlecht versorgt ist.