Der Start des Schienenprojekts verschiebt sich nach hinten. Die bereits bestellten Batteriezüge könnten bis dahin im Ortenaukreis zum Einsatz kommen.

Die Hermann-Hesse-Bahn wird 2023 nicht auf den Gleisen stehen. Die Inbetriebnahme verzögert sich wegen Materialmangels und der bürokratischen Verfahren zum Artenschutz. Für viele, die auf die Zugverbindung aus dem und in den Schwarzwald gehofft hatten, ein herber Schlag. Wie geht es nun weiter? Und was passiert mit den neuen Batteriezügen für die Hesse-Bahn, die für 2023 bereits bestellt wurden?

 

„Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Inbetriebnahme der Hermann-Hesse-Bahn deutlich verzögern wird“, sagt der Ministerialdirektor des Verkehrsministeriums, Berthold Frieß. „Viele potenzielle Nutzer dieser gerade für Pendlerinnen und Pendler wichtigen Verbindung warten sehnsüchtig auf eine Verbesserung. Ich appelliere an alle Beteiligten, das Tempo hoch zu halten und 2024 mit Ehrgeiz anzupeilen.“

Batteriezüge könnten in Ortenau zum Einsatz kommen

Auf die laufenden Verfahren – das EU-Verfahren in Bezug auf den an der Strecke vorkommenden Steinkrebs läuft bereits seit 2018, das Verfahren für die Kammerlösung an den Tunneln zum Schutz der Fledermäuse liegt in den Händen des Regierungspräsidiums Karlsruhe – könne das Verkehrsministerium keinen direkten Einfluss nehmen, sagt Berthold Frieß. „Das Verkehrsministerium hat sich aber gerade bei den naturschutzrechtlichen Fragen im Vorfeld vermittelnd eingebracht.“ Jetzt sei es wichtig, dass diese zügig abgeschlossen würden, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen komme. Immerhin: Bis zur Inbetriebnahme der Hermann-Hesse-Bahn werden die heutigen Buslinien weiter in Betrieb bleiben, heißt es vom Verkehrsministerium. Die drei Batteriezüge, die auf den Gleisen der Hesse-Bahn fahren sollen und vom Land bereits bestellt wurden, können zur Stärkung der Betriebsreserve bei der Ortenau-S-Bahn verwendet werden, bis die Hermann-Hesse-Bahn in Betrieb geht. Dort nämlich, im Netz 8, werden die emissionsfreien Batteriezüge erstmals zum Einsatz kommen. „Durch die Reservezüge erhöht sich die Zuverlässigkeit im Netz 8“, so Frieß. Alternativ könne man versuchen, die drei Fahrzeuge für die Hermann-Hesse-Bahn erst später liefern zu lassen. In diesem Fall würden Kosten für Wartung, Versicherungen, Abstellkosten und dergleichen in der Übergangszeit wegfallen. Ob sich die Lieferung verschieben lässt, muss mit dem Hersteller Siemens aber noch geklärt werden.

Verschiebung kommt nicht überraschend

Überraschend gefasst zeigt sich Hans-Joachim Knupfer von der Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn. Die kreisübergreifende Initiative setzt sich seit Jahren für Verbesserungen im Schienennahverkehr ein, insbesondere für die Reaktivierung der Schwarzwaldbahn als neue Hermann-Hesse-Bahn. „Aus unserer Sicht hat sich die Verschiebung über das letzte Quartal hin angekündigt, wir sind daher nicht sehr überrascht von der Meldung“, sagt Hans-Joachim Knupfer. So schmerzlich die Verzögerung gerade für die Fahrgäste der Region auch sei, „wir sehen sie nicht als so gravierend. Wichtig ist, dass das Projekt im Gange ist und die Arbeiten gut vorangehen.“

Ein frühzeitiger Einsatz der Batteriezüge wäre aus seiner Sicht wünschenswert, so hätten sich die Fahrzeuge im Betrieb bereits bewährt und könnten anschließend nahtlos auf die Gleise der Hesse-Bahn wechseln. „Wichtig ist, dass wir die Zwischenzeit nutzen, um bei uns die bestmöglichen Voraussetzungen im Sinne der Fahrgäste zu schaffen.“ Damit bezieht sich Knupfer einerseits auf den Einsatz der neuen S-Bahn-Linie 62, andererseits auf die Pläne des Verbands Region Stuttgart, die Bahnsteige rings um Stuttgart an die Höhe der S-Bahn anzupassen.

„Fahrgast im Blick behalten“

Die sogenannte Sprinter-S-Bahn S 62 pendelt für gewöhnlich zu allen Hauptverkehrszeiten zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen – bis mindestens 5. Januar fallen die Züge wegen Personalmangels allerdings komplett aus. In diesen Zeiten darf die Hesse-Bahn nicht bis Renningen fahren, sondern muss in Weil der Stadt enden. Fahrgäste aus dem Raum Calw, die in Renningen in die S 60 nach Böblingen/Sindelfingen wechseln wollen, müssen dann zweimal umsteigen.

Ziel laut Knupfer müsse es weiterhin sein, die Hesse-Bahn durchgängig bis Renningen fahren zu lassen. Sollte das nicht möglich sein, müsse zumindest ein annehmbarer Umstieg in Weil der Stadt gewährleistet werden. Denn die S-Bahn Stuttgart hat eine Einstiegshöhe von rund einem Meter, Regionalzüge wie die Hesse-Bahn eine von 55 Zentimetern. Der VRS lässt derzeit viele Bahnsteige auf eine Höhe von einem Meter umbauen. Damit ist der Einstieg in S-Bahnen barrierefrei, viele Regionalzüge können dort aber gar nicht mehr halten, der Höhenunterschied ist zu groß. „Es wäre unzumutbar, wenn der Bahnsteig in Weil der Stadt so angepasst wird, dass die Hesse-Bahn aufs Abstellgleis geschoben wird“, findet Hans-Joachim Knupfer. Denn zwar wird in Weil der Stadt ein Notbahnsteig speziell für die Hesse-Bahn gebaut, falls der Hauptbahnsteig belegt ist. Dieser sollte aber keinesfalls Standard sein. „Die Umstiegswege wären einfach zu lang. Wir müssen bei den Plänen immer den Fahrgast im Blick behalten.“