Exklusiv Verkehrsminister Winfried Hermann will den Wettbewerb auf der Schiene beleben. Bei der Ausschreibung der „Stuttgarter Netze“ scheint das zu gelingen – auch dank eines nicht unumstrittenen Kniffs.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kann im Bemühen, den Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr zu beleben, erste Erfolge verzeichnen. Die im Juni veröffentlichte Ausschreibung der Nahverkehrsleistungen im Großraum Stuttgart stößt nach StZ-Informationen auf große Resonanz. Fast ein Dutzend Verkehrsunternehmen haben ihr Interesse bekundet. „Mehr als eine Handvoll Interessenten“ hat sich beworben, wie das Ministerium bestätigte. Eine genaue Zahl könne man aus vergaberechtlichen Gründen nicht nennen, sagte ein Sprecher von Hermann. „Aber das rege Interesse macht sehr deutlich, dass der vom Land gewünschte Wettbewerb mit dem Ziel eines kostengünstigeren und für die Fahrgäste besseren Angebots im Schienenpersonennahverkehr in Gang kommt.“

 

Zufrieden mit der Resonanz: Verkehrsminister Winfried Hermann, Grüne Foto: dpa
Bei der Ausschreibung geht es um 14,9 Millionen Zugkilometer im sogenannten Stuttgarter Netz. Die jeweils über die Landeshauptstadt führenden Strecken reichen bis nach Tübingen, Ulm, Crailsheim, Heilbronn, Mannheim, Bruchsal und Pforzheim. Sie wurden in drei getrennte Lose unterteilt. Eine „deutliche Stärkung des Wettbewerbs“ erhoffte sich das Verkehrsministerium unter anderem von der sogenannten Loslimitierung. Diese besagt, dass ein Bieter höchstens für zwei, nicht aber für alle drei Lose den Zuschlag bekommen darf. Damit soll die bisherige Dominanz der Deutschen Bahn aufgebrochen werden.

Bahn sieht beschränkte Vergabe kritisch

Eine solche Besonderheit bei der Ausschreibung gab es bundesweit bisher erst einmal, 2008/09 bei der Vergabe des Stadtbahnnetzes Berlin-Brandenburg. In Fachkreisen gilt die Loslimitierung als wichtiger Grund für das rege Echo auf den Wettbewerb für die Stuttgarter Netze: Den Verkehrsunternehmen werde damit signalisiert, dass sie gegen die Bahntochter DB Regio durchaus Chancen hätten. Kritik am Verfahren, das zunächst auch von der SPD kritisch gesehen wurde, kommt hingegen von der Bahn und von der CDU.

Entgegen den Erwartungen geht die Bahn nicht rechtlich gegen die Loslimitierung vor. Man sei „an konstruktiven Lösungen für den Nahverkehr in Baden-Württemberg interessiert“ und halte eine Diskussion über Rechtsfragen derzeit für nicht sinnvoll, sagte eine Bahnsprecherin. Aus Sicht der DB solle der Wettbewerb dazu führen, „das qualitativ hochwertigste Verkehrsangebot zum günstigsten Preis zu ermitteln und diesem den Zuschlag zu erteilen“. Im Sinne von Fahrgästen und Steuerzahlern solle das beste Angebot also auch das erfolgreiche sein. Durch das Vorgehen des Landes bestehe das Risiko, dass es ausgeschlossen werden müsse, wenn ein Bieter bereits bei einem anderen Los erfolgreich war. Zu den Erfahrungen in Berlin-Brandenburg sagte die Sprecherin, dort sei die Zahl der Bieter eher geringer als bei üblichen Verfahren gewesen.

CDU warnt vor Verlust von Bahnjobs

Die Landtags-CDU lehnt die Loslimitierung grundsätzlich ab. Das wirtschaftlichste Angebot müsse gewinnen, auch wenn ein Bieter in allen drei Fällen zum Zuge käme, fordert die Verkehrsexpertin Nicole Razavi in der Begründung einer aktuellen Anfrage. Durch die Vorgabe zwinge sich die Regierung unter Umständen selbst, ein teureres Angebot anzunehmen. Da die Bahn mindestens eines der Netze verliere, drohe ein Drittel der DB-Jobs verloren zu gehen.