Zwei Gutachten kommen zu dem Schluss, die frühere Landesregierung habe der Bahn zu viel Geld für den Schienenverkehr gezahlt. Es geht um bis zu einer Milliarde Euro. Der grüne Landesminister Winfried Hermann sieht sich bestätigt.
Stuttgart - Für den Schienennahverkehr in Baden-Württemberg zahlt das Land nach Meinung von Experten bis zu 1,25 Milliarden Euro zu viel an die Deutsche Bahn. Zu diesem Ergebnis kommen nach StZ-Informationen zwei Gutachten, die Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Auftrag gegeben hat. Unabhängig voneinander und mit unterschiedlichen Methoden beziffern sie die „Überkompensation“ während der Laufzeit des sogenannten Großen Verkehrsvertrages von 2003 bis 2016 auf 700 bis 1250 Millionen Euro. Dies hat Hermanns Amtschef jetzt dem Landesrechnungshof mitgeteilt. Als Konsequenz will das Land weitere Zahlungen an die Bahn nur noch unter Vorbehalt leisten. Außerdem prüft es, ob das Geld zumindest teilweise zurückzuholen ist.
Ein Milliarde zuviel?
Damit werden Berechnungen des Verkehrsclubs Deutschlands bestätigt. Der VCD moniert seit Längerem, das Land bezahle als Folge des Verkehrsvertrages eine Milliarde Euro zu viel an die Bahn-Tochter DB Regio; diesen Betrag ermittelte er aus Vergleichen mit Bayern. Die oppositionelle CDU, in deren Regierungszeit der Vertrag unter anderem vom damaligen Staatssekretär Stefan Mappus geschlossen wurde, wies diese Zahl als „frei erfunden“ zurück. Mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission hatte der VCD eine Prüfung veranlasst, ob es sich um eine verbotene Beihilfe handele. Brüssel forderte dazu eine Stellungnahme aus Deutschland an, für die das Land die beiden Gutachten bestellte.
Die streng vertraulichen Expertisen wurden nach StZ-Informationen von der Berliner Unternehmensberatung KCW und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision in Essen angefertigt. Mit der Beauftragung zweier Institute wollte sich das Land doppelt absichern und methodische Fehler ausschließen. Trotz unterschiedlichen Vorgehens kamen die Experten zu ähnlichen Ergebnissen. So ermittelten sie eine jährliche Überkompensation, die mit der Laufzeit des Vertrages immer weiter steigt – zuletzt auf bis zu 140 Millionen Euro; über die Jahre summiert sich dies auf etwa eine Milliarde. Weil die Gutachter nicht auf interne Daten der Bahn zugreifen konnten, errechneten sie den zu viel bezahlten Betrag indirekt.
Das Land will jetzt Rückforderungen prüfen
Das Verkehrsministerium lässt nun prüfen, inwieweit es von der Bahn Rückzahlungen fordern und diese gerichtlich durchsetzen könnte; dies gilt jedoch als nicht einfach. Vorsorglich sollen alle Rechnungen der Bahn nur noch unter Vorbehalt bezahlt werden. Dazu erbittet Hermanns Amtschef eine beratende Äußerung des Rechnungshofs. Wenn diese vorliege, werde sich auch das Kabinett mit dem Vorgang befassen. Zugleich zeigt sich der Spitzenbeamte verwundert über die vergleichsweise milde Beurteilung des Vertrages durch die Kontrollbehörde. Die von ihr monierten „handwerklichen Mängel“ hätten enorme finanzielle Auswirkungen.
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