Nach Zahlen der Bundesregierung schneidet die in Verruf geratene S-Bahn in der Region Stuttgart im bundesweiten Vergleich gut ab. Allerdings hat die Analyse ihre Schwächen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Stuttgarter S-Bahn ist besser als ihr Ruf – zumindest, wenn man den hiesigen Betrieb mit dem in anderen deutschen Großstädten vergleicht. Das geht aus Zahlen der Bundesregierung hervor, die sie auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag zusammengetragen hat, die eine Übersicht über die Pünktlichkeitswerte haben wollte.

 

Das Ergebnis überrascht auch die Fragesteller: „Anders als gefühlt schneidet die Stuttgarter S-Bahn im bundesweiten Pünktlichkeitsranking gut ab“, erklärt Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen und Bundestagsabgeordneter aus Filderstadt (Kreis Esslingen). Die Antwort der Bundesregierung gibt Aufschluss über die Pünktlichkeitswerte von S-Bahn-Systemen in elf Ballungsräumen, aufgeschlüsselt in die morgendliche Spitzenzeit zwischen 6 und 9 Uhr und die abendliche Stoßzeit zwischen 16 und 19 Uhr. Legt man letztere Zeitspanne zugrunde, kommt die Stuttgarter S-Bahn mit einem Wert von 97,4 Prozent auf den dritten Rang.

Verglichene Netze sind ausgesprochen unterschiedlich

Spitzenreiter ist das drei Linien und gerade einmal 90,7 Kilometer Streckenlänge umfassende Netz in Rostock, wo die Züge zu 99,1 beziehungsweise 99,4 Prozent pünktlich sind. Das Schlusslicht bildet das Nahverkehrsangebot im Großraum Frankfurt. Die S-Bahn Rhein-Main ist lediglich zu 91,2 beziehungsweise 93 Prozent pünktlich. Die neun Linien befahren ein Netz von 303 Kilometer Länge.

Für Gastel ist aber nicht nur die Heterogenität der Netze ein Makel in der Vergleichbarkeit. Die Bundesregierung gibt in ihrer Antwort alle Züge als pünktlich an, die höchstens 5 Minuten und 59 Sekunden hinter dem tatsächlichen Fahrplan herfahren. „Das bedeutet: auch mit einer formal pünktlichen Bahn kann ich meinen Anschluss versäumen“, sagt Gastel. Das gelte für den Stuttgarter Hauptbahnhof umso mehr, da dort die Wegstrecken von den unterirdischen S-Bahn- zu den oberirdischen Fern- und Regionalverkehrsgleisen lang seien. Da aber in den unterschiedlichen S-Bahn-Netzen die Pünktlichkeitswerte auf unterschiedliche Art und Weise erhoben würden, habe man sich in der Antwort auf den 5:59-Minuten-Wert als gemeinsame Basis verständigen müssen.

Grüne fordern neue Verbindungen

„Sicherlich ist die Wahrnehmung der Kundinnen und Kunden im Stuttgarter S-Bahn-Netz eine andere, als es dieses Zahlen nun nahelegen“, so Gastel. Aber es gehe ihm darum, ein Hoffnung machendes Signal auszusenden. Dass Hoffnung allein nicht ausreichen wird, ist aber auch dem grünen Verkehrspolitiker klar. Erfreulicherweise erfreue sich die Stuttgarter S-Bahn großer Beliebtheit. „Wir können den Ansturm aber nicht auf der Infrastruktur von Anfang der 90er Jahre bewältigen“, so Gastel. Der Grüne fordert die möglichst rasche Realisierung von an der Kernstadt vorbeiführenden Tangentialverbindungen. Stellvertretend nennt er die Verbindung von den westlichen Fildern ins Neckartal. „Da müssen jetzt weitere Gutachten und dann eine politischen Entscheidung her, welche Strecke gebaut werden soll.“ Zudem müsse der Schienenengpass zwischen den Stuttgarter Stadtbezirken Feuerbach und Zuffenhausen beseitigt werden – eine Forderung, die wie jene nach einer Strecke von den Fildern an den Neckar nicht mehr ganz neu ist.

 

Darüber hinaus setzt Gastel auf die Möglichkeiten, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung des Bahnverkehrs ergeben können. Konkret nennt er die moderne Zugsicherungstechnik ETCS (European Train Control System). „Dafür brauchen wir aber alsbald eine Finanzierungszusage durch den Bund“, so Gastel. Die Region und das Land befassen sich derzeit intensiv mit der neuen Technik. „Im Zuge der Ausrüstung mit ETCS besteht die Möglichkeit, die Kapazität auch auf S-Bahn-Netzen zu erhöhen“, heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. Man führe mit dem Land Gespräche „ob, wann und in welcher Weise das S-Bahn-Projekt Stuttgart unterstützt werden kann“.

Die Verspätungs-Rangliste bei S-Bahnen: