Die Fahrgastzahlen im Bereich des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) erholen sich vom Corona-Einbruch. Zu alten Spitzenwerten fehlt aber noch ein Stück – und die Zukunft birgt einige Unwägbarkeiten.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Der Nahverkehr in der Region Stuttgart fährt langsam aus der Corona-Krise. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) 341 Millionen Fahrten in seinem Netz, das die Stadt Stuttgart und die Landkreise Böblingen, Ludwigburg, Esslingen, Göppingen sowie den Rems-Murr-Kreis umfasst. Gegenüber dem Jahr 2021 war das eine Zunahme um satte 80 Millionen. Allerdings sind Bus und Bahn noch ein gutes Stück vom Spitzenwert aus dem Jahr 2019 entfernt, als 394 Millionen Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzten.

 

Fahrgastansturm durch das Neun-Euro-Ticket

Ein Treiber der Zahlen war im vergangenen Jahr die Phase des Neun-Euro-Tickets, als von Juni bis August für wenig Geld kreuz und quer durch die Republik gefahren werden konnte. In diesem Zeitraum lagen die Fahrgastzahlen beim VVS über den Werten des Jahres 2019, das als letztes vor der Corona-Pandemie als Referenz herangezogen wird. Von dem Fahrgastansturm hatte der Verkehrsverbund allerdings nichts: weil den Abonnenten in diesem Zeitraum monatlich nur neun Euro statt die deutlich höherliegenden Abogebühren abgebucht wurden, blieb unterm Strich ein minus von 72 Millionen Euro, wie der VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger am Freitag in Stuttgart vorrechnete. Insgesamt lagen 2022 die Einnahmen mit gut 372 Millionen Euro 2,8 Prozent unter jenen von 2021 – und mehr als 27 Prozent unter denen von 2019.

Trotzdem blicken Hachenberger und sein Co-Geschäftsführer Horst Stammler zuversichtlich in die Zukunft. Grund für den Optimismus seien die Zahlen der letzten drei Monate des Jahres 2022, als die Fahrgastzahlen nur noch wenig unter jenen des Jahres 2019 lagen. Hachenberger betonte, dass man trotz Krise im vergangenen Jahr so viele Fahrtmöglichkeiten wie noch nie angeboten habe. Beispielhaft erwähnte er die Stadtbahnverlängerung an den Flughafen, die Ausweitung des 15-Minuten-Takts bei der S-Bahn und häufigerer Fahrten auf Nebenbahnen in der Region. Gleichzeitig habe man aber auch mit Einschränkungen durch viele Baustellen im Netz zu kämpfen gehabt – ein Zustand, der auch in den kommenden Jahren anhalten wird. „Man hat lange Zeit die Infrastruktur vernachlässigt“, sagte Hachenberger.

Dass derzeit die S-Bahn wegen Problemen mit den Fahrzeugen und hohem Krankenstand für viel Verdruss bei den Fahrgästen sorgt, bedauerten Hachenberger und Stammler unisono. Einer dauerhaften Abkehr vom 15-Minuten-Takt zur Stabilisierung der Verhältnisse wollte Stammler aber nicht das Wort reden. „Das wird nicht funktionieren. In einem 30-Minuten-Takt bekommen wir die Fahrgäste gar nicht transportiert“.

Unzulänglichkeiten an Fahrweg und Fahrzeugen sind aber nicht die einzigen Unwägbarkeiten für das Jahr 2023. Von 1. März an gibt es in Baden-Württemberg das landesweite Jugendticket, das die grün-schwarze Koalition vorangetrieben hat. Noch größer dürften die Umwälzungen sein, die sich vom 1. Mai an einstellen. Dann gilt das Deutschland-Ticket, das mit seinem Preis von 49 Euro sämtliche Abo-Angebote des VVS unterläuft. Vorbestellungen sind jetzt schon online möglich, der eigentliche Verkaufsstart soll am 3. April sein.

Branche gerät in Bewegung

Drei Milliarden Euro stellen Bund und Länder zum Ausgleich der Mindereinnahmen zur Verfügung – im Jahr 2023. Wie es danach weitergeht, ist ebenso noch zu klären wie Fragen der Einnahmenverteilung. Bewegte Zeiten also. Horst Stammler, der sich auf der beruflichen Zielgerade befindet und im August in den Ruhestand geht, nimmt’s gelassen. „Das sind spannende Zeiten. Es bewegt sich im Verkehrsbereich so viel wie noch nie zuvor“.