Kein Zug für die Kritiker: Die Bahn fährt nicht für Bürgerinitiativen, die mit einer Sonderbahnfahrt aufzeigen wollten, wie schnelle Direktverbindungen in der Region schon heute möglich sind. Jetzt soll das Eisenbahnbundesamt den Vorgang prüfen.

Stuttgart - Der Stuttgarter Stern ist kein neuer Himmelskörper am Firmament über der Landeshauptstadt. Stuttgarter Stern – so sollte ein Sonderzug heißen, mit dem S-21-kritische Bürgerinitiativen beweisen wollten, dass schon heute die Kreisstädte rings um Stuttgart mit schnellen und umsteigefreien Fahrten verbunden werden können. Doch dieser Stuttgarter Stern wird nicht leuchten. Die Bahn lehnt es nämlich ab, für die Initiativen zu fahren. „Wir befürchten Irritationen über unseren verkehrspolitischen Standpunkt in der Öffentlichkeit“, begründet ein Bahnsprecher die Entscheidung etwas nebulös. Hintergrund dürfte sein, dass die Bahn den Eindruck vermeiden will, sie unterstütze Aktionen, die sich kritisch mit der aktuellen Schienenverkehrspolitik des Landes und der Region beschäftigen, die beide wiederum Geschäftspartner der Bahn sind.

 

Selbst eine Intervention des Landesverkehrsministeriums bei Eckart Fricke, dem Bahnbevollmächtigten im Südwesten, änderte an dieser Einschätzung nichts. Jetzt sind die Initiatoren beim Eisenbahnbundesamt vorstellig geworden, das „diese Art der Verletzung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs als Teil der Fahrgastrechte“ prüfen soll. Die Bahn verweist darauf, dass die Fahrt nicht nur mit S-Bahnen, sondern auch mit Fahrzeugen anderer Bahngesellschaften gemacht werden könne. Zudem gehörten Sonderfahrten nicht zu dem mit dem Verband Region Stuttgart vereinbarten Aufgabenbereich der S-Bahn – der Verband ist für den S-Bahnverkehr politisch zuständig.

Lange Vorbereitungszeit der Sonderfahrt

Die Zugfahrt, die bisher im Nirgendwo endet, beginnt für Hans-Jörg Jäkel im Februar diesen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt wird der Aktivist vom Bündnis Filderbahnhof Vaihingen bei der Bahn vorstellig. Er beantragt eine Sonderfahrt an einem Samstagnachmittag mit einem S-Bahn-Zug, der am Hauptbahnhof startet und nach Waiblingen fährt. Von dort aus soll er nach Esslingen rollen – und zwar direkt über die Verbindungskurve am Haltepunkt Nürnberger Straße nach Untertürkheim. Von der alten Reichsstadt im Neckartal geht es über die Güterumgehungsstrecke und den Münsterer Viadukt (die sogenannte Schusterbahn) nach Kornwestheim und Ludwigsburg. Nächstes Ziel ist Böblingen, das über die Panoramastrecke der Gäubahn und den Bahnhof Vaihingen erreicht wird.

Die politische Zielsetzung der knapp dreistündigen Fahrt ist klar. „Wir wollen demonstrieren, dass die vier Kreisstädte Esslingen, Böblingen, Ludwigsburg und Waiblingen schon heute mit attraktiven Verbindungen verknüpft werden können“, sagen Jäckel und sein Mitstreiter Reinhard König sowie Sabine Reichert vom Informationsbündnis Zukunft Schiene Obere Neckarvororte. Anstatt wie die S-Bahnen heute über Bad Cannstatt und den Hauptbahnhof fährt der Sonderzug direkt von Stadt zu Stadt – das macht das Umsteigen unnötig, verkürzt die Fahrtzeit und entlastet das S-Bahn-Nadelöhr am Hauptbahnhof. Der Zeitgewinn liegt laut Jäkel zwischen 22 und 56 Prozent gegenüber der S-Bahn, weshalb er die Verbindung S-Express nennt.

Kritik an Stuttgart 21 schwingt mit

Die Verbesserungen gibt es nicht umsonst, auch wenn die meisten Trassen bereits zweigleisig vorhanden sind. Für neue Abzweigungen rechnet Jäkel mit Kosten von acht bis 20 Millionen Euro, für den Ausbau des S-Bahn-Halts Vaihingen zum Regionalbahnhof mit drei Millionen Euro. „Diese Investitionen verbessern den Nahverkehr sofort“, sagt Jäkel – und dabei schwingt mit, dass man nicht erst auf das milliardenschwere Projekt Stuttgart 21 warten müsse, dem die Initiativen Vorteile für den Regionalverkehr absprechen und zu dessen vehementen Kritikern sie zählen.

Zunächst sieht es gut aus für die Sonderfahrt. Im März erhält Jäkel eine Preisinformation (circa 8000 Euro) von der Bahn, verbunden mit der Hoffnung, dass „unser Angebot Ihnen zusagt“. Das klingt nach grünem Licht, doch keine zehn Tage später wird das Signal anders gestellt. Weil beim Verband Region Stuttgart (VRS) Bedenken bestünden, so die Bahn in einer internen Mail, werde man die Fahrt gegen ein „ausdrückliches Veto des VRS“ nicht durchführen. Jäkel spricht daraufhin bei dessen Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler vor, der ihm versichert, kein Veto einzulegen. Dies bestätigt Wurmthaler gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Vorbehalte habe er aber schon – sie beziehen sich in erster Linie auf die finanziellen Bedingungen. Immerhin subventioniere die Region aus Steuergeldern die S-Bahn, die Einnahmen aus der Sonderfahrt flössen aber nur an die Bahn. „Das muss zwischen uns thematisiert werden“, sagt er. Inhaltlich kann die Region der S-Express-Idee aber wenig abgewinnen: zu teuer, zu wenig Fahrgäste, zu schwer ins S-Bahn-System integrierbar. Erst vor kurzem lehnte der Verkehrsausschuss mehr Personenzüge auf der Schusterbahn ab. „Ob sie die Sonderfahrt macht, ist allein eine Entscheidung der Bahn“, betont Wurmthaler.

Initiativen wollen nicht aufgeben

„Wir fühlen uns als engagierte Unterstützer eines Ausbaus des Schienenpersonenverkehrs vor den Kopf gestoßen, ja diskriminiert“, erklären Jäkel, König und Reichert in einem Brief an Politiker in der Region. Ihr Unverständnis ist auch deshalb groß, weil sie von Anfang an keine Zweifel an ihren verkehrspolitischen Zielen gelassen hätten - und auch nicht daran, dass sie Fahrkarten an Vereine, Bürgerinitiativen und Teilnehmer der Montagsdemos gegen S 21 verkaufen wollten. „Um Kosten von fast 8000 Euro zu erwirtschaften, ist es notwendig, dass 300 bis 400 Mitfahrer gewonnen werden“, erläutern sie. Diese finanzielle Sorge sind sie nun los. Den Stuttgarter Stern wollen sie dennoch nicht aus den Augen verlieren. „Wir werden weiter für Verbesserungen im regionalen Schienenverkehr arbeiten“, kündigen sie an.

Geplante Route des Sonderzugs Stuttgarter Stern