Nach Angaben der Stadt droht bei den Stuttgarter Straßenbahnen ein milliardenschweres Loch in der Kasse. Von 2015 bis 2030 fehlen dem Unternehmen jährlich rund 87 Millionen Euro – auch, weil dringend 40 neue Stadtbahnen angeschafft werden müssen.

Stuttgart - Auf den Stuttgarter Nahverkehr kommen schwere Zeiten zu. Laut der Gemeinderatsvorlage 543/2015, die am Mittwoch Thema im Verwaltungsausschuss ist, droht den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) bis 2030 im schlimmsten Fall ein Defizit von insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Nach der von der Stadt aufgemachten Rechnung fehlen dann jährlich mindestens 87 Millionen Euro in der SSB-Kasse. Im Jahr 2013 betrug der Zuschuss der Stadt knapp 19 Millionen Euro. Am Dienstag stellen die SSB die Bilanz 2014 vor, über die am Nachmittag der Aufsichtsrat debattiert.

 

Bei dem in der brisanten Vorlage dargestellten „Worst-Case-Szenario“ ergibt sich für die städtische Nahverkehrstochter bis 2030 ein Investitionsbedarf in Höhe von 631 Millionen Euro. Außerdem muss die Stuttgarter Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (SVV) als Holding bis dahin auflaufende Jahresdefizite in Höhe von 765 Millionen Euro ausgleichen. Dieses riesige Loch in der SVV-Kasse müsste dann die Stadt durch Haushaltsmittel auffüllen.

Keine Zuschüsse von Bund und Land in Sicht

„Der gesamte Finanzmittelbedarf der Landeshauptstadt für die SSB inklusive des SVV-Defizitausgleichs könnte sich im Zeitraum von 2015 bis 2030 auf insgesamt 1396 Millionen Euro belaufen“, heißt es in dem von Finanzbürgermeister Michael Föll unterzeichneten Papier. Um diese Entwicklung zu verhindern oder zumindest abzuschwächen, müsse es rasch einen vollwertigen Ersatz für die 2019 auslaufenden Zuschüsse nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) geben. Darüber wird aber zwischen Bund und Ländern schon seit Jahren erfolglos verhandelt.

Maßgeblich für das drohende Loch in der SSB-Kasse sind unter anderem die in den nächsten Jahren fälligen Investitionen in neue Stadtbahnen, für deren Kauf das Nahverkehrsunternehmen schon seit Langem keine öffentlichen Zuschüsse mehr erhält. „Wir brauchen zwischen 2020 und 2025 rund 40 neue Stadtbahnen als Ersatz für alte Züge, die dann ausgemustert werden müssen“, erklärt der SSB-Vorstandssprecher Wolfgang Arnold. Der Zeitpunkt hänge auch davon ab, wie lange bereits ausgemusterte Bahnen noch als Ersatzteilspender genutzt werden könnten. Man müsse dabei allerdings bedenken, dass jede Stadtbahn wegen des dichten Takts und des erweiterten Schienennetzes jährlich bis zu 120 000 Kilometer zurücklege.

„Früher kamen wir mit den alten Straßenbahnen nur auf 70 000 Kilometer im Jahr“, so Arnold. Die Kosten für die spätestens bis 2025 erforderlichen neuen Stadtbahnen beliefen sich nach heutigem Stand auf 160 Millionen Euro, die die SSB ohne Zuschüsse von Bund und Land allein mit Krediten finanzieren müssten. „Das ist für die Stadt, die SSB und die Kunden eine völlig neue Situation“, betont Arnold. „Bis jetzt war mit dem Kauf neuer und zusätzlicher Fahrzeuge auch immer eine Erweiterung des SSB-Angebots auf der Schiene verbunden.“ Bisher habe man neue Stadtbahnen bestellt, um neue und verlängerte Strecken zu bedienen oder um Stoßzeiten im Berufsverkehr abzufedern. Man habe auch mehr Stadtbahnen angeschafft, um bei Großveranstaltungen – wie beim Evangelischen Kirchentag – möglichst viele 80-Meter-Züge einsetzen zu können. „Nun müssen bald dreistellige Millionenbeträge investiert werden, um das bestehende Angebot aufrechtzuerhalten.“

Laut der Gemeinderatsvorlage steht zwischen 2028 und 2030 der Kauf weiterer neuer Züge an, weil dann die rund 60 bereits in der SSB-Werkstatt generalüberholten Stadtbahnen ebenfalls nach und nach ausgemustert werden müssen. Diesen enormen Kostenaufwand könnten die SSB nicht durch höhere Fahrgasteinnahmen ausgleichen.

Bei den SSB-Linienbussen ist die Lage ähnlich, wenn auch nicht so dramatisch. Die Fahrzeuge seien dank guter Wartung bis zu 14 Jahren im Einsatz, so Arnold. „Dennoch brauchen wir im Jahr rund 20 neue Linienbusse, die wir fast vollständig selbst finanzieren müssen.“ Nur für einige Fahrzeuge im Jahr gebe es eine minimale Förderung.