Am Mittwoch muss die Bahn im Verkehrsausschuss dem Verband Region Stuttgart erklären, ob das S-Bahn-Chaos irgendwann ein Ende hat. Zu klären ist auch die Frage, wann die Züge auf allen Linien wieder nach Fahrplan unterwegs sind.
Stuttgart - Das Ultimatum des Verbands Region Stuttgart (VRS) läuft an diesem Mittwoch ab: Die Bahn soll am Morgen auf einer Pressekonferenz zum Thema S-Bahn und am Nachmittag im Verkehrsausschuss der Region ein neues Konzept für einen pünktlichen Betrieb aller S-Bahn-Linien in der Region vorlegen.
„Wir erwarten konkrete Antworten und Taten“, betont die Verbandssprecherin Dorothee Lang. Der Verband ist Aufgabenträgerin für die S-Bahn. Nach Erkenntnissen der Region ist morgens zwischen sieben und acht Uhr jede dritte S-Bahn um mehr als sechs Minuten verspätet. Die geforderte Pünktlichkeitsquote von 98 Prozent werde bei Weitem nicht mehr erreicht.
Gleis 10 bleibt gesperrt
Auch wenn das Gleis 10 im Hauptbahnhof weiterhin gesperrt bleibe, müsse ein pünktlicher S-Bahn-Verkehr gewährleistet sein, hatte der VRS-Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler bereits Anfang Dezember gefordert. Es dürfe deshalb keine einzige S-Bahn ausfallen oder umgeleitet werden. Wie drängend für den VRS eine Lösung der Probleme ist, wurde auch auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des S-21-Lenkungskreises am Montag deutlich. Der Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) sagte dort: „Angesichts der Unpünktlichkeit der S-Bahn müssen wir eine Hängepartie und den jetzigen Schwebezustand bei Stuttgart 21 vermeiden.“
Der Bahn dürfte es allerdings schwerfallen, die Forderungen des VRS zu erfüllen. Denn eine Freigabe des nach drei Entgleisungen seit Mitte 2012 gesperrten Gleises 10 ist nicht in Sicht. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) prüft immer noch „einen Berg an Unterlagen“, den es von der Bahn kurz vor Weihnachten erhalten hat. Der Verfahrensstand sei unverändert, eine zeitliche Prognose für die Freigabe sei nicht möglich, erklärte eine Eba-Sprecherin.
Die Bahn selbst hat mit zahlreichen Fahrsimulationen im Computer „untersucht, was bei der S-Bahn machbar sein könnte“, erklärt ein Sprecher: „Das bedeutet aber nicht, dass am Mittwoch konkrete Fahrpläne vorgestellt werden können.“ Es gebe noch weitere Überlegungen und Gespräche zwischen allen Beteiligten.
„Bahn muss Klartext reden“
Rainer Ganske, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Regionalfraktion, hat aber klare Erwartungen. Die Bahn müsse im Regional- und Fernverkehr schlecht ausgelastete Züge streichen, um freie Kapazitäten auf den Gleisen zu bekommen: „Die voll ausgelasteten S-Bahnen dürfen nicht länger angetastet werden.“ In einem Seitenhieb meinte er zudem: „Es fällt ein einziges Gleis im Kopfbahnhof aus, und schon herrscht Verkehrschaos. Dass dieser heutige Bahnhof leistungsfähig sein soll, darüber kann ich nur lachen.“
Harald Raß, der Chef der SPD-Regionalfraktion, hält die bisherigen Antworten der Bahn für „unbefriedigend und unangemessen“. Auch Eva Mannhardt, die Verkehrsexpertin der Regionalfraktion der Grünen, fordert: „Jetzt muss die Bahn Klartext reden.“ Johannes Fuchs, Landrat im Rems-Murr-Kreis, hat in der vergangenen Woche von der Bahn aber keine konkrete Antwort auf seinen Brief in Sachen S-Bahn an den Bahn-Chef Rüdiger Grube erhalten. Fuchs hatte darin gegen die „anhaltenden, zum Teil massiven Verspätungen im Schienennahverkehr und der sich abzeichnenden Engpässe (. . .) am voll ausgelasteten Stuttgarter Hauptbahnhof“ protestiert.
„Mit dieser Antwort kann ich nicht zufrieden sein“
In einer Antwort des Schienenkonzerns heißt es: „Unsere Anstrengungen zielen in erster Linie darauf ab, die derzeit im Stuttgarter Hauptbahnhof gesperrten Fahrstraßen möglichst schnell wieder frei zu bekommen, um die Gleisanlagen wieder restriktionsfrei nutzen zu können.“ Bis dies erreicht sei, werde man weiter versuchen, „das vollständige Betriebsprogramm unter Inkaufnahme geringer Verspätungen durch Verdrängung von Zügen auf den Zulaufstrecken abzudecken“. Außerdem gebe es Gespräche mit vielen Beteiligten über einvernehmliche Lösungen, um den Bahnknoten Stuttgart zu entlasten.
„Mit dieser Antwort kann ich nicht zufrieden sein“, betont Fuchs: „Das unzureichende Nahverkehrsmanagement ist ein Armutszeugnis für die Bahn. Mit salbungsvollen Worten allein ist uns nicht gedient.“ Er erwarte, dass die Bahn die Probleme endlich in den Griff bekomme.
„Keine Rechtspflicht für Entschädigungen“
Wie der Regionalverband jetzt nach Anträgen der SPD- und der Grünen-Regionalfraktion mitgeteilt hat, wird die DB Regio für die Zugausfälle und -verspätungen keinen Schadenersatz bezahlen müssen, da die DB Netz die eigentliche Verursacherin der Probleme sei. Hans-Albrecht Krause, der Chef der Stuttgarter S-Bahn bei der DB Regio, hätte die Probleme lieber gestern als heute erledigt, wird kolportiert. Innerhalb der Bahn soll es heftig geknallt haben. Es gebe aber keine „Rechtspflicht für Entschädigungen“, so Jürgen Wurmthaler. Daneben existiert im Zugverkehr die Regelung der sogenannten Pönale (von lateinisch poena, Strafe): Danach muss der Regionalverband ausgefallene Züge gar nicht bezahlen, bei verspäteten Zügen sind hingegen Vertragsstrafen fällig.
Allerdings gibt es eine Sonderregelung für Stuttgart 21: Da bei einem solchen Projekt große bauliche Unwägbarkeiten entstehen, haben sich Bahn und Regionalverband darauf verständigt, dass keine Pönale fällig wird, wenn das Problem aufgrund der Stuttgart-21-Bauarbeiten entstanden ist. Ob dies bei den drei Entgleisungen, die ursächlich sind für die großen Probleme im S-Bahn-Verkehr, der Fall ist, ließ Wurmthaler offen – dazu wolle die Region an diesem Mittwoch Stellung nehmen.
Sowieso ist die Pönale nach oben gedeckelt. Den oberen Betrag konnte Wurmthaler gestern nicht nennen; in den vergangenen Jahren lag die Pönale in der Größenordnung zwischen 130 000 Euro und einer Million Euro.