Die rasche Reaktion der SSB auf die Kritik an übervollen Stadtbahnen in Stuttgart am Dienstag hat sich am Mittwoch früh ausgewirkt: Die Fahrgäste hatten wieder genügend Platz, um Abstand zu halten.
Stuttgart - So hat Stuttgart seinen Hauptbahnhof noch nie gesehen: Die Stadtbahnen, die Haltestellen, die Ladenfläche oberhalb der Gleise – zur Hauptverkehrszeit am Mittwochmorgen herrschte an allen Ecken und Enden weitestgehende Stille. In der Corona-Krise wird das Nadelöhr des Stuttgarter Nahverkehrs nun auch zunehmend zum Geisterbahnhof.
Dabei war es am Dienstag noch zu Beschwerden gekommen, nachdem die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) ihren Fahrplan aufgrund der geringen Anzahl an Fahrgästen ausgedünnt hatten und die Auslastung auf einzelnen Stadtbahnlinien sprunghaft angestiegen war. Die Corona-Ansteckungsgefahr würde in den übervollen Bussen und Bahnen zur Hauptverkehrszeit steigen, lautete der verärgerte Tenor der Fahrgäste. Die Proteste hatten Erfolg: Seit Mittwoch fahren zumindest die Stadtbahnen der Hauptverkehrslinien schon morgens von 5 Uhr an im 15-Minuten-Takt statt strikt nach dem Sonntagsfahrplan, wie ursprünglich geplant.
Schnelle Reaktion der SSB
Die schnelle Reaktion der städtischen Verkehrsbetriebe schien bereits am ersten Tag Wirkung zu zeigen: Die Zahl der wartenden Pendler am Charlottenplatz und am Hauptbahnhof war deutlich geringer als sonst, auch in den S-Bahn-Stationen warteten nur wenige auf einen Anschluss.
Bei den übrig gebliebenen Fahrgästen stieß die Anpassung derweil auf breite Zustimmung. „Heute ist zumindest mal weniger los als gestern. Am Dienstag war es hier noch sehr voll“, sagte Janette Imhof, die in einem Krankenhaus arbeitet und täglich mit der Bahn zur Arbeit fährt. Auch Eberhard Frei, Leiter des Pflegeheims Paulinenpark, war am Mittwochvormittag beruhigt: „Das ist ermutigend: unsere Mitarbeiter berichten heute von viel Platz oder zumindest wesentlich verbesserter Situation.“ Frei hatte am Dienstag vehement die Enge in den Stadtbahnen kritisiert, als ihm entsetzte Beschäftigte davon berichtet hatten. Das war auch einem Klinikmitarbeiter im Marienhospital ein Dorn im Auge gewesen. Seine Erfahrungen am Mittwoch: „Die U 4 war sehr leer, aber die U 1 war gut gefüllt. Der 1,50-Meter-Abstand war an etlichen Stellen im Wagen nicht einzuhalten, aber noch akzeptabel im Gegensatz zum Dienstag.“ In einigen Vierersitzen wären zwei Fahrgäste gesessen.
VVS-Chef früh unterwegs
Unter den wenigen Pendlern befand sich am Mittwoch auch einer mit besonders wachsamem Auge: VVS-Geschäftsführer Horst Stammler hatte sich bereits früh um 6 Uhr auf den Weg durch das Verkehrsnetz des Verbunds gemacht, um vor Ort die Entwicklung der Fahrgastzahlen zu verfolgen. In einem ersten Resümee am Bahnsteig zeigte er sich sehr zufrieden: „Es muss unser Ziel sein, dass jeder Fahrgast theoretisch einen Vierersitz für sich allein hat. Nur so können wir die Infektionsgefahr klein halten. Was ich bislang gesehen habe, stimmt mich daher sehr zuversichtlich.“ Nun sei es das Ziel des Verkehrsverbunds, möglichst lange einen verlässlichen Fahrplan auf allen Linien zu gewährleisten.
SSB zieht positives Fazit
Auch die SSB, die nach und nach weitere Linien auf den 15-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit umstellen wollen, zogen ein positives Fazit. „Wir haben einen entspannteren Morgen als am Dienstag beobachtet, waren aber an ein paar Stellen noch nicht zufrieden“, sagte SSB-Sprecherin Birte Schaper, „besonders bei der U 1 und der U 2 erleben wir, dass die Fahrgäste gleichzeitig in großen Gruppen von der S-Bahn auf die Stadtbahn umsteigen. Daran arbeiten wir gerade“, sagte sie.
Bei der S-Bahn, die nur noch im 30-Minuten-Takt fährt und bei der einzelne Züge nach Aussagen von Fahrgästen zu voll waren, will man ebenfalls im Einzelfall nachbessern. So sollen auf der S 4 öfter Langzüge eingesetzt werden.
Tagsüber weiter im 10- und 15-Minuten-Takt
Viele Fahrgäste sind auch verwundert darüber, dass die SSB tagsüber die Stadtbahnen getreu dem Sonntagsfahrplan im 10- und 15-Minuten-Takt fahren lassen. Dafür gebe es doch keinen Bedarf. „Der Grundfahrplan ist eng miteinander verknüpft, was es zwar nicht unmöglich machen würde, tagsüber einen anderen Takt zu fahren, aber sinnlos. Dadurch wäre nichts entlastet“, sagt Schaper dazu. Zum anderen beobachteten die SSB tagsüber eine „Auslastung, die den aktuellen Takt unserer Einschätzung nach rechtfertigt“.