Von 2013 an können sich die ersten Eisenbahnunternehmen um Strecken bewerben, die bisher von Zügen der DB Regio befahren wurden. Der Wettbewerb soll zu einem besseren Nahverkehrsangebot führen.

Stuttgart - Im nächsten Jahr werden wir mit mindestens zwei Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr auf den Markt kommen“, kündigte der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“ an. Mittelfristig soll der Wettbewerb auf der Schiene zu einem spürbar besseren Nahverkehrsangebot im Land führen. Im November will er einen Fahrplan für den Vergabeprozess vorstellen. Aus diesem wird konkret hervorgehen, wann welche Strecke ausgeschrieben wird. Wenn die Preise dank mehr Wettbewerb sinken, ist eine Ausweitung des Verkehrs oder ein besserer Verkehr möglich.

 

Winfried Hermann war zuletzt von vielen Seiten dafür kritisiert worden, den Vergabeprozess zu verzögern. Warum es solange gedauert hat, begründete er damit, dass die alte Landesregierung im Rahmen des „Angebotskonzeptes 2020“ vielen Regionen mehr Züge und bessere Fahrzeuge versprochen habe. Einzelne Strecken nannte Hermann nicht. Wie jedoch aus Bahnkreisen zu hören ist, sollen insbesondere die badischen Regionen Breisgau und Rhein-Neckar mit solchen schriftlich fixierten Angeboten bedacht worden sein. Begründung damals: Das ganze Land profitiere von Stuttgart 21, und eben nicht nur der Großraum Stuttgart.

Für alle die gleichen Standards

„Dieses Wunschprogramm ist damals überhaupt nicht durchgerechnet worden“, sagt Hermann heute, „niemand hat wissen wollen, was es kostet“. Erst die Fachleute seines Hauses und extern hinzu gezogene Gutachter hätten ermittelt, dass die versprochene Ausweitung des Angebots um bis zu 30 Prozent zu Mehrbelastungen von 80 Millionen Euro jährlich führen würde. Wenn das Land sich darauf einließe, wäre 2017 das Streichen von Zügen laut Hermann in anderen Landesteilen unvermeidlich geworden. „Es kann nicht sein, dass in einer Region ein Viertelstundentakt gilt, und woanders kommt ein Zug nur alle 60 Minuten“, betont der Minister. Auch für die letzte Vergabe eines Netzes müsse das Geld reichen, um für alle die gleichen Angebotsstandards finanzieren zu können. Diese Berechnungen sowie kostensparende Optimierungen hätten dazu geführt, dass die Ausschreibungen erst jetzt in Gang kommen, führte er weiter aus.

Der hohe Zeitdruck ist von vielen Seiten angemahnt worden mit dem Argument, dass der „große Verkehrsvertrag“ zwischen dem Land und der DB Regio Ende September 2016 ausläuft. Dann kommen rund 40 Millionen Zugkilometer auf den Markt, also rund zwei Drittel von allen Kilometern, die Züge pro Jahr in Baden-Württemberg zurücklegen. Für die Ausschreibung selbst und anschließend für die Beschaffung der Schienenfahrzeuge vergehen erfahrungsgemäß drei bis vier Jahre. Nun soll gestaffelt in 16 Teilen ausgeschrieben werden. Würde das gesamte Paket auf einmal angeboten, gäbe es nur einen möglichen Bieter – die DB Regio. Um Wettbewerbsnachteile von kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber dem Marktführer zu verringern, werden im Verkehrsministerium Modelle zur Finanzierung von Fahrzeugen ausgearbeitet. In einigen Bundesländern wird dies beispielsweise durch Bürgschaften erleichtert.

Übergangsverträge mit der DB Regio

Die Staffelung der Ausschreibung führt allerdings dazu, dass mit der DB Regio Verträge über eine Übergangsfrist nach 2016 ausgehandelt werden müssen. Während dieser Zeit wird die Bahntochter nicht in neues Wagenmaterial investieren. Das macht nur Sinn, wenn Verträge auf mindestens zehn Jahre angelegt sind. Die Laufzeit von Zügen liegt im Schnitt bei 25 Jahren.

Der Nahverkehr wird von den Bundesländern organisiert. Dafür erhalten die Länder so genannte Regionalisierungsmittel, in Baden-Württemberg beläuft sich diese Summe auf rund 770 Millionen Euro. Weil die Preise für die Benutzung von Schienen und Bahnhöfen zuletzt stark gestiegen sind, musste das Land bereits ein Defizit ausgleichen. Zugstreichungen konnten so eben noch abgewendet werden.