Dorfläden werden vor allem im ländlichen Raum als Nahversorger geschätzt. Doch Beispiele aus der ganzen Region zeigen: Ein Selbstläufer sind sie deswegen noch lange nicht. Die Macher müssen sich vieles einfallen lassen.

Region Stuttgart - Auf Sonderangebote darf man im Dorfladen Waldhausen (Ostalbkreis) normalerweise nicht hoffen. Aber für die Kondome wird eine Ausnahme gemacht – 20 Prozent Rabatt gibt es auf die Verhüterlis, die gut sichtbar auf dem Tresen drapiert sind: „Die waren in der Grundausstattung des Lieferanten dabei, sind aber ein echter Ladenhüter“, sagt Vorstandsmitglied Andreas Mayer und lacht.

 

Das könnte durchaus damit zu tun haben, dass in dem Dorfladen anonymes Einkaufen kaum möglich ist – und im Grunde gar nicht gewollt. „Wir wollen mehr als ein Laden sein, bei uns ist die Kommunikation wichtig“, sagt Andreas Mayer. Wie zum Beweis geht es an diesem Samstagvormittag in dem Laden zu wie in einem Taubenschlag. Das Kundenspektrum reicht von der älteren Dame bis zu Vater und Sohn. Die eine trägt eine gut gefüllte Tragetasche hinaus, andere holen sich nur eine Brezel an der Theke. Und viele erledigen nicht nur ihren Einkäufe, sondern nehmen auch einen kurzen Schwatz mit: „Das bekommt man beim Aldi nicht“, sagt Andreas Mayer zufrieden.

Der Dorfladen bietet Waren von regionalen Lieferanten

Vor gut zwei Jahren hat der genossenschaftlich geführte Laden in der Ortsmitte des Lorcher Teilorts eröffnet. „Die Straße war ein trauriger Anblick“, erinnert sich Mayer. Nacheinander hatten ein Bäcker, die Kreissparkasse, ein Metzger und schließlich eben der Vorgängerladen dichtgemacht. Groß war die Skepsis bei den Waldhäusern, ob ein Dorfladen wirklich funktionieren würde. Und gewaltig mussten die Ehrenamtlichen schlucken, als klar war, wie viel der Umbau der Räume kosten würde: „Um 80 000 Euro wieder reinzuholen, muss man viele Brötchen verkaufen“, sagt Frieder Wahl, einer der Initiatoren und ebenfalls Mitglied im Vorstand.

Doch die aufwendige Sanierung hat sich gelohnt: Der Laden ist hell, freundlich und ansprechend gestaltet. Gewinn wird der Dorfladen wegen der hohen Investitionen vermutlich noch lange nicht machen – aber er läuft gut. Warum? Ausgezahlt hat sich zum Beispiel, dass ein Backofen angeschafft wurde, mit dem die Ehrenamtlichen Teiglinge frisch aufbacken. „Die Qualität wird geschätzt“, sagt Andreas Mayer. Genauso wie die Tatsache, dass Eier, Honig, Mehl oder Kaffee von kleinen regionalen Lieferanten im Regal stehen. Das Kassensystem verrät den Verantwortlichen genau, was gerne gekauft wird – und was nicht: „Darauf reagieren wir, damit wir möglichst wenig wegwerfen müssen“, sagt Frieder Wahl. Wer kurz vor Ladenschluss kommt, müsse deswegen damit rechnen, dass manche Waren ausverkauft sind.

Für den Dorfladen in Schorndorf-Schlichten war es knapp:

Anziehungspunkt ist darüber hinaus das kleine Café, das seit Kurzem mittwochnachmittags öffnet, wenn der restliche Laden geschlossen hat. Als weiteren wichtigen Faktor empfindet Frieder Wahl die Größe des Ortes, in dem 2700 Menschen leben: „Bei 3500 Einwohnern würde vielleicht schon ein Netto oder Penny auf der Matte stehen“, sagt der 53-Jährige.

Es ist den rührigen Ehrenamtlichen zu wünschen, dass der Dorfladen Waldhausen weiterhin so gut angenommen wird. Denn eine Umfrage unter genossenschaftlich organisierten Dorfläden in der Region zeigt: Ein Selbstläufer sind die Nahversorger eigentlich nie. Nach einem guten Start musste etwa der Dorfladen in Schorndorf-Schlichten im vergangenen Frühjahr seinen Mitgliedern und der Dorfgemeinschaft ins Gewissen reden: „Uns war klar, wenn es so weitergeht, ist das Ende absehbar“, sagt Vorstandsmitglied Matthias Hotzel.

Der Weckruf habe funktioniert, sogar so gut, dass der Laden voraussichtlich Plus gemacht hat – das erste Mal seit der Eröffnung im Mai 2015. Wichtig seien zum Beispiel Aktionen und kleine Feste, um auf sich aufmerksam zu machen. Ähnliche Erfahrungen hat man beim Dorfladen in Gäufelden-Tailfingen (Kreis Böblingen) gemacht. Dort hatte man im vergangenen Jahr befürchtet, dass der Laden mangels Umsatz geschlossen werden muss.

Mit besonderen Aktionen machen die Läden auf sich aufmerksam

„Wir haben uns durch Veranstaltungen ins Gespräch gebracht, wie eine Hocketse mit Zwiebelkuchenverkauf oder einen lebendigen Adventskalender“, erzählt Vorstandsmitglied Almuth Keitel. Zudem wird Werbung über eine Whatsapp-Gruppe gemacht und ein Lieferservice für weniger mobile Menschen angeboten. „Wir hoffen, dass der Trend anhält, dann hört auch das Bibbern auf“, sagt Keitel.

Ganz schön bibbern musste auch der Dorfladen in Kirchheim am Neckar (Kreis Ludwigsburg). „Wir waren uns im Herbst sicher, dass wir zum Jahresende schließen müssen“, sagt Bürgermeister Uwe Seibold, einer von drei ehrenamtlichen Geschäftsführern. Zum Verhängnis wäre dem Dorfladen fast geworden, dass der Untermieter – ein Schreibwarenladen – aufgehört hat und damit Einnahmen wegfielen. Zudem musste die Einrichtung ausgelöst, neue Waren eingekauft werden. „Unsere Umsätze waren tragischerweise gar nicht so schlecht.“

Interessanterweise hat sich die Anzahl der Kunden seit vergangenem Herbst kaum verändert. „Aber der Durchschnittsumsatz pro Einkauf ist nach oben gegangen“, berichtet Seibold und erzählt, dass mittlerweile viele junge Familien aus dem Neubaugebiet kommen. Die würden zum Beispiel das vergleichsweise stressfreie Einkaufen und die Kinderspielecke schätzen. „Wenn der Umsatz jetzt so anhält, dann bekommen wir den Laden vollends über den Berg“, sagt der Geschäftsführer.