Wer ist der beliebteste Namenspatron für Schulen in Baden-Württemberg? Friedrich Schiller – man möchte sagen: wer sonst, außer dem Dichter-Käpsele aus Marbach. Im Land werden aber auch immer wieder Schulen umbenannt. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Johann Friedrich Flattich (1713-1797) gehört nicht zu den Topstars der Tübinger Stiftler und damit nicht in die erste Reihe der württembergischen Pfarrersintelligenzia wie Mörike oder Hegel. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass nur drei Schulen im Südwesten seinen Namen tragen: Sie liegen in Flattichs Geburtsort Freiberg am Neckar, in dessen wichtigstem Wirkungsort Korntal-Münchingen – und in Mössingen, wo der Pfarrer und Erzieher nie so recht beheimatet war.

 

Aber sowieso ist das nun Geschichte: Auf Antrag der Flattichschule in Mössingen (Kreis Tübingen) hat der Gemeinderat nun die sonderpädagogische Einrichtung in Steinlachschule umbenannt. Nur der OB Michal Bulander stimmte dagegen. Womöglich kennt er seinen Flattich und weiß, dass dieser bis heute als „schwäbischer Salomo“ geehrt wird, weil er gerne spitze Sprüche zum Besten gab, auch gegenüber dem Herzog, und weil er eine mitfühlende Pädagogik entwickelte, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als fortschrittlich galt. Doch die Steinlachschule zieht um und will deshalb einen ganz neuen Ruf begründen. Flattich habe sowieso kaum jemand gekannt, sagt der Schulleiter Carlheinz Nisi.

Das RP Tübingen weiß von jährlich bis zu elf Umbenennungen

Neue Namen für Schulen seien nicht ungewöhnlich und kämen an den rund 5100 Einrichtungen im Südwesten immer mal wieder vor, sagt Nadine Gaupp vom Kultusministerium. Einen Überblick hat das Ministerium nicht, weil der Ablauf so ist: Gesamtlehrerkonferenz und Schulkonferenz beschließen die Namensänderung, der Schulträger – also Kommune, Landkreis oder bei Privatschulen der Verein oder die Stiftung – entscheiden, und das Regierungspräsidium (RP) bestätigt den Wandel, wenn nichts dagegen spricht. Allein im RP Tübingen habe es seit 2015 jährlich fünf bis elf Umbenennungen gegeben, sagt ein Sprecher. Manche Schulen wollten einen Paten haben, andere seien fusioniert. Hinzu kämen neue Namen, weil viele neue Gemeinschaftsschulen entstanden seien. 300 Gemeinschaftsschulen gibt es heute in Baden-Württemberg; wie viele sich umbenannt haben, ist unbekannt. So wurde etwa in Reutlingen aus der Gerhart-Hauptmann-Werkrealschule und der Hermann-Hesse-Realschule die Minna-Specht-Gemeinschaftsschule. Auch die NS-Vergangenheit führt immer noch zu Namenswechseln: So wurde 2011 in Dornstetten (Kreis Freudenstadt) aus der Wilhelm-Hofmann- die Eichenäckerschule.

Lebende Personen kommen kaum als Patron in Betracht

In Lahr gab es im vergangenen März einen erfreulicheren Grund: Dort sind die Beruflichen Schulen im Mauerfeld in Maria-Furtwängler-Schule umgetauft worden – das ist schon deshalb außergewöhnlich, weil ganz selten lebende Personen geehrt werden. Die Schule betonte allerdings, dass man damit nicht die Schauspielerin würdige, sondern die sozial engagierte Ärztin. Nicht selten sorgt eine Umbenennung auch für Ärger. In Obereschach, einem Teilort von Villingen-Schwenningen, hat die Namensänderung im vergangenen Jahr für erheblichen Streit ausgelöst, weil sich der zweite Grundschulstandort in Weilersbach nicht berücksichtigt sah. Heute nennt sich die Schule etwas schwerfällig Grundschule Obereschach mit Außenstelle Weilersbach.

Wie häufig Schulen nach bekannten Persönlichkeiten benannt werden, darüber werde führe keine Statistik geführt, so die Antwort aus dem Kultusministerium. Im Netz findet man beispielhaft eine Auswertung für Rheinhessen: Danach wurden 72 Prozent der Gymnasien nach Personen benannt, aber nur 48 Prozent der Grundschulen. An den Gymnasien machten Schriftsteller fast die Hälfte aus; Kirchenmänner, Naturwissenschaftler oder Freiheitskämpfer waren nur spärlich vertreten.

Ebenfalls im Netz stößt man auf eine Schulnamenliste für ganz Deutschland – der Sender Arte hat sie vor einigen Jahren recherchiert. Danach stehen die Geschwister Sophie und Hans Scholl auf Platz eins, Albert Schweitzer auf Platz zwei und Johann Wolfgang von Goethe auf Platz 3.

Pestalozzi und Schweitzer auf Platz zwei und drei

Eine eigene Auswertung der Schuladress-Datenbank des baden-württembergischen Kultusministeriums ergab, dass die Gewichtungen im Land anders liegen. Auf dem ersten Platz steht mit 53 Schulen, man möchte sagen: natürlich, Friedrich Schiller. Der Schweizer Reformpädagoge Johann Heinrich Pestalozzi konnte sich auf Platz zwei schieben, der Elsässer Albert Schweitzer hat es mit 37 Schulen auf Platz drei geschafft. Neben den beiden Letztgenannten sind auch Erich Kästner (Platz 7, 27 Schulen) und Astrid Lindgren (Platz 9, 20 Schulen) keine Baden-Württemberger im weiteren Sinne. Die schwedische Kinderbuchautorin ist dabei die einzige rein fremdsprachige Person in der Top 10. Im württembergischen Landesteil wird gerne Johann Peter Hebel übersehen, der im Badischen als Pädagoge und Pionier der alemannischen Mundartliteratur ganz hoch im Kurs steht und mit Theodor Heuss und Ludwig Uhland auf Platz vier steht. Kunst, Pädagogik, Politik und in kleinem Maß Naturwissenschaft – das sind die Disziplinen der wichtigsten Namensgeber gewesen. Carl Benz, Gottlieb Daimler und Robert Bosch haben es mit fünf oder sechs Schulen nicht auf die vorderen Ränge geschafft. Und geradezu irritierend ist, dass unser Vorzeigephilosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel nur einer Schule im Land als Vorbild dient: dem Hegel-Gymnasium in Stuttgart-Vaihingen. Zu verkopft vielleicht. Da ist selbst Johann Friedrich Flattich noch besser dran.

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