Deutschland gibt erstmals menschliche Gebeine an die ehemalige Kolonie Namibia zurück. 27 menschliche Überreste, die im Laufe der deutschen Kolonialzeit aus Südwestafrika entwendet und nach Deutschland gebracht wurden, sollen rückgeführt werden.

Berlin - Erstmals werden am Mittwoch staatliche Vertreter Deutschlands menschliche Gebeine an Namibia zurückgeben. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes handelt es sich dabei um 27 menschliche Überreste, die im Laufe der deutschen Kolonialzeit aus Südwestafrika entwendet und nach Deutschland gebracht wurden. Zuletzt lagerten sie in anthropologischen Sammlungen in Berlin, Greifswald, Ennigerloh, Witzenhausen, Jena, Hannover und Hamburg.

 

Bei der Rückführung handelt es sich bereits um die dritte Rückgabe menschlicher Gebeine von Deutschland nach Namibia. An den vorherigen Übergaben war jedoch die Bundesregierung nicht offiziell beteiligt.

Im Rahmen der Rückführung finden am Mittwoch in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin zunächst ein Gedenkgottesdienst und danach eine Übergabezeremonie statt. Bereits am Dienstagabend sollte es in Berlin unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Totenwache und Gelegenheit für traditionelle Riten geben.

Staatsakt ist in Namibia geplant

Am Donnerstag sollen die Gebeine von einer deutschen Delegation unter Leitung der Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), nach Windhuk gebracht werden. Am Freitag ist dort anlässlich der Rückgabe ein Staatsakt mit der namibischen Regierung geplant.

An den Berliner Veranstaltungen nehmen neben Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Bundestags, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Rates der Kirchen in Namibia (CCN) auch rund 70 weitere Vertreter aus Namibia und damit verschiedener Volksgruppen des Landes teil. Der Gedenkgottesdienst findet auf Einladung der EKD und des CCN statt. Die Predigten halten der Delegationsleiter des namibischen Kirchenrats, Ernst Gamxamub, und die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber.

Während der deutschen Kolonialzeit im damaligen Südwestafrika (1884-1915) gerieten die Mitte und der Süden des Landes, Heimat der Volksgruppen Herero und Nama, zunehmend unter direkte Kontrolle deutscher Siedler. In den Jahren 1904 bis 1908 schlugen deutsche Kolonialtruppen Aufstände der Volksgruppen Herero und Nama grausam nieder. Zahlreiche Überlebende des Krieges kamen in Gefangenschaft und durch Zwangsarbeit ums Leben. Schätzungen zufolge wurden im Zuge der deutschen Kolonialzeit bis zu 70.000 Herero und Nama ermordet. Historiker und Bürgerinitiativen bezeichnen die Gewalttaten als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“.

Schließung einer internationalen Erinnerungslücke

Bereits vor der Rückgabe der menschliche Gebeine betonte Müntefering, dass es Nachholbedarf in der Aufarbeitung der deutschen kolonialen Vergangenheit gebe. Es gehe dabei um die Schließung einer internationalen Erinnerungslücke. Zwar könnten deutsche Verbrechen aus der Zeit von 1904 bis 1908 nicht ungeschehen gemacht werden. Deutschland und Namibia müssten aber Wege finden, um daran gemeinsam zu erinnern.

Im Vorfeld hatte es zudem Kritik am Vorgehen der Bundesregierung und der EKD gegeben. Vertreter einzelner Herero- und Nama-Gruppen beklagten, dass sie bei den Berliner Veranstaltungen rund um die Rückgabe nicht eingeladen seien. Zudem forderten sie von der Bundesregierung eine offizielle Entschuldigung für den Genozid gegenüber den betroffenen Volksgruppen. Die Initiative „Völkermord verjährt nicht!“ hat für Mittwoch aus Protest gegen den Rahmen der Rückgabe Mahnwachen in Berlin, Leipzig und München angekündigt.