Narrensprung in Weil der Stadt Die Narren übernehmen das Weil der Städter Rathaus

Der Rammbock ist in Position: Mit schwerem Gerät öffnen die Weiler Hexen beim Narrensprung die Rathaustür. Foto: Simon Granville

Beim Narrensprung in Weil der Stadt muss sich Bürgermeister Christian Walter gegen zahlreiche Vorwürfe von Zunftmeister Daniel Kadasch verteidigen. Am Ende nutzt es alles nichts: Die Stadt ist in Narrenhand.

Leonberg: Marius Venturini (mv)

Politischer dürfte ein Weil der Städter Narrensprung noch nie gewesen sein: Dass der Termin an diesem Sonntag exakt mit der vorgezogenen Bundestagswahl zusammenfallen würde, hätte in der Keplerstadt im vergangenen Jahr noch niemand auch nur ansatzweise vorhergesehen. Bei einer anderen Angelegenheit hingegen könnte man fast von einer Prophezeiung sprechen: 2024 zogen die Narren einen als Donald Trump verkleideten Bürgermeister Christian Walter beim Rathaussturm aus seiner Amtsstube, um ihn anzuklagen. Und heute sitzt der echte Trump wieder als US-Präsident im Weißen Haus – und seine Versuche, sich aus allerlei Anklagen und Prozessen schadlos herauszuwieseln, sind wohl erfolgreicher als die des Weil der Städter Verwaltungschefs beim Narrensprung.

 

Zunftmeister zählt diverse Verfehlungen der Verwaltung auf

Der durfte sich von Daniel Kadasch, Zunftmeister der Narrenzunft AHA, so einiges anhören. Kadasch zählte vor Tausenden Besucherinnen und Besuchern auf dem Marktplatz die diversen Verfehlungen der Verwaltung auf. Im Mittelpunkt des kommunalpolitisch-humoristischen Anklagereigens standen – oder besser: lagen – die 120 gefällten Streuobstbäume auf dem Gebiet des geplanten Neubaugebiets Häugern-Nord, die im vergangenen November für Schlagzeilen sorgten. Die Stadt hatte die Bäume roden lassen, was Umweltschützer erzürnte.

Passend dazu war auch das von Walter gewählte Kostüm das eines Holzfällers, in Karohemd mit Minikettensäge. Und er keilte auch einigermaßen scharf zurück. Zwar nicht, um im Bilde zu bleiben, wie die Axt im Walde, aber dennoch deutlich. Denn Walter liegt in dieser Angelegenheit derzeit mit dem SWR überkreuz. Der Nabu habe, so der Schultes in seiner Verteidigung, „nicht gezögert, dem SWR einen ziemlichen Stiefel zu diktieren, um so den Ruf der Stadt zu ruinieren“. Im ernsten politischen Tagesgeschäft hat Walter nun eine Programmbeschwerde angestoßen. Die Erfolgsaussichten? Offen.

Ankläger und Angeklagter: Zunftmeister Daniel Kadasch (links) und Bürgermeister Christian Walter Foto: Simon Granville

Zum vierten Mal musste sich Christian Walter gegen die Narren zur Wehr setzen – natürlich zum vierten Mal erfolglos. Die klamme Stadtkasse darf dabei als Klassiker gelten, der einem Bürgermeister zu einem solchen Anlass vorgeworfen wird. Dass der Bürgermeister allerdings mit der Bundesregierung paktiert habe, um aufgrund des Wahltermins den Narrensprung verschieben zu können, das ging dann doch zu weit. Falls es so gewesen sein sollte, war der Plan erfolglos: Beides fand augenfällig statt.

Anklage vor allem kommunalpolitischer Natur

Apropos Wahl: Dieses Thema kam in Kadaschs Anklageschrift ansonsten so gut wie gar nicht vor. Die Konzentration aufs politische Geschehen innerhalb der Weil der Städter Stadtmauern ergab aber vielleicht auch Sinn – und genügend Themen her wie ebenjene sanierungsbedürftige Mauer, die Anschaffung von mobilen Blitzern, die Installation von verwirrenden Verkehrszeichen sowie die erneute Renovierung des Merklinger Rathauses.

In Sachen Stadtmarketing und Werbung enthüllte Walter dann das neue Motto, zumindest für die fünfte Jahreszeit: Wen Baden-Württemberg „The Länd“ sei, sei Weil der Stadt in Zukunft „Weil the Städt“. Das sei leichter zu merken weil grammatikalisch nicht so holprig, außerdem sei der neue Name international. Am Rathausdach wurde sogleich ein Banner mit dem neuen Stadtnamen entrollt.

Hexen „brechen“ die Tür mit einem mächtigen Rammbock auf

Schon zuvor hatte der Bürgermeister jedoch seinen Stuhl räumen müssen. Die Hexen hatten mit ihrem mächtigen Rammbock die Tür aufgebrochen und waren nach oben gestürmt, unterstützt von den Weiler Bären, Schellenteufeln und Schlehengeistern. Sogleich wurden einige „Akten“ aus den Fenstern entsorgt, damit die Narren auch aus einem aufgeräumten Amtssitz heraus regieren können. Den Schlüssel zum Rathaus kassierte im Anschluss Daniel Kadasch ein. Was das angeht, hat er Erfahrung: Bereits zum 17. Mal hat er zur Fasnet maßgeblich dazu beigetragen, einen Schultes aus dem Amt zu jagen.

Die Narren sind los – und drin. Foto: Simon Granville

Bis zum Aschermittwoch am 5. März haben die Narren nun Zeit, ihre politischen Ziele umzusetzen. Man darf gespannt sein, was sie alles in die Wege leiten. Vielleicht können sie ja bereits am Sonntag, 2. März, erste Erfolge verkünden. Dann, am höchsten Feiertag der Weiler Fasnet, ziehen beim großen Umzug mehr als 60 Wagen, Gruppen und Musikkapellen durch die Stadt. Erwartet werden dann rund 30 000 Besucherinnen und Besucher.

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