Immer weniger Fans kommen ins Stadion, wenn die Nationalelf spielt – auch am Samstag in Nürnberg.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Es ist lange her, dass es in Nürnberg hochklassigen Fußball zu sehen gab. Der 1. FC Nürnberg, der traditionsreiche „Glubb“, wie der Franke gerne sagt, verkörpert seit Jahren meist nur noch Zweitligamittelmaß. Weshalb man durchaus meinen könnte, dass der Besuch des Weltmeisters so etwas wie Euphorie in der so fußballverrückten Stadt auslöst. Doch die Dinge gestalten sich vor dem WM-Qualifikationsspiel der Nationalelf an diesem Samstag gegen San Marino (20.45 Uhr/RTL) anders. Der Weltmeister kommt in die Stadt, doch der Nürnberger Bürgermeister freut sich schon lange nicht mehr über den prominenten Gast. Für ihn ist die Sache kein Imagegewinn, sondern eine peinliche Nummer.

 

„Wir hatten noch nie ein Länderspiel mit weniger als 30 000 Zuschauern“, sagt Christian Vogel, der Zweite Bürgermeister der Stadt und gleichzeitig der Stadionchef, vor dem Spiel gegen San Marino. In Nürnberg droht die große Leere – mal wieder, bei einem Heimspiel der Nationalelf. Etwas mehr als 27 000 von 44 000 verfügbaren Karten hat der DFB für Samstag bisher abgesetzt, der Verband rechnet am Ende mit rund 30 000 Zuschauern.

Leere Sitzschalen statt volles Haus, freier Raum statt Zuschauergedränge – auch in Nürnberg wird ein Phänomen zu beobachten sein, mit dem die Nationalmannschaft schon seit längerer Zeit zu kämpfen hat. Von den vergangenen sieben Heimspielen war nur das WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien am 8. Oktober 2016 in Hamburg ausverkauft. Seit 2014 waren von 13 heimischen Testpartien nur vier ausverkauft – zum Vergleich: Von Mai 2011 bis Ende 2013 fanden alle Testheimspiele noch vor vollen Rängen statt. Und jetzt, so weit ist es gekommen, fürchtet der Nürnberger Schultes aufgrund der leeren Ränge um den Ruf des Fußballstandorts.

Bierhoff nimmt das Team in die Pflicht

Der Weltmeister zieht nicht mehr, und der abnehmende Zuspruch hat dabei mehrere Gründe. Da sind zum einen die Ticketpreise, die der DFB aufruft. 80 Euro kostet etwa die teuerste Karte gegen den Fußballzwerg San Marino auf der Haupttribüne – ein gutes Argument für viele Fans, um daheim zu bleiben. Ebenso wie die üblichen späten Anstoßzeiten wie jene am Samstagabend, die viele Familien mit Kindern abschrecken, ins Stadion zu gehen.

Und in den Zeiten, in denen gefühlt jeder Wettbewerb im Fußball aufgebläht wird und es fast jeden Tag ein Spiel irgendwo zu sehen gibt, häufen sich die Partien, die nicht mehr wirklich interessieren. So wie ein Länderspiel nach Saisonende in den Vereinswettbewerben gegen San Marino – erst recht, wenn der Bundestrainer nicht die erste Kapelle aufspielen lässt, sondern eine bessere C-Elf.

Joachim Löw schont seine Stammkräfte ja gerne in eher unbedeutenden Partien. Und wenn nicht, dann helfen seine Stars auch gerne mal nach, indem sie sich kurz vor dem Treffpunkt plötzlich ziemlich nebulöse Muskelverletzungen oder Verspannungen zuziehen. Kurzum, wenn kein großes Turnier ansteht oder zumindest ein wichtiges Qualifikationsspiel gegen eine große Fußballnation, dann hält sich die Motivation der Herren Nationalspieler meist in engen Grenzen. Löw nutzt Partien wie die gegen San Marino dann gerne zum Experimentieren, und all das bekommt der geneigte Fan mit. Er überlegt es sich dann zweimal, ob er bei der Aussicht, nur die zweite oder dritte Garde zu sehen, noch ins Stadion gehen und viel Geld ausgeben soll. Oliver Bierhoff, der Teammanager, hat die Zeichen erkannt. „Man darf Länderspiele nicht als Selbstläufer sehen“, sagt er, „wir müssen uns die Gunst der Fans erspielen und erarbeiten.“ Der DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht die Sache differenzierter. „Die Einschaltquoten im Fernsehen sind sehr stabil“, sagt er, „das Grundproblem ist nicht eine abnehmende Akzeptanz der Nationalelf .“

Wer die TV-Quoten betrachtet, muss Grindel recht geben, denn hier gibt es keinen Rückgang. Beim Testspiel am Dienstag in Dänemark (1:1) etwa saßen acht Millionen Deutsche vor dem Fernseher. Auf der Couch schauen die Fans Jogis Jungs weiter gerne zu, im Stadion eher nicht mehr. Um dem Fanrückgang Rechnung zu tragen, will Grindel künftig vermehrt Länderspiele an kleinere Stadien vergeben. Damit die Bilder von leeren deutschen Rängen nicht noch länger um die Welt gehen.