Asche aus Asche: Spezialisten der Notenbank können selbst verbrannte Scheine oft noch rekonstruieren. Die Besitzer bekommen sie dann ersetzt. Auch Falschgeld landet im Nationalen Analysezentrum der Bundesbank in Mainz.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Mainz - Der Schreibtisch von Jules Ehrhardt sieht aus wie eine archäologische Fundstätte. Er ist übersät mit schwarzverbrannten Klumpen, die der Bundesbank-Angestellte mit kleinen Metallwerkzeugen bearbeitet. Doch Ehrhardt will keine alten Knochen bergen, sondern – Geld. Vor ihm liegen die verkohlten Reste eines Glücksspielautomaten. Und darin, auf den ersten Blick kaum zu erkennen, stecken noch Euroscheine und Münzen. Sie sind rußig, angesengt und halb mit dem Automatenwrack verschmolzen. Ganz vorsichtig löst Ehrhardt sie aus der Schlacke, Stück für Stück. „Das werden an die tausend Euro sein, schätze ich.“

 

Geld, das der Besitzer des Automaten jetzt sicher gut gebrauchen kann. In seiner Spielothek hat es gebrannt. Die traurigen Reste seines Automaten hat er nach Mainz geschickt, ans Nationale Analysezentrum für beschädigtes und gefälschtes Bargeld der Bundesbank. So landete der Trümmerhaufen auf Ehrhardts Schreibtisch. Seine Aufgabe: Möglichst viel Kohle aus der Kohle retten, damit der Betrag dem Eigentümer erstattet werden kann.

Zum Teil kommt das beschädigte Geld aus irrwitzigen Verstecken

Am gegenüberliegenden Schreibtisch kann selbst von Kohle keine Rede mehr sein. Vor Frank Herzog steht: Asche, eine ganze Geldkassette voll. Zum Glück sind einige große Fetzen darunter. Mithilfe eines Mikroskops kann Herzog die Euro-Zeichen und Zahlen unter dem Ruß erkennen. Die Asche-Fetzen waren einmal Geldscheine, ein Teil davon lässt sich noch rekonstruieren.

Ehrhardt und Herzog sind am Analysezentrum für die besonders schweren Fälle zuständig. Bei ihnen landen nicht nur Brandopfer, sondern auch Fundstücke aus irrwitzigen Verstecken: Herzog zeigt Bilder eines matschigen Klumpens aus D-Mark-Scheinen, die nach dem Tod ihres Besitzers im Deckel einer Sickergrube entdeckt wurden. In einem anderen Fall musste er einen Geldschatz wieder zusammensetzen, den ein Unbekannter zerrissen und in einem Wald verteilt hatte. „Über das Warum kann man nur Mutmaßungen anstellen“, sagt Herzog. In diesem Fall wurden die Fetzen von zwei verschiedenen Personen aufgelesen, die sie voneinander unabhängig bei der Bundesbank einreichten. Neben der Puzzle-Arbeit musste Herzog daher noch ermitteln, welcher der beiden Finder jeweils den größeren Anteil eines Scheins eingereicht und damit Anspruch auf das Geld hatte.

Meistens wird das Geld kostenlos erstattet

Das Gros der Fälle ist nicht so kompliziert. Rund 30 000 Anträge auf Ersatz beschädigten Bargelds erreichen das Analysezentrum pro Jahr. „Die meisten davon lassen sich in kurzer Zeit bearbeiten“, sagt der stellvertretende Gruppenleiter Damian Machura. Dazu zählen Geldscheine, die von Kindern zerrissen oder in der Waschmaschine zerlegt wurden. Manchmal melden sich auch Banken, deren Geldautomat gesprengt wurde – weil die Scheine dabei mit Chemikalien kontaminiert werden, erfolgt die Bearbeitung dann in einem speziellen Labor. Dort schützt eine Art Dunstabzugshaube Machuras Mitarbeiter vor giftigen Dämpfen.

Ein enormer Aufwand, der die Antragsteller in der Regel nichts kostet. „Wir wollen vermeiden, dass die Leute versuchen, die Scheine selbst zusammenzuflicken. Denn dann würden sie vermutlich im nächsten Automaten steckenbleiben“, erläutert Rainer Elm, der Chef des Analysezentrums. Gebühren berechnet die Bundesbank daher nur in wenigen Fällen. So kommt es immer mal wieder vor, dass wegen eines Fehlalarms oder technischen Defekts in einem Geldautomaten oder Safe sogenannte Sicherheitsfarbe auf die Banknoten gesprüht wird. Eigentlich ist dieser Mechanismus als Schutz gegen Diebe gedacht, die das Geld dann nicht mehr verwenden können.

Auch Falschgeld landet im Mainzer Analysezentrum

Weitaus weniger riskant als Einbrüche ist für Kriminelle die Fälschung von Banknoten oder Geldstücken. Auch für deren Untersuchung ist das Analysezentrum in Mainz zuständig. 82 200 gefälschte Euro-Scheine und 33 000 falsche Münzen wurden in Deutschland im vergangenen Jahr aus dem Verkehr gezogen. Hinzu kommen gefälschte Banknoten aus anderen Währungsräumen, etwa Dollar- oder Pfund-Scheine. Insgesamt erreichen das Analysezentrum jährlich 150 000 bis 200 000 Verdachtsfälle.

Die Aufgabe der Spezialisten in Mainz besteht in einer genauen Analyse des Falschgelds: Mit welchen Methoden wurde es hergestellt, haben sich die Kriminellen neue Tricks einfallen lassen? Oft lassen sich gefälschte Scheine oder Münzen einer Serie zuordnen – das heißt, sie stammen aus ein und derselben Werkstatt. „Die Analyse des Herstellungsverfahrens kann helfen, die Täter zu ermitteln. Und im Falle einer Verurteilung spielt eine wichtige Rolle, wie viele Fälschungen einer Quelle zugeordnet werden können“, erläutert Elm.

Einer der spektakulärsten Fälle: 2014 gelang es der Polizei nach grenzüberschreitenden Ermittlungen, Blüten im Nennwert von mehr als 30 Millionen Euro zu beschlagnahmen, die italienische Mafiosi in Rumänien drucken ließen. Bis heute gehören Banden im Raum Neapel, die der Mafia nahe stehen sollen, zu den produktivsten Geldfälschern. Elm zeigt einen dicken Ordner mit gefälschten 50-Euro-Scheinen, die alle nach dem gleichen Verfahren produziert worden seien: „Jede dritte Fälschung entfällt auf diese Quelle.“ Zwar sei die Produktion nach einem Ermittlungserfolg der italienischen Polizei vorübergehend zum Erliegen gekommen. Wenige Monate später seien aber wieder Blüten der gleichen Machart aufgetaucht: „Offenkundig haben die Hintermänner es geschafft, die Produktion andernorts wieder aufzuziehen.“

Das Internet erleichtert Fälschern die Arbeit

Ein weiteres Problem: Auf zwielichtigen Online-Plattformen, im sogenannten Darknet, können Kriminelle mittlerweile Vorlagen für Fälschungen erwerben. Zudem würden einzelne Sicherheitsmerkmale wie das silberne Bildchen im Hologramm-Element auf den Euro-Scheinen „von chinesischen Quellen“ als Aufkleber angeboten, berichtet Elm. Hier hätten die chinesischen Behörden mittlerweile Abhilfe versprochen. Fortschritte im Kampf gegen die Fälscher brächten auch die in den vergangenen Jahren eingeführten Neuerungen: So habe es bislang keinen Versuch gegeben, die Smaragdzahl auf den Fünf- bis 50-Euro-Scheinen zu imitieren.

Tatsächlich ist die Zahl gefälschter Euro-Banknoten um ein Fünftel zurückgegangen, nachdem 2016 der neue 20-Euro-Schein eingeführt wurde. 2016 wurden weltweit 684 000 Euro-Blüten sichergestellt. Verbraucher kämen mit Falschgeld nur selten in Kontakt, sagt Elm: „Typischerweise versuchen die Kriminellen, Blüten beim Bezahlen im Einzelhandel loszuwerden, wo sie dann meistens in der Kasse verbleiben. Denn gefälscht wurden in den letzten Jahren vor allem 20- und 50-Euro-Scheine, die eher selten als Wechselgeld herausgegeben werden.“ Erkannt würden Blüten spätestens bei den Banken oder Wertdienstleistern, deren Kassenautomaten Geldscheine auf bestimmte Merkmale überprüfen und sie bei Abweichungen aussortieren.

Bezogen auf die rund 19 Milliarden echten Euro-Scheine ist die Zahl der Fälschungen gering. Der Euro ist noch eine junge Währung – die Kriminellen werden dazu lernen.