Drei Angreifer, drei Vorzüge: Mario Gomez, Nils Petersen und Timo Werner bringen ihre ureigenen Qualitäten bei der Nationalelf ein.

Sport: Marco Seliger (sem)

Eppan - Nils Petersen zeichnet es aus, dass er eine gesunde Selbsteinschätzung hat, dass er stets bescheiden bleibt und sein Handeln im Alltag auch danach ausrichtet. So kam es, dass Joachim Löw kürzlich dreimal nacheinander durchklingelte, Nils Petersen aber einfach nicht an sein Handy ging. Weil er mit einem Anruf des Bundestrainers genauso wenig rechnete wie mit einem 150-Millionen-Euro-Angebot von Real Madrid.

 

Oder damit, dass am Ballermann bald der Sangria ausgehen könnte.

Nils Petersen feierte den Klassenverbleib mit seinen Teamkollegen des SC Freiburg. Auf Mallorca – und auf jenem Teil der Insel, auf dem es, nun ja, in der Regel eher ein bisschen lauter zugeht. „Wir waren beim Mittagessen“, berichtet Petersen nun, knapp eineinhalb Wochen später: „Und plötzlich hatte ich drei Anrufe in Abwesenheit.“

Da es am Ballermann zum Mittagessen dem Vernehmen nach auch ein Mittagstrinken gab, stellte Petersen auf Mallorca sein Glas weg und rief den Bundestrainer zurück, der ihm dann davon berichtete, dass er im vorläufigen Kader für die WM steht. Jetzt also nimmt Nils Petersen seine Mahlzeiten im Kreise der Nationalelf in Südtirol ein. Dort, wo sich das Team auf die WM vorbereitet.

Von Mallorca nach Südtirol

So schnell kann es gehen im Fußball, und wenn man so will, hofft Petersen, dass es genauso für ihn weitergeht in im DFB-Team. Im Sauseschritt dabei, im Sauseschritt zur WM nach Russland– und im Sauseschritt auf den Platz. Das ist die Wunschvorstellung.

Petersen erzählte seine Mallorca-Geschichte am Freitag auf dem Pressepodium neben dem Trainingsplatz und sorgte für allerlei Erheiterung. Jetzt will sich der Mann mit den 15 Toren in der abgelaufenen Bundesliga-Saison bei den täglichen Einheiten im Trainingslager von Eppan für einen endgültigen Platz im Kader empfehlen.

Und damit das tun, was seine zwei Kollegen im Sturm wohl nicht mehr tun müssen.

Timo Werner und Mario Gomez wurden vom Nominierungs-Anruf des Bundestrainers im Gegensatz zu Petersen weniger überrascht, und sie mussten auch nicht wie der Freiburger ihren Sommerurlaub stornieren. Werner und Gomez sind die Fixpunkte im Angriff, wobei Werner in der Hierarchie die Nummer eins ist. Gomez und Petersen sind die Herausforderer. Und alle drei zusammen ergeben einen bunten Mix aus verschiedenen Stürmerqualitäten.

Es ist ein Cocktail, der dem Bundestrainer ziemlich gut schmeckt, weil er die drei Zutaten, je nach Gegner oder Spielverlauf, ziemlich gut brauchen kann – und so könnte es sein, dass Joachim Löw alle drei Stürmer mit nach Russland nimmt. Und Petersen eben nicht, wie in einem ersten öffentlichen Reflex allgemein erwartet, wieder aus dem endgültigen Kader streicht.

Petersen ist der ideale Joker

Warum das so kommen könnte?

Weil der Neuling unter den drei Stürmern der perfekte Joker ist. Er hält sogar den Rekord in der Bundesliga mit 20 Toren als Einwechselspieler, er braucht keine Anlaufzeit. So einen Mann bei möglichen Rückständen in der Hinterhand zu haben, tut immer gut. Petersen selbst sagt, dass er sich gut im Strafraum positionieren könne und nicht viele Chancen brauche. Dann ergänzt er dies: „Ich bin vielleicht das Überraschungsmoment, das keiner kennt.“

Timo Werners Qualitäten dagegen dürften weltweit etwas bekannter sein, und weil Petersen eben Petersen ist, rühmt er einfach selbst die Qualitäten seines neuen Konkurrenten. „Timos Stärke ist seine brutale Schnelligkeit“, sagt er: „Ihn kannst du immer steil schicken.“ Tatsächlich ist die wohl größte Qualität Werners sein Tiefgang.

Ständig drängt der Turbofußballer von RB Leipzig mit Tempo in den Rücken der Abwehr, reißt so Lücken und macht Platz für die Offensivkräfte hinten dran, die dann mehr Räume für ihre Pass-Stafetten haben. Genau das will Löw sehen. Er sagt: „Timo läuft ständig quer und tief. Diese Laufwege sind für den Gegner kaum zu stoppen.“

Auch Mario Gomez ist für den Gegner kaum aufzuhalten – das sieht zumindest Petersen so, der den VfB-Stürmer aus der gemeinsamen Zeit beim FC Bayern in der Saison 2011/12 kennt. „Ich war der Ersatzmann für Mario“, berichtet Petersen und ergänzt: „Es gab kein Vorbeikommen für mich.“ Bis heute habe sich an den Vorzügen von Mario Gomez nichts geändert, sagt der Freiburger und zählt die Vorzüge des Stuttgarters auf: „Er hat eine unfassbare Torquote und eine wahnsinnige Präsenz im Strafraum, das hat er jetzt auch wieder beim VfB unter Beweis gestellt. Mario hat in seiner Karriere unfassbaren Erfolg gehabt.“

Jetzt will Gomez auch bei der WM Furore machen. Er ist der Brecher unter dem möglichen deutschen Sturm-Trio in Russland. Der Mann, der die Gegner binden und so Räume für die Nebenleute schaffen kann. Und nebenbei seine Kernkompetenz zeigen kann: Tore schießen. Gerne von Beginn an, als zweite Spitze neben dem rasenden Timo Werner, gegen defensive Gegner. Oder auch mal als Einwechselspieler, wenn die klassische Brechstange her muss.

Werner, der Turbo. Gomez, der Brecher. Petersen, der Joker. Mit dieser stürmischen Mischung könnte es bald in Richtung Russland gehen.