Nationalmannschaft Warum Julian Nagelsmann als Bundestrainer auf viel Geld verzichtet

Julian Nagelsmann stellt sich wohl auf eine neue Herausforderung ein. Foto: IMAGO/Revierfoto/IMAGO/Revierfoto

Der 36-Jährige ist sich wohl mit dem Deutschen Fußball-Bund einig. Dabei scheint nicht nur der Zeitrahmen des Engagements klar abgesteckt. Wir liefern die Hintergründe.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Felix Magath wird das nicht gut finden. Nicht, weil er Julian Nagelsmann nicht mag oder ihn gar für einen durchschnittlichen Fußballlehrer hält. Nein, der 70-jährige Meistermacher ist nur davon überzeugt, dass ein Bundestrainer einen reichen Erfahrungsschatz haben sollte – als Topspieler, als Spitzencoach, als Führungsfigur. Und Nagelsmann bringt einen Teil dieser Voraussetzungen nun einmal nicht mit. Was schon allein an seinem Alter liegt.

 

36 Jahre ist der gebürtige Oberbayer alt und wohl bald der wichtigste Trainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Das berichtete am Dienstag zuerst die „Bild“-Zeitung. Nagelsmann und der Verband hätten sich grundsätzlich auf einen Vertrag bis 2024 geeinigt. Das ersehnte Finale der Heim-EM würde damit bereits das Ende der Zusammenarbeit bedeuten. Das Fachmagazin „Kicker“ folgte mit der Information, der DFB würde den Abschluss „in Kürze“ bestätigen.

So verhält sich der DFB

Das sind traditionell zwei wichtige Informationsquellen rund um die Nationalmannschaft, da über sie auch Politik betrieben wird. Aus der Zentrale in Frankfurt reagierte der Verband zunächst jedoch nur mit der Mitteilung: „Es hat heute ein erstes Treffen von DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Rudi Völler mit Julian Nagelsmann gegeben.“ Laut Neuendorf sei man in „guten Gesprächen“. Von einer Einigung war noch nicht die Rede.

Doch es wird so kommen, meint nicht nur Thomas Tuchel. „Der DFB hat sich dafür entschieden, Julian Nagelsmann hat sich dafür entschieden. Damit ist die wichtigste Voraussetzung gegeben“, sagte der Bayern-Trainer vor dem Champions-League-Duell der Münchner gegen Manchester United an diesem Mittwoch. Auch Magath dürfte sich darin bestätigt fühlen, dass der DFB weiter nicht bereit ist, sich jemanden in die eigenen Reihen zu holen, der routiniert, gnadenlos erfolgsorientiert und unbequem ist. Jemanden wie ihn oder den ebenfalls gehandelten Niederländer Louis van Gaal (72).

Nun ist Nagelsmann durchaus erfolgsbesessen, auch meinungs- und durchsetzungsstark. Einfach ist es mit ihm und seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein also nicht immer. Das lässt sich auf seinen Stationen bei dem FC Bayern, RB Leipzig und der TSG Hoffenheim nachprüfen. Aber der bisherige Bundesliga-Coach geht die Nationalmannschaft als Projekt an, zeitlich begrenzt. Er blickt nur bis zum reizvollen Turnier im nächsten Jahr und nimmt die Herausforderung als schwarz-rot-goldene Mission an.

Sportlich befindet sich die deutsche Vorzeigeauswahl im Tief. Es gilt aus Einzelkönnern eine Einheit zu formen und diese zurück an die Weltspitze zu führen. Was sich anschließend für Nagelsmann ergibt, gehört vermutlich zu den letzten Details, die noch zu klären sind. Dabei erscheint wichtig, ob Nagelsmann nicht länger Bundestrainer sein darf, weil der DFB andere Vorstellungen eines Neuanfangs (mit Traumlösung Jürgen Klopp?) hat – oder ob der häufig umworbene Kandidat den Posten nicht länger besetzen will, um sich danach wieder in die Arbeit bei einem Verein stürzen zu können.

Erst einmal dürfte der DFB jedoch erleichtert sein, einen Nachfolger für Hansi Flick gefunden zu haben. Am 10. September hatte man den 58-Jährigen wegen anhaltender Erfolglosigkeit nach dem 1:4 gegen Japan und langem Zögern freigestellt. Und die Trennung machte klar, wie unvorbereitet der Verband trotz allem war. Sportdirektor Völler sprang in der vergangenen Woche für ein Länderspiel mit den Assistenten Hannes Wolf und Sandro Wagner ein – den 2:1-Sieg gegen Vizeweltmeister Frankreich.

Das Zugeständnis des FC Bayern

Seither sondierte Völler die Lage rund um Nagelsmann, der bis 2026 an den Rekordmeister gebunden ist. Dieser Vertrag soll nun aufgelöst werden – ohne dass der FC Bayern eine Abfindung an seinen im vergangenen März geschassten Trainer bezahlt. Diesen Vorstoß, mehr Geld herauszuholen, soll es von der Nagelsmann-Seite gegeben haben. Die Münchner winkten jedoch ab und lassen Nagelsmann ablösefrei gehen. Das ist das Zugeständnis an den DFB.

Gehörige Gehaltszahlen sind dennoch in Umlauf. Beim FC Bayern hätte Nagelsmann fürs Nichtstun angeblich 20 Millionen Euro kassieren können, beim DFB sind es vier Millionen Euro für zehn Monate. Eine Titelprämie gibt es sicher zusätzlich. Doch bis dahin ist es eine schwierige Reise, die für Nagelsmann am 9. Oktober beginnen würde – mit dem Abflug nach Amerika, wo die Länderspiele gegen die USA und Mexiko angesetzt sind.

Im November geht es in Wien gegen Österreich, wo Ralf Rangnick das Amt des Nationaltrainers innehat. Auch der Fußballvisionär aus Backnang war schon beim DFB im Gespräch. Letztlich wurde ihm Flick vorgezogen, und aktuell stand Rangnick mit seinen Konzepten nicht mehr zur Verfügung.

Jetzt ist es an Nagelsmann, nicht nur einen Stimmungsumschwung einzuleiten, sondern ebenso ein Qualitätshoch. „Natürlich kann er das“, sagte Tuchel dazu. „Er ist ein herausragender Trainer.“ Und der Münchner Ehrenpräsident Uli Hoeneß gab die Empfehlung ab, den Laptop wegzupacken, die akademischen Fußballvorträge sein zu lassen und „erst einmal über die Emotionen“ zu kommen. Magath würde es wohl nicht anders anpacken.

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