Das Halbfinal-Aus bei der EM hat Joachim Löw innerhalb des DFB geschwächt. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass der Vertrag mit dem Pressesprecher Harald Stenger, einem Vertrauten des Bundestrainers, nicht verlängert wurde.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Dieser verbale Doppelpass wird nicht mehr oft gespielt werden. Dieses Tiki-Taka in hessischem und badischem Dialekt. Einmal noch wird Harald Stenger, der Pressesprecher aus Frankfurt, die Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft moderieren und Joachim Löw, den Bundestrainer aus Freiburg, um sein Statement bitten. Der oberste Coach wird dann wie gewohnt zur Lage der Fußballnation Stellung beziehen.

 

Nach dem Testländerspiel am Mittwoch in Frankfurt gegen Argentinien (20.45 Uhr/ZDF) ist dann Schluss für Stenger. Zumindest, was öffentliche Auftritte anbelangt. Dann geht der langjährige Pressechef noch ein paar Aufräumarbeiten in seinem Büro an, weil sein bis 31. August datierter Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht verlängert wurde.

Neuer Abschnitt für Löw

Doch was für Stenger (61) das emotionale Ende eines Lebensabschnitts bedeutet, markiert für Löw den Anfang eines neuen Abschnitts. Schließlich kann man die Personalie Stenger als unspektakulär abtun, und sie als Erfrischung auf einer nicht unwichtigen Position verkaufen – so wie es der DFB tut. Aber man kann diesen Wechsel auch als eine innenpolitische Maßnahme werten, als eine Machtdemonstration des Verbandes gegenüber seinem prominentesten Angestellten – Joachim Löw.

Die Zeichen einer Zeitenwende jedenfalls mehren sich. Vergangene Woche legte der Bundestrainer dem DFB-Präsidium seine Turnieranalyse von der EM in Polen und der Ukraine vor. Im Grunde nichts Ungewöhnliches, schon nach der EM 2008 und der WM 2010 gab es solche Treffen. Der Unterschied ist nur, dass sich der DFB-Präsident Wolfgang Niersbach diesmal genötigt sah, Löw nach außen noch einmal demonstrativ zu stärken – was den Verdacht nährt, dass die Position des Bundestrainers nach dem Halbfinal-Aus gegen Italien intern geschwächt ist. Denn noch nach der WM 2010 hielt Löw seinen Vertrauten Stenger gegen einigen Widerstand im Amt, und eigentlich sollte es in der gleichen Besetzung bis zur WM 2014 weitergehen.

Verschobene Machtverhältnisse?

Nun aber scheinen sich die Machtverhältnisse verschoben zu haben. Was sich auch daran zeigt, dass Löw nach sechs Wochen des Schweigens am Mittwoch eine Mischung aus Wut- und Frustrede hielt. 25 Minuten lang sprach er und machte dabei klar, was ihn nach der EM-Enttäuschung gestört und getroffen hatte. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der verpasste Titel zum einen an der zerstückelten Vorbereitung lag und zum anderen an der schwächeren Form einiger Bayern-Spieler, die das Gerüst der Nationalelf bildeten.

Laut Löw lag das 1:2 jedenfalls nicht an einer falschen Aufstellung oder gar einer verfehlten Strategie. „Wir hatten einen klaren Plan, von dem ich voll überzeugt war. Und selbstverständlich übernehme ich die ganze Verantwortung.“ Nur eines gesteht Löw ein: „Wir haben gegen Italien nicht mit unseren Waffen gekämpft, unser Spiel nicht durchgedrückt.“

Plädoyer für seine Spieler

Dominant soll der Spielstil sein, sich nicht nach dem Gegner richtend. Und dass immer noch hitzig über die Europameisterschaft diskutiert wird, belegt, dass es nicht nur eine Reihe von Fragen gibt, sondern dass plausible Antworten ausstehen. Auch darauf zielte Löws Rede ab. Sie war ebenso ein Plädoyer für seine Spieler. Egal, ob namentlich Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Miroslav Klose (Führungsspieler) oder allgemein die Profis mit Migrationshintergrund, die aus persönlichen Gründen die Nationalhymne nicht mitsingen. „Die Hymne zu singen, ist wunderschön“, sagt Löw, „aber wenn einige sie nicht mitsingen, ist das kein Beleg für die Qualität eines Teams. Auch kein Beweis für die Unlust zu kämpfen.“

Dieser Vorwurf erscheint ohnehin populistisch, zumal Sami Khedira, der nicht mitsingt, der beste deutsche EM-Spieler war. Doch der Bundestrainer muss nach der harten Kritik nun versuchen, zunächst einmal die Spieler wieder hinter sich zu bekommen – da auch ihre Überzeugung durch das vorzeitige EM-Ende gelitten haben dürfte.

Ein Kampf an mehreren Fronten

So kämpft Löw seit seiner Rückkehr aus dem vierwöchigen Urlaub auf mehreren Ebenen. Erst hinter verschlossenen Türen, als er sich mit Niersbach unter anderem im Fall Stenger besprach, und jetzt auch öffentlich, indem er – ganz Taktiker – mit seinem betont emotionalen und bestimmenden Auftritt neue Signale sendet: Seht her, ich bin noch immer der Chef! Hört her, ich habe keine gravierenden Fehler gemacht!

„Fakt ist auf jeden Fall eines“, sagt Löw, „unser Weg stimmt.“ Fakt ist aber auch, dass Niersbach die Situation genutzt hat, um die Nationalmannschaft, die zuletzt eine Art Eigenleben führte, wieder näher an den Verband heranzurücken. Jens Grittner, Stengers Nachfolger, gilt als Niersbach-Vertrauter. Und Fakt bleibt auch, dass die besten Argumente für einen Trainer noch immer sportliche Erfolge liefern.