Trotz Einbußen in der Holzwirtschaft kann sich ein Schutzgebiet rechnen, sagt eine neue Studie. Aber auch für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten lohnen sich Nationalparke, ergänzt Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz.

Bonn - Deutschland hat nach Ansicht des Bundesamts für Naturschutz zu wenige Nationalparke. Vor allem in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz fehlten noch solche Schutzgebiete für die Natur, sagt die Präsidentin des Amtes, Beate Jessel. Zusammen mit Hubert Job von der Universität Würzburg setzt sie sich dafür ein, die Diskussion über neue Nationalparke zu versachlichen, wie sie sagt. Gegner und Befürworter von neuen Nationalparken diskutierten zum Teil sehr hart und emotional über die Projekte.

 

Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 rund zwei Prozent der Fläche so zu schützen, dass dort wieder Wildnis entstehen kann. Zurzeit gibt es Jessel zufolge Wildnis aber nur auf 0,4 bis 0,5 Prozent der Fläche. Es müssten deshalb mehr große Flächen möglichst ohne menschlichen Einfluss bleiben, verlangt sie, und das laufe auf die Einrichtung von Nationalparken hinaus.

Touristen bringen Geld in die Region

Derzeit gibt es 14 Nationalparke, vom Wattenmeer bis zu den Alpen. Ihre Fläche beträgt zusammen 0,54 Prozent des Bundesgebietes, nicht alles davon ist unberührte Wildnis. Im internationalen Vergleich sei das relativ wenig, sagt Jessel. In Polen sei ein Prozent der Fläche zu Nationalparken erklärt worden, in Österreich sind es drei Prozent. Viele Tier- und Pflanzenarten könnten nur in ungenutzten Lebensräumen überleben, sagt Jessel – und sie rechneten sich auch ökonomisch.

Ein neue Studie von Hubert Job, die bisher noch nicht veröffentlich worden ist, belegt das am Beispiel des ältesten deutschen Nationalparks, des Bayerischen Waldes. Ihn besuchen jährlich rund 760.000 Naturtouristen, die 13,5 Millionen Euro ausgeben, hat die Studie ergeben. Ohne den Nationalpark kämen nur rund 160.000 Besucher in die Gegend, und gäben 2,9 Millionen Euro aus. Auch wenn wegfallende Einnahmen aus der Forstwirtschaft dagegengerechnet werden, kommt Job auf höhere Einnahmen mit dem Nationalpark. Nur wenn alle Gewinne der Forstwirtschaft in der Region blieben, sei das ökonomische Ergebnis ohne Nationalpark etwa gleich.

Um Nachteile für die bestehende Holzindustrie auszugleichen, wenn ein Nationalpark eingerichtet wird, schlägt Job vor, die Versorgung mit Rundholz mit benachbarten Forstämtern abzusichern und Konzepte zu erarbeiten, nach denen die Bevölkerung weiterhin Brennholz sammeln darf. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die umliegenden Gemeinden von einem Nationalpark profitieren. Der Staat habe seit 1970 rund 270 Millionen Euro für die Nationalparke ausgegeben, teilt er mit.

Die Bevölkerung muss mitplanen, fordert die Expertin

In die laufenden Debatten möchte sich Jessel nicht einmischen. Sie lehnt es ab, sich für oder gegen Projekte auszusprechen, die diskutiert werden. Dazu gehören der Teutoburger Wald in Nordrhein-Westfalen, der Soonwald in Rheinland-Pfalz und der nördliche Schwarzwald in Baden-Württemberg. Für die Ausweisung von Nationalparken seien die Bundesländer zuständig, sagt Jessel. Das Bundesamt für Naturschutz müsse dann eine Stellungnahme abgeben, könne ein Projekt aber erst bewerten, wenn ein Konzept vorliege.

Als Diskussionsbeitrag hat das Bundesamt eine Liste mit Merkmalen erarbeitet, wozu unter anderem eine ausreichende Größe gehört. Die Planungen könnten nur dann erfolgreich sein, wenn die örtliche Bevölkerung frühzeitig eingebunden werde und sie akzeptiere. Und noch eins hebt Jessel hervor: Windräder und neue Stromleitungen könne es trotz Energiewende in Nationalparken nicht geben.