Der Verein Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald versucht geduldig mit Argumenten gegen die Stimmungsmache der Nationalparkgegner anzugehen.
Baiersbronn - Die Anfangsaufregung hat sich gelegt. „Information statt Panikmache“ wolle der Verein Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald leisten. Das hatte Jochen Rothfuß, einer der drei gewählten Sprecher im Dezember kurz nach der Vereinsgründung noch gesagt. Schließlich stand im Herbst und Winter fast die ganze Region Nordschwarzwald unter dem Dauertrommelfeuer der Nationalparkgegner, die sich in dem Netzwerk Unser Nordschwarzwald organisiert und inzwischen 14 lokale Interessengemeinschaften gebildet haben – von Loßburg (Kreis Freudenstadt) bis Bad Herrenalb (Kreis Calw), von Gernsbach (Kreis Rastatt) bis Bad Teinach (Kreis Calw).
Der Freundeskreis der Befürworter setzt weiterhin auf Information und sachliche Aufklärung, doch ins Bockshorn jagen lassen sich die inzwischen 240 Mitglieder nicht mehr, auch wenn die Übermacht der Gegner deutlich sichtbar ist. Allerdings ist inzwischen so manches Großplakat mit dem charakteristischen rot durchgestrichenen Nationalpark-Schriftzug verblasst. Einige wurden – entsprechend dem Baurecht – verkleinert, für andere, wie etwa in der Gemeinde Baiersbronn, wurden nachträglich Genehmigungen beantragt.
Verein hat kein Geld für Materialschlacht
Für eine solche Materialschlacht hat der Verein kein Geld, als Anschubfinanzierung kamen 5000 Euro vom Landesverband des Naturschutzbundes Nabu. Nicht einmal für ein kleines Hinweisschild an der Geschäftsstelle hat es bisher gereicht. „Das soll nachgeholt werden“, sagt die Textilgestalterin Christina Schneider. Im Atelier ihres Privathauses im alten Kern von Baiersbronn hat sie der Schaltzentrale des Vereins Platz eingeräumt. „Offenheit und Transparenz“ sei dem Freundeskreis wichtig, sagt sie – mit Öffnungszeiten, Telefonnummer und Ansprechpartner.
Das soll ein klarer Gegenentwurf zum Gebaren der Gegner sein, die nur per Kontaktformular auf der Internetseite erreichbar sind. Selbst die 14, laut Homepage eigentlich „jeweils eigenständig agierenden“ lokalen Interessengemeinschaften, können nur per Formular kontaktiert werden. Alle Anfragen landen beim alleinigen Sprecher Andreas Fischer, der misstrauisch die Interessenten überprüft, aus Furcht, Befürworter könnten sein Netzwerk infiltrieren. Aufgrund dieser Überwachungspraxis spotten inzwischen etliche über das „Zentralkomitee“ der Nationalparkgegner.
Nationalpark ist Streitthema Nummer eins
Noch habe sich keine „Laufkundschaft“ in die Geschäftsstelle verirrt, gibt Christina Schneider zu. Und es habe sie auch noch „kein Mensch“ darauf angesprochen, dass sie sich für den Nationalpark einsetze und als Ansprechpartnerin eine solch exponierte Funktion übernommen habe. Weder ihre Nachbarn und Freunde noch andere Bürger in Baiersbronn. Schneider ist bekannt im Ort, sie stammt aus einer alteingesessenen Familie. „Keiner hat gefragt: Warum machst du das?“ sagt die 52-Jährige und sinniert, dass wohl niemand das gute Nachbarschaftsverhältnis gefährden will. Denn die Einrichtung eines Nationalparks ist Streitthema Nummer eins in der Region, der Riss geht quer durch Familien, Vereine, Stammtische, Dörfer. Viele haben bereits eine feste Meinung. Dennoch sei die „Uninformiertheit“ vieler Bürger „erschreckend groß“, hat der Freundeskreis festgestellt und organisiert Informationsabende und Vorträge. Man versuche, in persönlichen Gesprächen gegen die „Stimmungsmache“ der Nationalparkgegner zu argumentieren, die Ängste in der Bevölkerung aufgreifen und die Schreckgespenste Borkenkäfer und Betretungsverbot beschwören.
Geduldige Überzeugungsarbeit gefragt
Eine solch geduldige Überzeugungsarbeit muss Jochen Rotfuß in der eigenen Familie leisten. Seine 84-jährige Mutter, eine leidenschaftliche Heidelbeersammlerin, war aus Sorge vor einem Betretungsverbot zunächst prompt gegen einen Nationalpark. Jetzt sei sie, nicht zuletzt aufgrund der massiven Proteste, nachdenklich geworden. Beeren pflücken sei in einem Nationalpark nicht verboten. Ein Wegegebot gebe es heute schon, etwa in Naturschutzgebieten und Bannwäldern, versuchte der 54-jährige Steinmetz seiner Mutter klarzumachen.
Etliche Versuche des Freundeskreises, sich mit der Gegenseite auszutauschen, sind bisher gescheitert. Die Gegner lehnen jegliche Diskussionen ab. Deren Sprecher, der beruflich Kampagnen initiiert, hatte dies im Dezember im Gespräch mit der StZ so begründet: Die Interessengemeinschaft werde sich so lange einem Dialog verweigern, solange es ausschließlich um einen Nationalpark gehe. „Wir reden nur über Alternativen.“
Der Freundeskreis hingegen will den Bürgern die Angst nehmen und sie von den Vorteilen eines Nationalparks überzeugen. Dabei haben Schneider, Rothfuß und ihre Mitstreiter nicht nur einen touristischen Aufschwung im Nordschwarzwald im Blick, sondern auch die Natur und die biologische Vielfalt. Ein Nationalpark, gerade einmal zehn mal zehn Kilometer groß, brächte ein kleines Stück Wildnis zurück, sagen sie.
Prominente unterstützen den Nationalpark
Das sehen auch viele Prominente so, die sich auf der Homepage für einen Nationalpark aussprechen, wie etwa das Bergsteigerehepaar Gerlinde Kaltenbrunner und Rolf Dujmovits, der Kabarettist Christoph Sonntag oder das Baiersbronner Hoteliersehepaar Jutta und Jörg Möhrle. Und die Schauspielerin Ursula Cantieni, bekannt aus der Schwarzwaldserie „Die Fallers“, hat sich gar schon einen Slogan ausgedacht: „Nationalpark Schwarzwald – die Krönung der Weltmarke“.
Faktenprüfung für den geplanten Nationalpark
Die Landesregierung plant einen 10 000 Hektar großen Nationalpark im Nordschwarzwald. 7500 Hektar davon sind Kernzone und bleiben der Natur überlassen, in der umgebenden Managementzone kann eingegriffen und beispielsweise der Borkenkäfer bekämpft werden. Das zuständige Agrarministerium hat jüngst nach einer europaweiten Ausschreibung die Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (Frankfurt) und Ö:Konzept (Freiburg) mit einem Gutachten beauftragt. Sie sollen gezielt anhand der Fragen von Bürgern aus der Region die Folgen eines Nationalparks für Forst-, Holz- und Sägewirtschaft sowie den Tourismus klären. Sieben Arbeitskreise mit 15 bis 25 Mitgliedern begleiten die Arbeit der Gutachter mit ihrem regionalen Sachverstand. akw