Das Kabinett hat den überarbeiteten Entwurf für den Nationalpark Schwarzwald gebilligt. Darin sind erneut etliche Anregungen aus dem Nordschwarzwald aufgenommen worden. Jetzt hat der baden-württembergische Landtag das Wort.

Stuttgart - Es kommt nicht häufig vor, dass die grün-rote Landesregierung die Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht, um die Legitimation eines Prestigeobjektes zu rechtfertigen. Beim Nationalpark Schwarzwald ist das so. Mit der Errichtung des Nationalparks leiste nun auch Baden-Württemberg seinen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und nehme seine Verantwortung für die Schöpfung wahr, betonte der Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag vor der Presse. Damit erfülle das Land zudem einen Teil seiner Verpflichtung zur Erfüllung der Nationalen Biodiversitätsstrategie, zu der sich die Bundeskanzlerin erst jüngst nochmals bekannt hatte.

 

Merkel will, dass sich fünf Prozent der Wälder völlig frei entwickeln können, dass daraus wieder Wildnis wird. „Diese Forderung greifen wir auf“, sagt der Naturschutzminister Alexander (Bonde), rückte allerdings die Dimension zurecht: Mit dem Nationalpark Schwarzwald und seiner Fläche von genau 10 062 Hektar werden nur 0,5 Prozent (bezogen auf die Landesfläche) dieser Forderung erfüllt.

Kabinett billigt Gesetzentwurf zum Nationalpark

Das Kabinett hat jetzt den überarbeiteten Gesetzentwurf gebilligt und zur Beratung im Landtag freigegeben. Die erste Lesung des Gesetzes findet voraussichtlich am 23. Oktober statt. Der Regierungschef lobte den „Beteiligungsprozess, der bundesweit ohne Beispiel ist“ im Vorfeld des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens. „Die Diskussion hat sich gelohnt“, sagte Kretschmann.

So seien im Rahmen des Gutachtens bereits viele Anregungen aus der Region aufgegriffen und eingearbeitet worden. Und bei der Überarbeitung des im Juni vorgelegten ersten Gesetzentwurfs seien neben der Anhörung der Verbände erneut Anregungen der Bürger über das Online-Beteiligungsportal berücksichtigt worden. „Es gibt kein Argument in der Debatte rund um den Nationalpark Schwarzwald, das wir nicht gehört und abgewogen haben“, sagte Bonde. Etliche Vorschläge wurden eingearbeitet, das Nationalparkgesetz trage die Handschrift der Region.

Gebietsveränderungen auf Wunsch von Gemeinden

Eine wesentliche Änderung etwa ist, dass das Gebiet leicht verändert und teilweise in die weniger holzertragreichen Höhenlagen verschoben wurde. Dabei sei man der Holz- und Sägeindustrie ebenso entgegengekommen wie den Kommunen. Im Bereich der Gemeinde Seebach etwa wurde das Gebiet so verschoben, dass die Kommune einen Windkraftstandort entwickeln könne. Zudem sei das bereits vorgesehene Betretungsrecht im Nationalpark für jedermann erweitert worden, so dass nun auch anerkannte Naturschutzvereinigungen Führungen und Wanderungen ohne Genehmigung der Nationalparkverwaltung organisieren können.

Vorsorglich sei auch die paritätische Mitsprache im Nationalparkrat ausgedehnt worden auf jene Gemeinden, die zwar nicht im Nationalpark liegen, auf deren Markung jedoch möglicherweise das geplante Besucherzentrum oder die Nationalparkverwaltung untergebracht werde, betonte Bonde. Die Standorte für die beiden Einrichtungen stehen noch nicht fest, sie zu finden sei auch Aufgabe des künftigen Nationalparkrats. Vorübergehend werde die Verwaltung wohl in einem bestehenden Gebäude untergebracht. Ersten Kostenschätzung nach wird der Bau eines Besucherzentrums auf 17 Millionen Euro beziffert, ein möglicher Verwaltungsneubau auf fünf Millionen Euro, die – wie bei Vorhaben des Landes üblich – aus dem Bauetat finanziert werden sollen. Ein Besucherzentrum sei zum Start eines Nationalparks aber nicht zwingend notwendig, betonte Bonde und verwies auf den erfolgreichen Nationalpark Berchtesgaden, der bereits seit 35 Jahren bestehe. Doch erst im Mai habe Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das neue Besucherzentrum eröffnet. Solange allerdings werde man nicht warten, versicherte Bonde: „Wir wollen eine schnellere Zündung der Stufe zwei.“ Die Konzeption jedoch, wie auch die für die Besucherlenkung, Tourismus und Verkehr, sei Aufgabe des Nationalparkrats.

Finanzierung

Die Finanzierung des Nationalparks ist gesichert. Für die Startphase 2014 sollen 3,9 Millionen Euro, unter anderem für 31,5 neue Personalstellen, aus dem Nachtragsetat bereit gestellt werden. Grün-Rot will für 2015 für einen zweiten Anschub 3,5 Millionen im Nachtrag aufnehmen. Das Personal wird in 2015 um 15, in 2016 um elf Stellen aufgestockt.

3,3 Millionen Euro jährlich steuert der Naturschutzminister Alexander Bonde von 2014 an aus seinem Etat bei. Das sind die Kosten für Personal (31,5 Stellen) und Sachmittel, die bisher im Gebiet des Staatswaldes eingesetzt werden, das nun Nationalpark wird. Dazu kommen von 2016 an jährlich sechs Millionen Euro aus dem Naturschutzetat, den Grün-Rot von 30,4 (2010) bis 2016 schrittweise auf 61,2 Millionen Euro anheben wird. Der Betrieb des Nationalparks kostet 9,3 Millionen jährlich.

Auf
17 Millionen Euro wird ersten Schätzungen zufolge ein Besucherzentrum beziffert, ein möglicher Neubau für die Nationalparkverwaltung soll 5 Millionen Euro kosten. Zuschüsse von Bund und EU sind möglich. Erst aber wird eine Konzeption erarbeitet.

Kritik und Lob

Der Nationalpark ist ein Meilenstein für Naturschutz und Tourismus“, erklärte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Der Weg dorthin sei ein Exempel für gelungene Bürger- und Verbändebeteiligung. Der Nationalpark solle nun zügig im Landtag beraten und möglichst zu Jahresbeginn 2014 per Gesetz errichtet werden. Er lobte die „schlüssige Konzeption und solide Finanzierung“. Lob kommt auch von der Fraktion der Grünen. Deren Vorsitzende Edith Sitzmann sieht im Nationalpark eine „riesige Chance für die Region“, für das Land werde dieser „eine Schatzkammer der Natur.“ Mit der paritätischen Besetzung von Region und Land im Nationalparkrat sei Baden-Württemberg „Pionier in Deutschland: soviel regionale Mitwirkung gibt es sonst nirgends.“

FDP und CDU: Bürgerbefragung wird ignoriert

Die FDP-Landeschefin Birgit Homburger hingegen meint, der Gesetzentwurf zeige, dass die Regierung den Nationalpark gegen den Willen der Bürger vor Ort, aber mit deren Steuergeldern wolle. Auch die CDU-Fraktion haut in diese Kerbe. Gerühmt werde die Bürgerbeteiligung, die ablehnenden Bürgerbefragungen vor Ort jedoch würden ignoriert, erklärte der CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Die Finanzierung des Projekts sei unseriös.

Kritik an Sitzverteilung im Nationalparkrat

„Ich habe mir mehr erhofft“, sagt der Bürgermeister von Baiersbronn, Michael Ruf. Er lobt zwar, dass das Land in einigen Bereichen die Kulisse des Nationalparks verschoben habe, abgerückt sei von den Teilorten Tonbach, Buhlbach und Obertal, und zudem das Gebiet topografisch höher hinauf gelegt habe. Enttäuscht ist Ruf, auf dessen Gemeindegebiet rund 6500 Hektar des gut 10 000 Hektar großen Nationalparks liegen, jedoch über die Sitzverteilung im Nationalparkrat. Baiersbronn kommt wie den anderen Kommunen nur eine Stimme in dem wichtigen Gremium zu. Das kritisiert auch Klaus Michael Rückert (CDU), Landrat des Kreises Freudenstadt. „Unseren Forderungen wurde in diesem Punkt leider nicht entsprochen“, bedauert er. Bei Entscheidungen, die den Kreis und Baiersbronn tangieren, müsste man im paritätisch besetzten 22-köpfigen Gremium auf die „kommunale Solidarität hoffen“.

Der Verein der Gegner „Unser Nordschwarzwald“ bleibt bei seiner Fundamentalopposition. „An unserer ablehnenden Position zur Einrichtung eines Entwicklungsnationalparks hier im Nordschwarzwald hat sich nichts geändert“, sagt der Sprecher Andreas Fischer. „Dieser Gesetzentwurf zeigt, dass die Grün-Rote Landesregierung dem Motto „Täuschen, Ignorieren und Diktieren“ treu gegeblieben ist.“ Fischer kann sich nicht vorstellen, dass sich die Region mit dem Nationalpark abfinden werde.

Bedenken von Forstkammer und Holzindustrie

Geblieben sind die Bedenken von Forstwirtschaft und Waldbesitzern. Die Forstkammer Baden-Württemberg fordert die Einrichtung einer Schiedsstelle als unparteiische Anlaufstelle, sollte es Schadensfälle durch den Borkenkäfer geben. Die Holzindustrie befürchtet Lieferengpässe bei Holz und den Verlust von Arbeitsplätzen.

Der Naturschutzbund Nabu akzeptiere „zähneknirschend“ die Finanzierung aus dem Naturschutzetat und trage den Kompromisse im Gesetzentwurf mit, teilt Nabu-Chef Andre Baumann mit. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz hingegen warnt: „Der Nationalpark droht andere Naturschutzaktivitäten zu kannibalisieren.“