Die Insektengefahr hat man im Schutzgebiet offenbar im Griff - doch für einen hohen Preis.

Freudenstadt - Der „Borkenkäfer-Newsletter“ der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg ist für die Mitarbeiter des Nationalparks Pflichtlektüre. Woche für Woche erhalten sie darin in launigem Tonfall Tipps für die Insektenfront. Was wie Fachsimpelei für Grünröcke klingt, greift ein Thema auf, das im Zentrum der Auseinandersetzung um den Nationalpark stand: Die Frage, wie es gelingt, der Natur im Schutzgebiet freien Lauf zu lassen, ohne dass dies dem angrenzenden Wirtschaftswald schadet.

 

Die Antwort lautet „Pufferzone“. Das ist ein 500 Meter breiter Streifen am Rand, den Förster und Waldarbeiter regelmäßig durchwandern, um von Käfern befallene Bäume zu entdecken, zu fällen und zu entfernen. Damit wird das Übergreifen auf unbelasteten Wald gemindert. Außerdem stellen die Fachleute Fallen mit Lockstoffen auf, um Buchdrucker und Kupferstecher, wie die auf Fichten spezialisierten Borkenkäferarten heißen, zu fangen und die Größe der Population hochzurechnen.

„Glück gehabt!“

Für 2016 geben sie Entwarnung: „Glück gehabt!“, lautet das Fazit der Wissenschaftler in ihrem letzten Newsletter für dieses Jahr. Und das Stuttgarter Umweltministerium bestätigt: 2016 war das Jahr mit der geringsten Menge an befallenen Bäumen seit dem Start des Nationalparks 2015. 493 befallene Bäume mit zusammen 757 Festmeter Holz mussten in der rund 4500 Hektar großen Pufferzone entfernt werden. Das sei „sehr, sehr wenig“, freuen sich die Freiburger. Die Ursache: Die feuchtkalte Witterung im Frühjahr hat den Bäumen gut getan, den Käfern aber geschadet.

Also alles o.k. an dieser Front? Grundsätzlich ja, meinen selbst die Landtags-Liberalen, die heftig gegen den Nationalpark angekämpft haben. Es sei wichtig, die angrenzenden Wälder zu schützen, sagt ihr Agrar- und Forstexperte Friedrich Bullinger. Wenn da nicht die hohen Kosten für diesen Abwehrkampf wären. Fast 578.000 Euro fielen seit 2014 für Sach- und Dienstleistungen im Rahmen der Käferabwehr an, teilte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) dem FDP-Mann mit. Allein die allwettertauglichen Tablet-PCs für die Streifengänger schlugen mit 20.000 Euro zu Buche. Hinzu kommen Ferngläser (3616 Euro), Lockstoff-Ampullen und ähnliches.

Sind 600 000 Euro zu viel?

Das Personal ist jedoch der größte Posten, denn die Kreise lassen sich die Arbeit ihrer Leute im Dienst des Nationalparks vom Land bezahlen. Bullinger leuchten die Ausgaben nicht ein, denn er sieht die Nationalparkverwaltung personell gut ausgestattet: „Obwohl sie über 89 Stellen verfügt, werden beim Borkenkäfer-Management noch externe Dienstleister beauftragt“, sagt der FDP-Mann. Da müsse man die Frage nach mehr Eigenleistung stellen. Fast 600.000 Euro seien jedenfalls „nicht nachvollziehbar“.

Sein CDU-Kollege Patrick Rapp, zu Oppositionszeiten ein exponierter Gegner des Nationalparks, sieht die Sache inzwischen entspannter. „Das Schutzgebiet gibt’s jetzt nun mal, und wenn es gelingt, den Borkenkäfer in Schach zu halten, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht“, sagt der Forstwissenschaftler. Dass diese Maßnahmen 600.000 Euro kosten, hält Rapp zwar für üppig, aber durchaus noch „im Rahmen“. Ein glühender Befürworter des Parks ist er deswegen aber noch lange nicht – auch wenn die Südwest-CDU mittlerweile ihren Frieden damit gemacht hat. Zwar heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Koalitionsparteien bekennen sich zum Nationalpark und arbeiten gemeinsam an seiner Weiterentwicklung.“ Doch der volkswirtschaftliche Nutzen liegt für Rapp nicht auf der Hand.

Vor allem die Folgen für den Tourismus seien „hochgejubelt“ worden, sagt er nüchtern. Die Nachteile habe man klein geredet. Rapp hält es für überfällig, die beiden bislang getrennten Teilgebiete des Parks so schnell wie möglich zu verschmelzen. Ein Tausch von Waldflächen mit anderen Eigentümern macht dies seiner Ansicht nach möglich: „Das muss man jetzt gleich anpacken, damit sich die Zonen parallel entwickeln, nicht erst in zehn Jahren.“ Auch die Frage, ob man Touristen mit einem Wildtiergehege am Rand des Parks anlockt, steht noch unbeantwortet im Raum. „Wir prüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Der springende Punkt ist wie so oft das Geld. „Da muss das Land investieren“, meint Meinrad Schmiederer, Hotelier in Bad Peterstal-Griesbach (Dollenberg) und Erfinder des Tierpark-Projekts.

Warten auf den Tierpark

Ob das Land aber weiteres Geld in die Hand nimmt, muss man angesichts der rasant gestiegenen Kosten bezweifeln. Vor allem das geplante Besucherzentrum auf dem Ruhestein schlägt ins Kontor: Die Kalkulation wurde innerhalb von gut zwei Jahren von 23 Millionen auf 32 Millionen ausgeweitet. Zu Beginn sei der Umfang der Erschließung nicht vollständig bekannt gewesen, lautet Unterstellers Begründung. Die Gesamtbaukosten belaufen ich nun auf 31,93 Millionen – inklusive 3,4 Millionen Euro Risikovorsorge. Hinzu kommen noch drei Millionen für Inneneinrichtung und Dauerausstellung sowie 2,2 Millionen für Parkplätze. Summa summarum macht das 37,13 Millionen Euro. „Das war von Anfang an schöngerechnet“, sagt Bullinger. Und was den Borkenkäfer betrifft, jubeln die Fachleute nur verhalten. Rapp: „Warten wir mal ab, bis käferreiche Jahre kommen.“