Eine Gedenkinitiative erinnert an Zwangsarbeiter in Nürtingen, die während des Nationalsozialismus für örtliche Betriebe wie Sklaven schuften mussten.

Nürtingen - Ungefähr da wo heute die Nürtinger Realschulen sind, stand vor rund 70 Jahren das Lager Mühlwiesen – das mit Abstand größte der insgesamt 17 Lager in Nürtingen, in dem die Nationalsozialisten Zwangsarbeiter vor allem aus Polen, Russland und der Ukraine aber auch aus Westeuropa interniert hatten. Die Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen erinnert jetzt am Denkort vor der Kreuzkirche an das Schicksal dieser ausgebeuteten und misshandelten Menschen.

 

Im Mühlwiesenlager lebten 275 Zwangsarbeiter, wie Manuel Werner von der Gedenkinitiative schreibt. Die meisten von ihnen mussten für die Firma Heller arbeiten. „Morgens trieb man sie als Kolonne durch die Stadt zur Firma und abends wieder zurück. Das Schlurfen ihrer Holzschuhe haben manche Nürtinger noch im Ohr“, berichtet Manuel Werner.

Schläge, sexuelle Ausbeutung, katastrophale Zustände

Gestützt auf das Buch „Nürtingen 1918-1950“ von Steffen Seischab beschreibt er das Leben im Lager als „Schreckensregiment“ mit „zum Teil völlig katastrophalen Zuständen“. Die Frauen und Männer in dem Lager waren der Willkür der Wachmannschaft ausgesetzt. Die damals „Fremdarbeiter“ genannten Ausgebeuteten wurden als „Saurussen“ beschimpft. Manuel Werner beschreibt, wie der Wachmann Friedrich Trost beim Essenfassen mit einem Ochsenziemer auf Zwangsarbeiter einschlug. „Auch Mädchen wurden hemmungslos und brutal zusammengeschlagen“, so Manuel Werner.

Die jungen weiblichen „Ostarbeiter“ sahen sich auch sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Der Lagerkommandant Alfons Hirsch habe ihnen Schläge angedroht oder Kleidung – auch Unterwäsche – verweigert. „Wer dagegen bereit war, ihm – im umfassendsten Sinne – zu Diensten zu sein, konnte mit einer Vorzugsbehandlung rechnen.“

Auf dem Alten Friedhof in Nürtingen gibt es Gräber von Zwangsarbeitern. Seit dreieinhalb Jahren kennzeichnen Tafeln mit Namen und Daten der hier Beerdigten die ehemals „Russengräber“ genannten Ruhestätten.

Mehr Infos zu der Gedenkinitiative gibt’s hier: www.ns-opfer-nt.jimdo.com