Noch belässt es der US-Präsident beim Schimpfen und Drohen auf dem Nato-Gipfel. Die Europäer sind aber gut beraten, sich nicht zu sehr auf Amerika zu verlassen, meint der Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Donald Trump wird immer mehr zu einem Sicherheitsproblem für Europa. Der US-Präsident stellt mit der Nato das Verteidigungsbündnis infrage, das für die Europäer existenziell wichtig ist. Zunächst war es 40 Jahre Garant von Sicherheit für Westeuropa, dann hat es den Zerfall des Warschauer Paktes überdauert. Inzwischen gewährt es den mehr als 500 Millionen Europäern vom Baltikum bis nach Portugal Schutz gegen ein spätestens seit 2014 aggressiv auftretendes Russland. Die Bedrohungen sind vielfältig. Da sind die Großmachtgelüste von Wladimir Putin, der nicht vor militärischen Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn und der Annexion fremder Territorien zurück schreckt. Da sind aber auch der islamistische Terror und die Banden des „Islamischen Staates“, die vor der Haustür Europas kämpfen. Zudem gibt es im direkten Umfeld destabilisierte Staaten. Eine unangenehme Aussicht.

 

In der Handelspolitik, beim Klimaabkommen und beim Iran-Abkommen polterte Trump nicht nur, da hat er bereits gehandelt und großen Schaden angerichtet. In der Nato hingegen ist bisher vor allem der Umgangston eine Belastung. Trump droht, intrigiert, spielt sich auf. Er schlägt permanent auf Deutschland ein. Dabei bedient er sich Instrumente, die in die Kategorie von hybrider Kriegsführung fallen: Er verdreht die Tatsachen, wenn er etwa sagt, die Zuwanderung habe die Kriminalität in Deutschland „weit nach oben“ getrieben.

Keil zwischen Deutschland und seinen Nachbarn

Er verwendet falsche Zahlen, wenn er behauptet, Deutschland würde 70 Prozent seiner Energie aus Russland beziehen. Er betreibt das Geschäft, das man sonst nur von Diktaturen kennt. Denn er versucht, die Bundesregierung zu destabilisieren. Zudem geht es ihm darum, die Europäer gegeneinander auszuspielen. Mit seiner Kritik an der Gaspipeline durch die Ostsee will er einen Keil zwischen Deutschland und seine Nachbarn treiben.

Wie realistisch seine Drohungen sind, ist schwer einzuschätzen. Bislang zeigt er eine Janusköpfigkeit, was das Bündnis angeht. Mal poltert er, mal lobt er. Tatsächlich haben die USA in seiner Regierungszeit aber Europa militärisch nicht im Stich gelassen. Im Gegenteil: Die USA haben unter Trump mehr Soldaten nach Europa geschickt als unter Obama. Und er trägt das Nato-Kommuniqué mit, das nicht seine aufgeregte Sprache spricht. Trump steht vorerst zu dem Papier, das auch an der bisherigen Linie des Bündnisses gegenüber Putin festhält. Es verurteilt die Annexion der Krim durch Russland. Wichtig ist nun, ob sich Trump daran auch bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten am Montag in Helsinki hält. Schlösse er einen Deal mit Putin und gäbe seinen Segen zur Krim-Annexion, wäre die Nato schwer beschädigt, wenn nicht sogar erledigt.

Merkel bietet Trump die Stirn

Und Deutschland? Angela Merkel hat Trump auf dem Gipfel die Stirn geboten. Sie hat richtig gestellt, dass Deutschland kein „Gefangener“ Moskaus ist. Bei den Verteidigungsausgaben kann sie sich nicht erpressen lassen. Seine Forderung sofort die „zwei Prozent“ zu liefern, wird sie nicht erfüllen. Deutschland ist allerdings gut beraten, mehr für Verteidigung auszugeben und nicht erst 2024 bei 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu landen. Nicht, um den America-first-Politiker im Weißen Haus endlich ruhig zu stellen. Aber Deutschland sollte sich aus eigener Überzeugung die Sicherheit seiner Bürger mehr kosten lassen.

Die Bundeswehr ist den Herausforderungen in dieser schwierigen Zeit nicht gewachsen. Das Gegenargument, Polen und Frankreich würde eine deutsche Aufrüstung misstrauisch machen, überzeugt nicht. Niemand hält Deutschland für eine aggressive Macht. Merkel hat Recht: Die Zeiten, in denen sich die Europäer auf andere verlassen konnten, sind vorbei. Es ist endgültig Zeit, dass Europa sein Schicksal selbst in die Hand nimmt.