Mit mehr Truppen und hoher Einsatzbereitschaft will die Nato auf die neue Gefahrenlage reagieren. Auslöser ist Russlands Aggression in der Ukraine. Hinter den Kulissen wird fieberhaft um die strategische Neuaufstellung der Nato gerungen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn die Staats- und Regierungschefs der Nato sich am kommenden Freitag und Samstag im walisischen Newport treffen, geht es um mehr als nur ein klares Signal an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Tatsächlich werden die Bündnisstaaten sich nicht nur auf eine Bewertung des aggressiven militärischen Vorgehens in der Ukraine beschränken. Hinter den Kulissen wird fieberhaft um die strategische Neuaufstellung der Nato gerungen. Sie muss der Tatsache Rechnung tragen, dass Russland 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr als Partner agiert, sondern wieder zu einer Bedrohung für den Westen, vor allem für Europa, geworden ist.

 

Zwar wollte das Bundespresseamt einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) am Sonntag weder bestätigen noch dementieren, wonach die Nato-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten sich bereits auf einen 20 Seiten langen „Readiness-Action-Plan“ geeinigt hätten, der die Einsatzbereitschaft der Allianz in Osteuropa massiv verbessern soll. Allerdings wirbt der scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen seit Wochen immer konkreter werdend für eine derartige Neuaufstellung. Dem Vernehmen nach gibt es einen solchen Plan – aber noch keine Verständigung im Vorfeld des Gipfels.

Nato setzt auf neue schnelle Eingreiftruppe

Deshalb sind die Einzelheiten auch mit Vorsicht zu genießen. Dem Bericht der FAS zufolge, die sich auf hochrangige Nato-Quellen beruft, will die Allianz fünf multinationale Stützpunkte für Aufklärung, Logistik und Einsatzplanung in Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien schaffen. Dort sollen jeweils ständig 300 bis 600 Mann stationiert werden, die Manöver und Einsätze planen, koordinieren und führen können. Zudem wird daran gedacht, auf unbefristet Zeit kleinere Kampfverbände in den fünf Ländern vorzuhalten, deren Truppen per Rotation von wechselnden Partnerländern zur Verfügung gestellt werden würden.

Kern einer neuen Reaktionsfähigkeit gegenüber Russland als potenziellem Aggressor soll angeblich eine etwa 4000 Mann starke und extrem schnelle Eingreiftruppe werden, die sich in den Mitgliedstaaten bereithalten soll. Sie soll im Ernstfall erheblich rascher einsatzbereit sein als die bereits bestehende Eingreiftruppe der Nato (Nato Response Force, NRF) mit 25 000 Soldaten, die innerhalb von fünf bis 30 Tagen überall auf dem Globus einsatzfähig sein soll. Die Eingreiftruppe für Osteuropa soll in zwei bis sieben Tagen vor Ort sein können – und sie würde wohl deutlich länger durchhaltefähig sein müssen als 30 Tage, was als Richtgröße für NRF-Missionen vereinbart ist.

Beschlüsse werden erst vom Gipfel erwartet

Umstritten scheint innerhalb der Nato nach wie vor, ob die bestehenden Grundlagenverträge des Bündnisses mit Russland aufgekündigt werden sollen oder nicht. Sie sichern Russland zu, dass das westliche Bündnis in seinen Mitgliedsländern im Osten Europas nicht dauerhaft Truppen stationiert. Die genannten Planungen könnten wohl so realisiert werden, dass die bestehenden Verträge eingehalten würden.

Allerdings sind damit nicht alle 28 Nato-Staaten einverstanden; einige wünschen sich ein härteres Vorgehen. Davon künden Berichte über eine angebliche Initiative des britischen Premierministers David Cameron, der Gastgeber des Nato-Gipfels ist. Laut der „Financial Times“ will Cameron bis zu sieben Ländern eine 10 000 Soldaten umfassende Eingreiftruppe für Osteuropa schaffen, die unter britischem Kommando agieren würde und sowohl Luft- und Land- als auch Seestreitkräfte umfassen könnte. Die britische Regierung bestätigte den Bericht nicht. Angeblich sollen sich neben Großbritannien die baltischen Staaten, Norwegen, Holland, Dänemark und eventuell Kanada beteiligen. Beschlüsse werden, so die Erwartung, erst beim Gipfel gefasst.