„Air Defender 2023“ soll die größte Luftoperationsübung seit Bestehen der Nato werden. 24 Nationen mit bis zu 220 Flugzeugen und 10 000 Soldaten sind beteiligt. Die Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt sind regional erheblich.
Auch ohne neue Streiks stellt sich der deutsche Luftverkehr auf schwierige Zeiten ein: Im Westen verknappen die streikfreudigen französischen Lotsen die Routen, während im Osten der russische Angriffskrieg in der Ukraine weiterhin für geringere Kapazitäten an der Nato-Grenze sorgt.
Belastungsprobe für den deutschen Luftraum
Der ohnehin schon hoch belastete deutsche Luftraum wird zudem vom 12. bis zum 23. Juni Schauplatz der größten Luftwaffenübung seit Ende des Kalten Kriegs. Bis zu 220 Flugzeuge aus 24 Nationen nehmen laut Bundeswehr am Manöver „Air Defender 2023“ teil, in dem unter anderem die Verlegung von Truppen aus den USA nach Europa geübt wird.
Was ist „Air Defender 2023“?
„Air Defender 2023“ ist laut Bundeswehr ein multinationales Übungsszenario der Nato-Länder für Luftoperationen verbündeter Luftstreitkräfte. Ziel ist es, die Kooperation der teilnehmenden Nationen zu verbessern, auszuweiten und die Stärke des Bündnisses nach innen und außen zu demonstrieren. „Dabei handelt es sich um die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato“, sagt ein Sprecher der Luftwaffe.
Nach Angaben der Luftwaffe handelt es sich bei dem Manöver um eine „rein defensiv ausgerichtete Übung, die bereits seit 2021 geplant und vorbereitet wird“. Die Dimension sei nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht ausgeweitet worden.
Was bezweckt die Nato mit „Air Defender 2023“?
Das Szenario ist einem Artikel-5-Beistandsszenario – der sogenannte Bündnisfall – nachempfunden. Das bedeutet: Der Bündnisfall beschreibt eine strategische Lage, in der eine von einem der jetzt 31 Nato-Mitgliedsstaaten aufgrund eines militärischen Beistandsvertrages eingegangene Verpflichtung wirksam wird.
Diese besteht darin, in einen Krieg einzutreten, den der jeweilige Bündnispartner führt, bzw. einen Krieg zum Schutze dieses Partners zu beginnen.
Eine solche Möglichkeit der sogenannten kollektiven Verteidigung (Recht auf Selbstverteidigung) wird in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen explizit vorgesehen, bis der UN-Sicherheitsrat angemessene Maßnahmen trifft.
Was wird bei „Air Defender 2023“ geübt?
Die an „Air Defender 2023“ teilnehmenden 24 Partner-Streitkräfte üben die gemeinsame Reaktionsfähigkeit ihrer Luftstreitkräfte bei einer Krisensituation. Deutschland übernimmt die Rolle eines Verteidigungsknotenpunkts innerhalb Europas.
Während der zwei Wochen dauernden Übung verlegt die US United States Air National Guard 100 Flugzeuge nach Europa. Dort üben die 24 Nationen gemeinsame Luftoperationen in drei Lufträumen über Deutschland.
Wo befinden sich die Luftübungsräume?
Die teilnehmenden Nationen werden hauptsächlich Einsätze von den Standorten aus starten:
· Jagel/Hohn (Schleswig-Holstein)
· Wunstorf (Niedersachsen)
· Lechfeld (Bayern)
· Spangdahlem (Rheinland-Pfalz)
· Volkel (Niederlanden)
· Čáslav (Tschechische Republik)
Wo befinden sich die Drehkreuze von „Air Defender 2023“?
Die drei Hauptdrehkreuze während „Air Defender 2023“ sind Jagel-Hohn, Wunstorf und Lechfel d. Die Übungen werden hauptsächlich in drei Flugkorridoren über Deutschland durchgeführt:
Süden: südliches und südwestliches Baden-Württemberg
Norden: südliches Schleswig-Holstein, Hamburg, nordwestliches Niedersachsen
Osten: gesamter Osten der neuen Bundesländer, Berlin
Inwieweit ist der zivile Luftverkehr beeinträchtigt?
In einer Bekanntmachung heißt es: „Für die militärische Übung ‚Air Defender 2023‘ werden in den Fluginformationsgebieten Langen, Bremen und München sowie den oberen Fluginformationsgebieten Hannover und Rhein vorübergehend Gebiete mit Flugbeschränkungen und Gefahrengebiete festgelegt.“
Für die Militär-Jets werden große Lufträume über Bayern (Flughafen München, MUC), Rheinland-Pfalz, Hessen (Flughafen Frankfurt am Main, FRA), Niedersachsen (Hannover Airport, HAI), Hamburg-Fuhlsbüttel (HAM) und Airport Berlin (BER) reserviert. Beim Stuttgarter Flughafen (STR) rechnet man mit eher geringen Beeinträchtigungen, weil der Airport außerhalb der südlichen Flugkorridore von „Air Defender 2023“ liegt.
Ist mit längeren Flug- und Wartezeiten zu rechnen?
Ja. Dem zivilen Flugverkehr steht weniger Raum zur Verfügung. „Unsere zivilen Kunden müssen also mit verlängerten Flugwegen und voraussichtlich erheblichem Delay (englisch für: Verzögerung) rechnen“, schreibt die Deutsche Flugsicherung (DFS) mit Sitz in Langen (Kreis Offenbach).
Während der Operation werden die Militärflugzeuge nicht von der DFS überwacht. Allerdings müssen die Fluglotsen den gesamten militärischen und zivilen Luftverkehr koordinieren. Die Auswirkungen für Passagiermaschinen seien den Simulationen zufolge „erheblich“, teilte eine DFS-Sprecherin mit.
Info: „Air Defender 2023“
Welche Nato-Länder nehmen an „Air Defender 23“ teil?
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA, Vereinigtes Königreich.
Wie viele Soldaten und Flugzeuge nehmen teil?
An der Übung nehmen bis zu 10 000 Soldaten teil. Unter den 210 bis 220 beteiligten Flugzeugen befinden sich 23 verschiedene Flugzeugtypen. 100 Flugzeuge kommen aus 35 US-Bundesstaaten und werden nach Europa verlegt. Sie sind Teil der U. S. Air National Guard.
Was ist die U. S. Air National Guard?
Die 1903 gegründete Nationalgarde der Vereinigten Staaten (englisch: United States National Guard, kurz: National Guard, USNG) ist als Nationalgarde eine Miliz der föderalen Teilstaaten, die von den einzelnen Bundesstaaten sowie dem Bundesdistrikt und einigen Außengebieten der Vereinigten Staaten aufgeboten werden. Zusätzlich ist sie eine Komponente der militärischen Reserve der Streitkräfte der Vereinigten Staaten und der Luftwaffe (U. S. Air Force/U. S. Air National Guard).