Das Naturfreibad ist erneut wegen Pseudomonaden geschlossen. Diesmal, obwohl der gesetzliche Grenzwert nicht erreicht war. Die Ursachen des Befalls bei vergleichsweise wenigen Besuchern und kühlem Wetter gelten als Rätsel.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Thomas Deines formuliert es deutlich: „Die Planung war offensichtlich Murks, es nervt und ärgert mich zutiefst“. Der Fraktionschef der Freien Wähler spricht vom Herrenberger Naturfreibad. Am Samstag hatte die Stadtverwaltung die Mitteilung verschickt, dass das Bad geschlossen werden müsse – wieder einmal und wieder wegen Pseudomonaden im Wasser, fachlich vollständig: wegen des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa. „Wir haben irgendwie ein Montagsbad erwischt“, meint Jörn Gutbier, der Fraktionschef der Grünen.

 

An einem Freitag im Mai 2015 hatte Oberbürgermeister Thomas Sprißler das Bad mit einem Sprung vom Fünf-Meter-Turm eröffnet. Es war kühl. Die meisten Eröffnungsgäste trugen Jacken. Vor dem Wasser waren 5,7 Millionen Euro in das Bad geflossen, 1,3 Millionen mehr als zuerst veranschlagt. Dennoch hatten sich im Gemeinderat nur drei Hände gegen die Ausgabe gehoben. Dass die Wahl auf ein Naturfreibad fiel, nicht auf eines mit Chlorwasser, war dem ökologischen Geist geschuldet, außerdem dem Wunsch nach einem Alleinstellungsmerkmal.

Drei Monate nach der Eröffnung wurde der Betrieb erstmals eingestellt

Tatsächlich wurden Spott und Häme zu Hauptmerkmalen. Drei Monate nach der Eröffnung wurde der Betrieb erstmals eingestellt, für eine Woche. Die Badesaison 2016 wurde gar vorzeitig beendet. Die Firmen Polyplan und Wasserwerkstatt hatten das Bad geplant und gebaut. Dreimal besserten sie nach. Der Erfolg waren neue Schließungen. Die Geschäftsführer Stefan Bruns und Claus Schmitt wurden zeitweise zu den unbeliebtesten Gästen im Ratssaal. „Die beiden wissen, dass ich ziemlich sauer bin“, sagte Sprißler. „Dies ist ihre letzte Chance.“ Das war im Oktober 2016.

Die Stadt hatte mit einer Schadenersatzklage gedroht. Die Firmen besserten nochmals nach, diesmal umfangreich. Der gesamte natürliche Wasserfilter wurden ausgetauscht. Einige Tage der Schließung während der Hitzewelle 2018 galten danach als Ausrutscher. Eine Reinigung des Beckens löste das Bakterienproblem.

Die aktuelle Schließung war nur eine Vorsichtsmaßnahme

Warum sich bei den aktuellen Temperaturen und wenigen Badegästen neuerlich Keime vermehren, ist unklar. „Es bedarf intensiver Untersuchungen“, sagt Karsten Kühn, der Leiter der Stadtwerke, „es gibt viele Kleinigkeiten, die Einfluss haben können“. Wegen der geringen Zahl der Badegäste wird weniger Frischwasser zugeleitet als üblich. Zudem liefen die Umwälzpumpen im Sparbetrieb. „Im Moment fahren wir auf Volllast“, sagt Kühn. Womöglich erledigt sich das Problem damit bereits. Die Schließung war ohnehin nur eine Vorsichtsmaßnahme, der gesetzliche Grenzwert längst nicht erreicht.

Die Debatte über Sinn oder Unsinn des Naturprinzips hat trotzdem begonnen. Swen Menzel, der Kopf der Herrenberger CDU, hat schriftlich verbreiten lassen, dass eine Umrüstung auf Chlorbetrieb erwogen werden müsse. Dies hatten die Christdemokraten bereits 2016 gefordert. Die Kosten waren damals auf rund zwei Millionen Euro geschätzt. „Wir werden darüber sicher wieder diskutieren“, meint der Sozialdemokrat Bodo Philipsen, hält die Ausgabe aber für zu hoch. Gutbier urteilt deutlicher: „Ein Umbau wäre völliger Blödsinn.“ Auch Deines zweifelt trotz allen Ärgers nicht daran, „dass man ein Naturfreibad sicher betreiben kann“.

In Neckargemünd war die Leidensgeschichte weit länger

„Ich klopfe auf Holz“, sagt Petra Polte. Sie arbeitet als Pressesprecherin im Rathaus Neckargemünd. Die 13 000-Einwohner-Stadt nahe Heidelberg hat mit ihrem Naturfreibad eine weit längere Leidensgeschichte hinter sich als Herrenberg. Zahlreiche Nachbesserungsversuche waren mal mehr, meist minder erfolgreich.

Bemerkenswerterweise gilt in Neckargemünd diejenige als Retter, die in Herrenberg den Sünderstempel trägt: die Firma Polyplan. Seit drei Jahren musste das Naturfreibad keinen Tag mehr schließen. Den endgültigen Durchbruch brachten laut Polte keine technischen Umrüstungen, sondern eine eher natürliche Methode: „Wir spülen vor der Saison jetzt immer die Leitungen durch, das hilft“.