Naturgarten in Kirchheim-Ötlingen Warum der Garten der Familie Senn preisverdächtig ist

Paula, Matthias, Daniela und Luisa Senn (von links) fühlen sich sehr wohl in ihrem Naturgarten. Foto: Karin Ait Atmane

Die Familie Senn in Kirchheim-Ötlingen lässt der Natur rund um ihr Haus viel Platz. Für den Wettbewerb „Deutschland summt“ hat sie die Verwandlung ihres Hausgartens in einen Naturgarten dokumentiert.

Es ist kaum zu glauben, wie sich die knapp 500 Quadratmeter Fläche rund um das Haus von Daniela und Matthias Senn in zwei Jahren entwickelt haben. Wo einst Waschbetonplatten lagen, findet man heute ein Gemüsebeet, Beerensträucher, den Komposthaufen und einen Totholzzaun. Die Holzterrasse an dem Haus in Kirchheim-Ötlingen ist kleiner als ihre steinerne Vorgängerin, unter ihr ist eine Regenwasserzisterne vergraben.

 

Deren Aushub trägt als kleiner, mit Stauden bewachsener Hügel dazu bei, den Garten in verschiedene Zonen zu unterteilen. So haben Paula (5) und Luisa (3) einen eigenen Spielbereich. Sie buddeln in der Sandgrube, kochen auf ihrem Herd aus Holzscheiben oder im ausgehöhlten Baumstumpf. Auf einem abgesägten Baumstamm können sie balancieren, daneben liegt die Matschecke mit Erde und Steinen. Die ist allerdings gerade bewohnt, an den Löchern sieht man, dass Erdbienen eingezogen sind. Dabei gäbe es an anderer Stelle ein Sandarium, das die Familie extra für die Insekten angelegt hat. Jetzt muss sie sie nur noch davon überzeugen, dass es dort genauso schön ist.

Der Blühstreifen wird nur ein- bis zwei Mal im Jahr gemäht

Für Paula und Luisa ist das ohnehin kein Problem, sie freuen sich an allen Tieren. Kürzlich hätten sie tagelang Hunderte von frisch geschlüpften Mini-Spinnen beobachtet, erzählt Daniela Senn. Paula liebt Schmetterlinge besonders, Luisa Schnecken und Feuerwanzen. Den Rasen in der Spielecke der Kinder halten die Senns kurz, damit er gut nutzbar ist. Der Garten solle schließlich allen Freude machen und nicht dogmatisch den Regeln eines Naturgartens folgen, findet Daniela Senn.

Der Blühstreifen zwischen Haus und Gehweg, an dessen niedrigem Zaun ein Transparent kundtut, dass die Familie beim Naturgartenwettbewerb „Deutschland summt“ mitmacht, wird dagegen nur ein- bis zwei Mal im Jahr gemäht. Im Frühsommer, wenn es besonders üppig blüht, sorgt er für zahlreiche Gespräche und viel Anerkennung von Passanten und Nachbarn.

Manche entdeckten hier Blumen aus ihrer Kindheit wieder, erzählt Daniela Senn. Da wächst zum Beispiel der Natternkopf, die Lieblingsspeise zahlreicher Schmetterlinge und anderer Insekten, ebenso wie Margeriten, Kathäusernelken oder Nickendes Leinkraut.

Früher war diese Vorgartenfläche auf der Ostseite des Hauses ein Rasen mit Kirschlorbeersträuchern. Daniela und Matthias Senn haben sie zu Beginn ihres Gartenprojekts ausbaggern und eine 30 Zentimeter dicke Lage Schotter auffüllen lassen. Ob das ein Parkplatz werden solle, wurden sie damals gefragt. Tatsächlich ist der Schotter der Untergrund für die Magerwiese. „Da sind alle Leute komplett verwundert, dass das auf dem schlechten Boden wächst“, sagt Daniela Senn. „Eigentlich ist das Magere der Trick an der ganzen Sache.“

In einem Naturgarten wächst nicht alles schön arrangiert

Das Bild des Blühstreifens ändert sich nicht nur mit der Jahreszeit, sondern je nach Jahr und Witterung. Der Mohn zum Beispiel, vor zwei Jahren in der ausgesäten Blühmischung enthalten, fehlte im vergangenen Jahr und ist nun wieder aufgetaucht. Manche Pflanzen kommen auch im restlichen Garten von alleine – etwa der Farn, der sich am Fußweg auf der schattigen Seite des Hauses angesiedelt hat.

Hinter ihm zieht sich ein Streifen mit Schattenstauden wie Lerchensporn, Nachtviole oder Baldrian entlang. „Das ist mit die schönste Ecke“, findet Daniela Senn. Auf den Tuffsteinen, die an der Terrasse liegen, wachsen ein minikleiner Farn und Zimbelkraut. Letzteres „gibt’s auch auf der Alb an Felsen“, hat Matthias Senn beobachtet.

Welche Pflanzen sich am Ende behaupten, sei „immer ein bisschen eine Überraschung“, stellt er fest. In einem Naturgarten wachse eben nicht alles schön arrangiert und nach Plan, dafür müsse man offen sein. Er und seine Frau unterstützen manche Pflanzen, dämmen andere etwas ein. Und vieles lassen sie einfach werden. „Ich glaube, in Privatgärten liegt ein enormes Potenzial“, sagt Daniela Senn. „Wenn jeder nur eine kleine Ecke so hätte …“ Dafür will die Familie auch mit ihrer Teilnahme am bundesweiten Pflanzwettbewerb „Deutschland summt“ werben. Sie musste dafür die Verwandlung ihres Gartens ausführlich dokumentieren – eine Menge Arbeit, aber gleichzeitig Motivation, diesen Weg weiterzugehen. Darüber dürften sich auch die tierischen Gartenbewohner freuen. Im Herbst fallen die bunten Distelfinken über die wilden Karden her. Neben den Insekten und Vögeln kommen oft Igel vorbei. Molche und Blindschleichen fühlen sich in den Stein- und Totholzhaufen wohl. „Die waren nicht schon immer da“, sagt Daniela Senn. „Als wir hier eingezogen sind, gab’s wenig Getier.“

Um die Wette pflanzen

Pflanzwettbewerb
Den Wettbewerb „Deutschland summt“ gibt es seit 2016. Er läuft von April bis Ende Juli, im September werden die Preise verliehen. Es gibt neun Kategorien, vom Balkongarten hin bis zur kommunalen Blühfläche.

Tipps
Unterstützung bekam die Familie Senn bei einem Rundgang mit einer Vertreterin des Naturschutzbundes (Nabu). Außerdem half ihr das Buch „Natur für jeden Garten“ von Reinhard Witt. Die Dokumentation der Umgestaltung mit zahlreichen Vorher-Nachher-Fotos, Pflanzlisten und Hinweisen auf verwendete Samenmischungen, findet man auf: https://wettbewerb.wir-tun-was-fuer-bienen.de/

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