Der Hurrikan Ian geht als einer der schwersten Stürme in die Geschichte der USA ein. Während in Florida das Ausmaß des Schadens sichtbar wird, trifft Ian zum zweiten Mal auf Land.

Der Sheriff von Lee County, Carmine Marceno, kann das Ausmaß der Zerstörung im Rentner- und Urlauberparadies von Fort Myers kaum in Worte fassen. Zerstörte Häuser, wie Streichhölzer abgeknickte Palmen, Boote, die verkeilt auf der Straße liegen, abgerissene Stromleitungen und überall Unrat. Hunderte könnten ihr Leben verloren haben, spekuliert der überwältigte Sheriff angesichts der Schäden, die Hurrikan Ian angerichtet hat.

 

Der Wirbelsturm war mit Geschwindigkeiten von bis zu 240 Kilometern pro Stunde unweit der dicht besiedelten Region im Südwesten Floridas auf Land getroffen, bevor er langsam über die Halbinsel in den Atlantik zog und dort am Freitag die Küste von South Carolina ins Visier nahm.

US-Präsident Biden hat den Notstand ausgerufen

Niemand kann zu diesem Zeitpunkt mit Gewissheit sagen, wie viele Menschen Ian auf dem Gewissen hat. Das wird erst nach Abschluss der Such- und Rettungsmissionen möglich sein, an der sich unter anderen 28 Helikopter der US-Küstenwache beteiligen. Die Katastrophenschutz-Organisation Fema rettete bis Freitag mehr als 700 Menschen, die während des Hurrikans in Not geraten waren. Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, betonte, bisher seien nur wenige Tote bestätigt. Die Zahl könne aber steigen. Davon geht auch US-Präsident Joe Biden aus, der den Notstand ausgerufen hat und Florida alle erdenkliche Hilfe der US-Regierung zusicherte. Biden sprach von „einem erheblichen Verlust an Menschenleben“.

Egal wie viele Opfer es am Ende zu beklagen gebe, sei jetzt schon klar, dass der Schaden, den Ian angerichtet habe, „historisch“ sei, meint Gouverneur DeSantis. „Der Wiederaufbau wird Jahre in Anspruch nehmen.“ Dazu gehört auch die Landverbindung zu den Urlauberinseln Sanibel und Captiva mit ihren Luxusimmobilien, die der Hurrikan unterbrochen hat.

Der Sturm verursacht massive Überschwemmungen

Teams der Stromversorger arbeiten unter Hochdruck daran, abgerissene Leitungen zu reparieren. Mehr als 2,5 Millionen Menschen hatten weiterhin keinen Strom, auch die Mobilfunkdienste funktionierten nicht.

Als problematisch erweist sich das langsame Tempo, mit dem sich das mehr als 200 Kilometer breite Wettersystem bewegt. In der Folge kam sehr viel mehr Regen vom Himmel als bei schnelleren Hurrikans. Das verursachte massive Überschwemmungen nicht nur an der Küste, sondern auch im Inland von Florida.

Der Gouverneur von South Carolina, Henry McMaster, riet den Bewohnern der Küstenregion, sich in höhere gelegene Gebiet zu begeben. Während US-Präsident Biden auch für den südlichen Bundesstaat den Notstand ausrief, erteilte der Republikaner keinen Evakuierungsbefehl. Hurrikan Ian hatte sich auf seinem Weg gen Norden über Florida zunächst zu einem tropischen Sturm abgeschwächt, bevor er über dem Atlantik wieder zu einem Hurrikan der Kategorie eins anwuchs.

Vor kurzem war Ian noch ein einfacher Tropensturm

Die größte Sorge an der von Marschen gesäumten Küste South Carolinas sind nicht die Windböen mit Spitzen bis zu 135 Kilometern pro Stunde, sondern die Sturmfluten, die den Meeresspiegel um bis zu zwei Meter steigen lassen. Abhängig von den Gezeiten könnte dies zu erheblichen Überschwemmungen führen. Viele Einwohner von Charleston, das auf einer Halbinsel liegt, haben die historische Stadt verlassen.

Der Klimaforscher Karthik Balaguru vom Pacific Northwest National Laboratory sagte der Zeitung „Washington Post“, die „Hurrikan-Beschleunigungsraten“ nähmen zu. Hurrikan Ian sei ein Musterbeispiel dafür. Zwei Tage vor dem Eintreffen im Südwesten von Florida war Ian noch ein einfacher Tropensturm mit Windspitzen von 120 Kilometern pro Stunde, der dann rapide zu einem Kategorie-Vier-Hurrikan mit doppelter Geschwindigkeit anwuchs. „Das bereitet uns Sorgen“, sagte der Klimaforscher.

Hurrikane haben sich verändert

Klimawandel
  US-Klimawissenschaftler weisen auf ein neues Muster bei den Wirbelstürmen hin, das sich bei 16 der zwanzig Hurrikane der vergangenen beiden Jahre beobachten ließe.

Regenmengen
Die Wirbelstürme beschleunigen sich dramatisch in den Stunden vor dem Landfall über den von der Erderwärmung aufgeheizten Meeren. Dann ziehen sie sehr langsam übers Festland – und verteilen dabei große Regenmengen.