In Europa ist das Jahr 2022 im Hinblick auf Naturkatastrophen relativ glimpflich verlaufen. Global aber wurden 255 Milliarden Euro an Werten vernichtet. Das lässt die Versicherungsprämien steigen.

Wetterbedingte Naturkatastrophen sind ein Spiegel des Klimawandels. Das belegt die jährliche Bilanz des Versicherungsriesen Munich Re über die Schäden aus Überschwemmungen, Stürmen und anderen Naturgewalten. Diese haben 2022 im globalen Maßstab Werte von 255 Milliarden Euro vernichtet. Ein Drittel ging auf das Konto von US-Hurrikan Ian.

 

Gegenüber 2021 mit über 300 Milliarden Euro Gesamtschäden brachte das Vorjahr zwar einen Rückgang. Aber die Schadensbilanz 2022 entspricht dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre und ist somit kein Indiz für eine Entwarnung. Zudem blieb das Ausmaß versicherter Schäden mit 113 Milliarden Euro gegenüber 2021 hoch. „Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut“, sagt Munich-Re-Vorstand Thomas Blunck.

In den USA sind Naturereignisse meist intensiver als in Europa

2022 sei dominiert von solchen Ereignissen, die nach dem Stand der Forschung stärker oder häufiger werden, manche auch beides, warnt der Versicherungsmanager. Warum unsere Breitengrade dabei traditionell glimpflicher davonkommen als etwa die der USA, erklärt Munich-Re-Chefklimatologe Ernst Rauch. „In Europa erreichen Naturereignisse an Größe und Intensität nicht diejenigen in Nordamerika. Die Wertekonzentration dort ist vergleichsweise höher und das bei zugleich leichterer Bauweise.“

Dass Klima und Natur dennoch auch vor unserer Haustür aus den Fugen geraten können und was dann passieren kann, haben die Sturzfluten im Ahrtal 2021 gezeigt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich Ähnliches wiederhole, so Rauch.

2022 war ein durchschnittliches Schadensjahr

Über acht Milliarden Euro hat die Versicherungswirtschaft für die Katastrophe im Ahrtal bezahlen müssen – und es könnte noch schlimmer kommen. „Wir sind definitiv auf mehr vorbereitet“, sagt Rauch. Dennoch blieb 2022 für Deutschland ein eher durchschnittliches Schadensjahr mit vernichteten Werten durch Stürme, Hagel und Starkregen im Umfang von rund 4,3 Milliarden Euro. Einen Monsterhurrikan wie Ian in den USA werde es in Europa absehbar allerdings nicht geben. Der bis zu 250 Kilometer pro Stunde schnelle Wirbelsturm vernichtete allein Werte von 94 Milliarden Euro. Inflationsbereinigt war er damit für die Assekuranz der zweitteuerste Sturm der Geschichte.

Allgemein hätten zwei Faktoren die Naturkatastrophenbilanz 2022 geprägt, sagt Rauch: der Klimawandel sowie das Naturphänomen La Niña. Dieser Begriff bezeichnet eine zyklische Klimaschaukel, die das Entstehen von Wirbelstürmen begünstigt.

Andere Folgen waren 2022 Hochwasser in Australien, Hitze und Trockenheit in China oder Extremmonsun in Asien. Letzterer hat zudem die im Vorjahr größte humanitäre Naturkatastrophe ausgelöst. In Pakistan war der Monsunregen 2022, begünstigt von beschleunigter Gletscherschmelze, fünf- bis siebenmal so stark wie üblich, was 1700 Menschen das Leben kostete.

Policen gegen Naturkatastrophen soll es weiterhin geben

In Europa drohen Rauch zufolge klimabedingte Gefahren vor allem durch Winterstürme und Starkregen. Die Assekuranz bereitet sich darauf vor, dass derartige Naturkatastrophen europaweit deutlich über zehn Milliarden Euro vernichten können – sowie ein Zehnfaches dessen in Nordamerika. Policen gegen Naturkatastrophen soll es aber auch weiterhin geben.

Die eigentliche Frage sei, ob Verbraucher immer höhere Prämien dafür bezahlen wollten oder könnten. „Wenn die Risiken steigen, müssen sich auch die Prämien erhöhen, um langfristig umfassenden Versicherungsschutz anbieten zu können“, sagt Rauch. Eine Police gegen Naturgefahren könne künftig möglicherweise nur noch bezahlen, wer etwa sein Haus baulich gegen Hochwasser schützt oder besser noch abseits von Hochrisikogebieten baut.

Absage an Pflichtpolice

Versicherungen gegen Ernteausfall und gegen Elementarschäden rücken damit stärker in den Fokus. Erstere gibt es in Deutschland bislang nur rudimentär, letztere hat bundesweit nur jeder zweite Hausbesitzer, weshalb nach der extrem kostspieligen Katastrophe im Ahrtal eine Pflichtpolice in der Diskussion war. Erst im Dezember hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ihr aber eine Absage erteilt. Elementarschäden werden für unversicherte Betroffene damit absehbar weiter aus Steuergeldern ausgeglichen.

Wintersturm Elliott verzögert die Bilanz

Sturm
 Die Schadensbilanz der Munich Re zu Naturkatastrophen 2022 ist erst eine vorläufige. Denn mit dem Wintersturm Elliott in Nordamerika ist ein Großschaden finanziell noch nicht erfasst. Bei Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius waren in den USA bis zu 1,7 Millionen Haushalte dadurch zeitweise ohne Strom. Mehr als 50 Menschen mussten ihr Leben lassen. Das ganze Ausmaß solcher Katastrophen zeigt sich der Erfahrung nach erst bei Schneeschmelze.

Temperaturen
 Auch Europa brachte das Jahr 2022 teils extreme Temperaturen. In Großbritannien stiegen sie erstmals überhaupt über 40 Grad Celsius. In Deutschland und Italien kam wegen niedriger Pegel die Binnenschifffahrt zeitweise zum Erliegen. Waldbrände vernichteten in der EU eine Fläche von 800 000 Hektar. Das ist zweieinhalbmal so viel wie im Schnitt der letzten 15 Jahre. Hagelkörner wiederum erreichten die Größe von Tennisbällen. Relativ gesehen waren die Schäden aber aus Sicht der Assekuranz 2022 überschaubar.