Im Kampf gegen Baumschäden geht Naturschützern in den USA der Eingriff in die Natur zu weit. Der Feind der Forstverwaltung ist der Borkenkäfer.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Rapid City - Ein magisches Land sind die Black Hills im Westen von South Dakota. Für die Indianer sind sie heilige Berge, die von den Weißen mit Füßen getrampelt werden. Die in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts radikal in den Fels gesprengten Präsidentenköpfe von Mount Rushmore sind dafür ein weithin sichtbares Symbol.

 

Brian Brademeyer gehört zu der kleinen Minderheit, die auf ein Umdenken pocht. An einem Aussichtspunkt nur wenige Kilometer vom durch den Touristenrummel geprägten Präsidentendenkmal entfernt zeigt er auf eine von steilen Felsen gesäumte Anhöhe. Norbeck heißt der 142 Quadratkilometer große Bezirk, ein kleines Inselchen in 4850 Quadratkilometer Staatswald. Die Wildnis soll hier laut einem seit den zwanziger Jahren geltenden Gesetz sich selbst überlassen bleiben. "Aber die Forstverwaltung kann einfach nicht die Finger von ihr lassen", sagt der gelernte Physiker und Ingenieur zornig.

Sommer 2011 war zu heiß

Wie andernorts in den USA war der Sommer 2011 zu heiß. Seit 1997 breitet sich in dem wärmer werdenden Klima in den Black Hills der Borkenkäfer aus. Er hat sich inzwischen durch ein Drittel des Nationalwalds gefressen. Für Umweltschützer wie Brademeyer ist das nichts anderes als Teil eines jahrhundertealten Zyklus. Sie wollen Fällaktionen zum Schutz vor dem Käfer juristisch stoppen.

Für den Sprecher der Bundesforstverwaltung in den Black Hills ist das absurd. "Schauen Sie hierhin! Und da! Und da!", sagt Frank Carroll auf einer Rundfahrt durch die Wälder. Das Rot der abgestorbenen Baumwipfel ist für ihn eine offene Wunde, gegen die etwas getan werden muss - Wildnis hin oder her.

South Dakota erlebt einen für die USA inzwischen typischen ökologischen Kulturkampf. Soll man Wildnisgebiete natürlichen Schädlingen ausliefern, bis diese sich von selbst erschöpfen? Oder muss der Mensch eingreifen, weil er besser weiß, was gut für die Natur ist?

Waldbrandgefahr

Nichts scheint für die staatliche Forstverwaltung und die in den Black Hills überall eingestreuten, privaten Landbesitzer schwerer, als den Dinge ihren Lauf zu lassen. Die zerstörten Bäume erhöhten die Waldbrandgefahr, heißt es. " Feuer ist das, was die Menschen hier im Westen am meisten fürchten", sagt Carroll. "Als wir in den 1890er Jahren angefangen haben, Waldbrände zu löschen, haben wir die Ökologie verändert", sagt auch der Forstunternehmer und Lokalpolitiker Alan Aker. "Natürlich wäre das umkehrbar, aber das würde Jahrzehnte dauern." Den Käfern - und dann auch den zunächst besonders heftig wütenden Feuern - freien Lauf zu lassen, sei indiskutabel. "Wir würden Waldboden verlieren, der tausend Jahre bräuchte, um sich wieder zu regenerieren."

In den ganzen USA laufen zurzeit Anträge, auch in Wildnisgebieten den Borkenkäfer zu bekämpfen. Doch eine 2010 veröffentlichte Studie des privaten Umweltinstituts National Center for Conservation Science and Policy widerspricht dieser These. Selbst wenn der Kampf gegen Käferbefall das Waldbrandrisiko verringere - was keineswegs erwiesen sei - sei es effektiver, gezielt menschliche Siedlungen zu schützen: "Dies ist viel billiger und ökologisch weniger schädlich als der Versuch, die ganze Struktur des Waldes zu verändern." Frank Carroll hält die These, dass die Natur schon selbst ihr Gleichgewicht finde, für leichtsinnig: "Die Annahme, dass alles wieder gut wird, nachdem der Wald abstirbt, und dann intensive und wiederholte Feuer wüten, ist wissenschaftlich und von unserer Erfahrung nicht gedeckt."

Die Debatte gibt es auch in Deutschland

Es ist eine Debatte, die es auch in Deutschland gibt. Seit Jahren streitet man sich auch im Nationalpark Bayerischer Wald, inwieweit man den Käfer gewähren lassen soll. Doch in South Dakota geht es noch etwas härter zur Sache. Dies hier ist der Wilde Westen. Privatleute können auf ihren Grundstücken mit dem Wald machen, was sie wollen. Dass unweit des Mount Rushmore gerade von einer Privatinitiative ein ganzer Berg gesprengt wird, um den Indianer Crazy Horse in den Fels zu meißeln, ist dafür nur ein drastisches Beispiel. Käfer und Umweltschützer stören in diesem Umfeld nur.

"Wissen Sie welche Antwort ich habe, wenn mir einer Vorschriften machen will?", fragt der Medizinunternehmer Jim Scherrer, der mitten in einem privaten Waldstück ein großes Blockhaus für sich und seine Familie errichtet hat. "Schauen Sie mal meinen Waffenschrank an: wenn einer dieser Fritzen sich auf mein Grundstück verirrt, die von Kalifornien oder sonst woher kommen und glauben, sie könnten uns hier sagen, was wir zu tun und zu lassen haben - dann knalle ich sie ab."

Die Bäume auf seinem mitten im Wald gelegenen Grundstück sind säuberlich gelichtet, damit die Borkenkäfer keine Ansatzpunkte finden; einige sind mit Chemikalien behandelt, damit sie widerstandsfähiger sind. Tiere in den Wäldern hätten mehr Probleme mit den Fällaktionen als mit den Käfern, sagt hingegen Umweltschützer Brademeyer. Man zerstöre den Wald nach dem Motto: Wir müssen die Bäume fällen, um sie zu retten.

Eindeutige Antwort

Auch der Sprecher der nationalen Forstverwaltung weiß, dass der Kampf um die Bäume nicht von der Wissenschaft entschieden wird. "Als wir in den 80er Jahren mit der Umweltfolgenabschätzung starteten - etwas, was übrigens die Deutschen erfunden haben - da glaubten wir noch, mit dem richtigen Plan wäre die Antwort eindeutig", sagt Carroll. "Nein, entscheidend ist die Art, wie du die Welt siehst."

Was ist wichtiger? Vom Menschen gesetzte Maßstäbe - oder eine Wildnis, die sich nach ihren eigenen Normen entwickelt? "Ich glaube einfach nicht, dass wir Menschen den Zeithorizont haben, um den Zeitplan der Natur zu verstehen", sagt Brademeyer. Warum könne man nicht wenigstens vom streng geschützten Wildnisareal die Finger lassen, von dem wegen der Topografie keine Waldbrandgefahr ausgehe? Die Forstbehörde argumentiert damit, man müsse dort alte Bäume schützen. "Und warum gibt es anderswo kaum noch große Bäume?", fragt Brademeyer: "Weil wir sie ständig fällen! Wir killen mehr Bäume als der Käfer."

Ein gefürchteter Baumbewohner

Borkenkäfer Auch in Deutschland hat die Forstverwaltung dem Borkenkäfer und anderen Forstschädlingen seit je den Kampf angesagt. Trotzdem ist die Situation stellenweise ernst, weil großflächig Bäume absterben. So führt zum Beispiel seit 2003 in Teilen Bayerns eine Borkenkäfer-Massenvermehrung zu enormen Schäden in Fichtenbeständen.

Bekämpfung In einer "ordnungsgemäßen" Forstwirschaft müssen vom Käfer befallene Fichten geschlagen und entrindet oder aus dem Wald abgefahren werden. Weiteres im Wald herumliegendes "bruttaugliches Material" muss entfernt oder durch Mulchen oder Verbrennen unschädlich gemacht werden. Schließlich soll in gefährdeten Gebieten Holz, das mit Rinde im Wald gelagert wird, mit zugelassenen Insektiziden behandelt werden.

Naturschutz Für Biologen und Naturschützer sind auch Borkenkäfer Teil der Natur. Selbst wenn in einzelnen Regionen größere Waldbestände durch Käferbefall zerstört werden, gehöre dies zu den natürlichen Prozessen. Daher fordern sie, in streng geschützten Naturzonen, wie sie beispielsweise im Nationalpark Bayerischer Wald ausgewiesen sind, eine Käferbekämpfung zu unterlassen. Begründung: diese ist mit Kahlschlägen verbunden und sei daher für das Gesamtökosystem sehr negativ. Diese Haltung führt gerade im Bayerischen Wald seit Jahren zu heftigen Diskussionen mit Forstwissenschaftlern und Tourismusexperten.